Neben dem unfreiwilligen Neuzugang Beiersdorf AG gab es im MDAX (60 mittelgroße Firmen) drei weitere Wechsel: Die Porsche Automobil Holding verdrängt die Aareal Bank AG, die auf Basis der Fast-Exit-Regel rausgefallen ist. Die Encavis AG tauscht mit der Metro AG die Plätz.
Gleiches passierte mit der Nordex SE und Osram Licht AG. Neben den bereits Erwähnten gab es auch eine Etage tiefer, im SDAX, weitere Bewegungen: Dort sticht Absteiger Aareal Bank AG die Hornbach Baumarkt AG aus. Halbleiterhersteller Süss Microtec SE verweist Cropenergies AG vom Platz, gleiches tut die SGL CARBON SE mit SNP Schneider-Neureither & Partner SE. Die Leoni AG schließlich ersetzt die Deutsche Beteiligungs AG.
Welche Kriterien greifen
Ein beeindruckendes Stühlerücken: Die Deutsche Börse entscheidet über Auf- und Abstiege anhand der Marktkapitalisierung der Aktien im Streubesitz und des Börsenumsatzes. Um in den Dax aufzusteigen, müssen Unternehmen bei beiden Kriterien mindestens auf Rang 30 liegen. Basis für die Änderungen sind auch die neuen Regeln, die mit der ersten Stufe der Dax-Reform Ende Februar eingeführt worden sind.
Hierzu gehören verpflichtende Finanzberichterstattung für Jahresabschlüsse und Quartalsberichte sowie die Verpflichtung, einen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat nachzuweisen. Wer im Einzelnen zu den Auf- und Absteigern gehört – das ist für Marktakteure vor allem im Vorfeld immer die große Frage.
Während die Kriterien Marktkapitalisierung und Börsenumsatz leicht zu errechnen sind, ist dies bei anderen Punkten nicht so eindeutig: Die neue Regel, einen unabhängigen Prüfungsausschuss im Aufsichtsrat zu belegen, gilt dabei als sehr komplex und somit schwer vorhersehbar.
Aufstiegskandidat Siemens Energy
Siemens Energy profitiert mit dem Aufstieg schon jetzt von dieser umfassenden Indexreform. Die Siemens AG hatte seine Energietechniktochter erst im September 2020 abgespalten. Mit einer Marktkapitalisierung von 16 Milliarden Euro war es die bislang größte Abspaltung eines Unternehmensteils in Deutschland.
Bereits im Dezember stieg die Aktie in den MDax auf. An die Börse gebracht wurde das Unternehmen zu einem Kurs von 22,01 Euro. Nach einer zunächst ernüchternden Kursentwicklung stieg die Aktie im Januar auf bis zu 34,48 Euro. Seither ist sie leicht gefallen und gab auch am Tag nach der Verkündung nach. Gleichzeitig legte die des Dax-Absteigers Beiersdorf zu und verbesserte sich auch in den Tagen danach stetig.
Kein Indexbonus
Dieses Beispiel zeigt bestens, dass es den oft propagierten automatischen Index-Bonus genauso wenig gibt, wie offenbar eine prompte Abstrafung des Absteigers. Und dies ist keine Momentaufnahme: Wie das Multi Family Office HQ Trust berechnet hat, brachte ein Dax-Aufstieg den Neulingen in der Regel direkt nach der Aufnahme wenig Glück.
Nur in acht von 25 Fällen konnten sie in den ersten zwölf Monaten ein besseres Ergebnis abliefern als der Leitindex. Es ist also wesentlich sinnvoller, die Aktien weit vor dem Einzug zu identifizieren und in das eigene Portfolio aufzunehmen – statt sie nach der offiziellen Aufnahme zu halten. Im Umkehrschluss zeigt Beiersdorf, dass der Ausschluss aus dem Top-Index kein Beinbruch ist.
Komplexe Regeln machen Index-Aufnahme schwer vorhersehbar
Beinahe wäre allerdings der Kochboxenversender Hellofresh statt Siemens Energy aufgestiegen. Allerdings griff hier eine andere Regeländerung. So müssen Unternehmen, die in den Dax aufsteigen wollen, für die beiden zurückliegenden Jahre einen Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen nachweisen.
Hieran ist Hellofresh gescheitert – obwohl das Papier bei Marktkapitalisierung und Börsenumsatz vor Siemens Energy lag und ausweislich der Jahresbilanz auch das zweite Jahr in Folge profitabel war. Doch hat das Unternehmen diese positiven Zahlen nicht bis zum Stichtag für die Indexberechnung vorgelegt. Der Kurs des Corona-Gewinners Hellofresh hatte sich binnen eines Jahres mehr als verdreifacht, hatte aber jüngst wieder um knapp 20 Prozent nachgelassen.
Regeländerung für den MDax hilft Porsche
Eine weitere Regeländerung hat dem prominenten Neuzugang Porsche SE in den MDax verholfen: Porsche hatte sich lange dagegen gesperrt, wie gefordert, Quartalsberichte zu veröffentlichen. Inzwischen legt jedoch die Holding – in der die Familien Porsche und Piëch gut 53 Prozent der Stammaktien von Volkswagen halten – Dreimonatszahlen vor.
Der Kurs der Porsche SE profitiert vom aktuellen Erstarken der zyklischen Automobilaktien und Volkswagen im Besonderen und ist in nur wenigen Monaten um mehr als 50 Prozent gestiegen. Der nächste Termin für die planmäßige Überprüfung der Dax-Indexfamilie ist der 3. Juni 2021.
Doch im September folgt der Höhepunkt: Dann wird der Dax um zehn auf 40 Aktiengesellschaften erweitert. Beiersdorf hat damit gute Chancen, nach einer nur kurzen Durststrecke gleich wieder in den Eliteindex einzuziehen, genauso wie es mit Hellofresh passieren wird. Gleichzeitig wird der MDax auf 50 Unternehmen verkleinert.
Manuel Heyden ist Mitgründer und CEO von nextmarkets, Europas gebührenfreiem Neobroker aus Köln. Als CEO steht er Büros in Köln, Lissabon und Malta mit aktuell 42 Mitarbeitern vor. nextmarkets wird von führenden Wagniskapitalgebern wie Peter Thiel, Founders Fund, Christian Angermayer, Axel Springer, Falk Strascheg und der börsennotierten FinLab AG unterstützt. Neben einem der größten Angebote auf dem Markt und innovativen Finanzprodukten wie Fractional Trading oder dem eigens entwickelten Geldmarktprodukt, zeichnet nextmarkets der klare Fokus auf Börsenwissensvermittlung durch kostenlose Coaches aus.