„Wenn Großschadenereignisse, wie die durch das Tief ‘Bernd‘ hervorgerufene Flutkatastrophe im Ahrtal, durch den Klimawandel gehäuft auftreten und jedes dieser Ereignisse den Kapitalstock in beträchtlicher Weise abgräbt, laufen wir Gefahr, dass Elementarschäden in Zukunft unversicherbar werden und sich erste Versicherungsunternehmen aus diesem Markt zurückziehen“, warnt Dr. Matthias Land, Vorstand und Vorsitzender des Ausschusses Schadenversicherung der DAV. In den USA sei das heute bereits der Fall. Die Versicherungswirtschaft verfüge zur Schadenbewältigung nur über eine begrenzte Menge an Kapital, so Land.
Fakt sei, dass die Klimakrise die Wahrscheinlichkeit für Katastrophen wie die im Ahrtal steigen lasse. „Vor dem Hintergrund müssen wir als Gesellschaft selbstverständlich den Verlust an Menschenleben, aber auch die Kosten so klein wie möglich halten“, argumentiert Land. „Eine bloße Pflichtversicherung genügt in jedem Falle nicht. Nur eine konzertierte Lösung aus Prävention, privater Versicherungswirtschaft und Kumulschadendeckung für den Katastrophenfall kann ausreichend zur dauerhaften Versicherbarkeit von Elementarschäden beitragen“, betont Land.
Weitere Präventionsmaßnahmen notwendig
Der Aktuarverband fordert generelle Präventionsmaßnahmen, unabhängig vom Versicherungsstatus. Unabdingbar seien stärkere staatliche Vorgaben beim Bau, um die Neubesiedelung in gefährdeten und hochgefährdeten Gebieten zu regulieren. So hatte eine Studie der Zurich Versicherungen über die Ursachen und Folgen der Katastrophe ergeben, dass von den rund 8.000 zerstörten Gebäuden entlang der Ahr gerade einmal 34 nicht mehr aufgebaut werden dürfen. Die Studie hatte zudem aufgezeigt, dass es dort gerade auf kommunaler, aber auch auf Landesebene seit Jahrzehnten Versäumnisse gegeben hat. Heißt: Es wurden Baugebiete in Risikogebieten neu ausgewiesen.
Die Erkenntnisse der Zurich-Studie dürften auch dem Aktuarverband vorliegen. Und so fordert der auch, dass die staatlichen Präventionsmaßnahmen verbessert werden müssten, also auch ein Ausbau von Deichen, Abwassersystemen und Frühwarnsystemen. Auch die Förderung individueller Präventionsleistungen der Verbraucher und Unternehmen spielt eine Rolle. Nötig seien hier Informationskampagnen und finanzielle Anreize und Unterstützungen von baulichen Veränderungen.
Wegfall der Versicherungssteuer
Auf einen relevanten, aber bislang kaum thematisierten Punkt beim Thema Elementarschadenversicherung weist der DAV-Vorsitzende Dr. Max Happacher hin. Nämlich darauf, durch einen Wegfall der Versicherungssteuer auf Elementarschadenversicherungen Belastungen für Verbraucher zu reduzieren: „Ein Wegfall der Versicherungssteuer hat seine Vorbilder etwa in der Kranken-, Renten- oder Lebensversicherung. Damit sorgt man bei Kunden im Falle einer freiwilligen Variante für einen Anreiz zum Abschluss. Gerade bei einer Pflichtversicherung ist ein Wegfall aber schon aus Akzeptanzgründen geboten. Denn die Steuer verteuert eine Versicherung erheblich. Ich sehe es kritisch, dass der Staat zusätzliche Einnahmen durch eine Pflichtlösung generiert.“
Der Schutz Dritter
Bislang wird, so Happacher weiter, vornehmlich über eine Pflicht zum Eigenschutz, also die Absicherung von Hauseigentümern selbst gesprochen. Ein weiterer Aspekt könne der Schutz von Dritten sein. „Dazu zählen insbesondere kreditgebende Banken“, so Happacher. „Eine ebenfalls denkbare Alternative zu einer allgemeinen Pflichtversicherung ist die der Versicherungspflicht bei Aufnahme eines Kredites (Baufinanzierung) zur Absicherung der Ausfallrisiken, denen die Bank bei einem Total-Verlust ausgesetzt wäre. Dafür wäre eine entsprechende Gesetzesänderung notwendig.“ Für den DAV-Vorsitzenden sei dies ein geringfügigerer Eingriff als eine allgemeine Pflichtversicherung und würde ebenfalls zu mehr Versicherungsschutz führen.
