Barbara Ries, Baloise: „Das Generationenkapital allein wird nicht die strukturellen Probleme lösen können“ 

Dr. Barbara Ries Vorständin von Baloise in Deutschland
Foto: Baloise
Dr. Barbara Ries: „In diesen Zeiten kann die Lebensversicherung dazu beitragen, Zukunftsängste durch gute Absicherung zu nehmen.“

EXKLUSIV Dr. Barbara Ries ist seit dem 1. Mai neue Vorständin bei Baloise in Deutschland für die Ressorts Lebensversicherung und interne Dienste. Cash. sprach mit der LV-Expertin, Kapitalmarktspezialistin und Risikomanagerin über Rentenlücken und nicht erreichte Sparziele, den neuen Garantiezins und die Folgen für die Altersvorsorge sowie Christian Lindners Generationenkapital.

Frau Dr. Ries, Sie sind seit dem 1. Mai 2024 neue Vorständin für die Ressorts Lebensversicherung und interne Dienste bei Baloise in Deutschland. Wenn man sich Ihre Vita anschaut, sieht man, dass Sie auch Risikomanagerin und Kapitalmarktexpertin sind. Wie beurteilen Sie das Rentenpaket II und die Generationenpläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner?

Ries: Dass sich die Bundesregierung mit der Finanzierung der gesetzlichen Rente auseinandersetzt und Lösungen sucht, finde ich gut und richtig. Das Generationenkapital allein wird aber sicher nicht die strukturellen Probleme lösen können. Die private und die betriebliche Altersvorsorge bleiben daher wichtig wie eh und je. Wer seinen Lebensstandard im Alter halten möchte, muss privat vorsorgen; davon bin ich fest überzeugt.

Auch das Jahr 2024 ist geprägt vom Krieg in der Ukraine, dem Nahostkonflikt, Zukunfts- und Transformationsängsten, einer verunsicherten Wirtschaft. Wie wirkt sich die Gemengelage auf die Lebensversicherung bei Baloise aus? 

Ries: Wir spüren eine hohe Unsicherheit und Sorge in der Bevölkerung. In diesen Zeiten kann die Lebensversicherung dazu beitragen, Zukunftsängste durch eine gute Absicherung für einschneidende Ereignisse wie den Verlust der Erwerbsfähigkeit oder den Tod eines Angehörigen zu nehmen. Gleichzeitig bieten wir ein lebenslanges Einkommen für einen hoffentlich langen und gesunden Ruhestand. Den gestiegenen Wunsch nach Sicherheit merken wir in der Nachfrage nach unseren Produkten.  


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Per 1. Januar 2025 steigt der Garantiezins von 0,25 auf ein Prozent, es ist der erste Anstieg seit 30 Jahren. Einige Lebensversicherer sprechen bereits Besserstellungsgarantien für Lebensversicherungsverträge aus, die in diesem Jahr abgeschlossen werden. Wie geht Baloise vor? 

Ries: Bei unserer fondsgebundenen Versicherung Baloise Best Invest haben wir für alle Anträge seit dem 29. April ein Umstellungszertifikat ausgegeben, mit dem unsere Kundinnen und Kunden vom neuen Rechnungszins in 2025 profitieren können. Auch in der BU- und Grundfähigkeitsversicherung bieten wir an, eine Besserstellung zu prüfen und auf Wunsch umzustellen. Aufgrund der Kalkulationslogik muss bei diesen Produkten der neue Rechnungszins nicht zwingend zu besseren Konditionen führen. Die Kundinnen und Kunden gehen also kein Risiko ein, wenn sie schon dieses Jahr einen Vertrag bei uns abschließen. 

Jahrzehntelang galt das Credo: Sicherheit in der Altersvorsorge. Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase mussten die Menschen lernen, in der Altersvorsorge deutlich chancenorientierter zu investieren. Glauben Sie, dass die Erhöhung des Garantiezinses daran etwas ändern wird?

Ries: Ich glaube nicht an eine großflächige Renaissance der Klassik. Ich glaube, es hat sich mittlerweile verfestigt, dass sich die Altersvorsorge aufgrund der Langfristigkeit wunderbar für eine chancenorientierte Anlage eignet und damit viel bessere Ablaufleistungen bieten kann. In späteren Lebensphasen kann es sinnvoll sein, stärker sicherheitsorientiert anzulegen, daher ist Flexibilität wichtig. Wir bieten hierfür eine variable Aufteilung von Beiträgen und Guthaben in Fonds und Sicherungsvermögen an.  

Bei der Altersvorsorge zeigt sich, dass viele Deutsche ihre Sparziele nicht erreichen. Was ist nötig, damit die Rentenlücke nicht noch größer wird? 