Höheres Risiko hat seinen Preis
Was die generelle Ausgestaltung einer Versicherung gegen Elementarschäden angeht, sieht Happacher in einer aktuariell sauberen Kalkulation verbunden mit einem risikogerechten Preis die Herausforderung. „Egal, wie man die Elementarschadenversicherung ausgestaltet: Es ist wichtig, dass der Preis dem Risiko angemessen ist. In der Höhe und hinsichtlich seiner geografischen Differenzierung.“ In den meisten Fällen befinden sich Prämien in der Elementarschadenversicherung bei einem Einfamilienhaus aktuell im niedrigen dreistelligen Bereich pro Jahr.
In besonderen Risikolagen könne eine Prämie aber auch ein Vielfaches dessen betragen. „Sollte im Falle einer Pflichtlösung oder auch generell ein gedeckelter Preis für Hochrisikolagen in Erwägung gezogen werden, müssten die Prämien insgesamt steigen“, mahnt Happacher. „Es würde für alle anderen Versicherten deutlich teurer. Im Ergebnis würden Gebäude in Risikogebieten subventioniert und solche in unkritischen Lagen bestraft.“
Prämiensenkung durch höhere Selbstbehalte?
Eine Möglichkeit, sehr hohen Prämien zu begegnen, wären entsprechend höhere Selbstbehalte. Hierdurch ließen sich individuelle Prämien deutlich senken, da ein Teil des Risikos vom Versicherungsnehmer selbst getragen würde. Der Versicherungsschutz diene dann der grundlegenden Existenzsicherung, nicht dem 100-prozentigen Schutz vor allen Verlusten, betont der DAV.
Extra-Risiko: Elementarschäden teuer und meist gehäuft
Eine große Herausforderung sehen die Versicherer in den auf begrenzter Fläche massiv auftretenden Schäden. Diese verursachen außergewöhnlich hohe Kosten. Die Katastrophen im Ahr- und im Erfttal 2021 zeigen das deutlich auf, so der DAV. Sehr viele Gebäude seien Totalschäden gewesen. Hinzu sei gekommen, dass nach einem so großen Schadenereignis die Material- und Reparaturkosten in einem betroffenen Gebiet in die Höhe schnellten. Dieser Umstand aus der Verbindung von hohen Schadensummen und Kumulschäden bedeutet für Versicherer ein kapitalintensives Risiko. Gerade im Falle einer diskutierten Pflichtversicherung hätte das Auswirkungen, mahnen die Versicherungsmathematiker.
Pooling oder Cat-Bonds?
Wenn nämlich Versicherungsunternehmen zu Vertragsabschlüssen im Rahmen einer Pflichtversicherung gezwungen wären, bräuchte es zusätzliche Instrumente, um den katastrophalen Kumulfall für die Versicherer beherrschbar zu machen. „Eine sogenannte Kumulschadenabsicherung, etwa durch Rückversicherer, die Kapitalmärkte – sogenannte Cat-Bonds – oder ein staatlich organisiertes Pooling, käme dann zum Tragen, wenn ein ganzes Gebiet mit zahlreichen, großen Schäden betroffen wäre und eine zu definierende Schadensummenhöhe überschritten würde“, fordert Happacher.