Ries: Ich halte Transparenz für wichtig. Die meisten Menschenwerden sich vermutlich erschrecken, wenn sie feststellen, wie groß die Differenz ihrer Bezüge im Alter zu ihrem jetzigen Lebensstandard ist. Hier können unsere Vertriebspartnerinnen und -partner mit einer professionellen Beratung viel Wirksamkeit entfalten.

Sie haben im vergangenen Jahr mit der Baloise Best Invest eine neue Fondspolice auf den Markt gebracht, die im Maklermarkt auf sehr positive Resonanz gestoßen ist. Hat sich der Trend fortgesetzt?

Ries: Uns war es wichtig, ein exzellentes Produkt in Bezug auf Kosteneffizienz, Flexibilität und Sicherheit zu lancieren. Wir freuen uns riesig, dass unsere außergewöhnlichen Produktfeatures wie der Kostendeckel, der hohe garantierte Rentenfaktor und die flexible Aufteilung zwischen Fonds- und Garantievermögen sowohl von Kunden- als auch Vertriebsseite so gut angenommen wird und sich der positive Neugeschäftstrend fortsetzt.

Wie breit ist die Fondspalette der Baloise Best Invest und welche Auswirkungen hat die Erhöhung des Garantiezinses auf den Rentengarantiefaktor und die Rentenbezugsphase?

Ries: Baloise Best Invest bietet ein breites Portfolio von über 120 geprüften Fonds. Dabei sind alle relevanten Märkte vertreten, es stehen auch institutionelle Tranchen, ETFs, Nachhaltigkeitsfonds oder gemanagte Varianten zur Auswahl. Alle Fonds kommen vierteljährlich auf den Prüfstand. Nur Qualitätsfonds schaffen es auf die Liste, nicht mehr erfolgreiche Fonds werden entfernt. Baloise hat bereits das 4. Mal in Folge bei der Assekurata-Untersuchung zur individuellen Fondsauswahl einen Medaillenplatz errungen. Schon heute bietet unser Produkt einen hohen garantierten Rentenfaktor. Durch die Garantiezinserhöhung wird sich dieser Faktor in 2025 weiter verbessern. Für unsere Kundinnen und Kunden bedeutet dies höhere lebenslang garantierte Renten während des Rentenbezugs.

Stichwort Lebenszyklus: Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig vielfältige Anpassungsmöglichkeiten in der Ansparphase sind. Welche Möglichkeiten bieten Sie Ihren Kunden? 

Ries: Die Best Invest ist eines der flexibelsten privaten Altersvorsorgeprodukte im deutschen Markt. Basics sind in der Ansparphase die Möglichkeiten zur Erhöhung und Absenkung der Beiträge sowie Zuzahlungen, Entnahmen und Fondswechsel. Einer der USPs ist der Schieberegler, bei dem Kundinnen und Kunden jederzeit entscheiden können, zu wieviel Prozent in Fonds beziehungsweise im Sicherungsvermögen von Baloise angelegt wird. Flexibilität bietet Baloise auch in der Rentenphase, etwa bei der Frage, wieviel Kapital man verrentet haben möchte und in welcher Form die Auszahlungen erfolgen sollen. 

„Wir müssen als Branche einerseits Transparenz und Bewusstsein schaffen und andererseits gute Lösungen anbieten.“

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend. Wie breit ist Ihre Fondsauswahl in diesem Bereich? Die BaFin hat in einem aktuellen Schreiben die Bedeutung des Vertriebs bei der Abfrage von Präferenzen nochmals hervorgehoben. Welche Relevanz hat das Thema nun für den Vertrieb in der Altersvorsorge? Und wie sehen es die Kunden?

Ries: Selbstverständlich bieten wir auch eine Reihe nachhaltiger Fonds an. Die Zahl der ESG-Fonds-Anteile bei den abgeschlossenen Policen steigt, aber derzeit noch relativ langsam. Wir weisen unsere Vertriebspartnerinnen und -partner mittels Schulungen, Unterlagen und Tarifrechner auf das Angebot hin, und ich bin davon überzeugt, dass das Thema auch in jeder Versicherungsberatung angesprochen wird. Einige Maklerinnen und Makler spezialisieren sich auf nachhaltige Anlagen, die Mehrheit macht das aber von den Kundenwünschen abhängig. Unserer Wahrnehmung nach priorisieren die meisten Kundinnen und Kunden, die über Altersvorsorge nachdenken, zunächst Ertrag und Sicherheit. Wenn das auch noch nachhaltig erfolgen kann, ist es ein Plus.  

Erste Versicherer integrieren Eltifs 2.0 in ihr Fondspolicen-Angebot in der privaten Altersvorsorge. Arbeitet Baloise ebenfalls an einem derartigen Produkt? 

Ries: Mit der Neufassung der ELTIF-Verordnung wird Zugang zu Assetklassen ermöglicht, die bislang nur institutionellen oder sehr vermögenden Anlegerinnen und Anlegern offenstanden. Vertrieb sowie Kundinnen und Kunden muss klar sein, dass es sich hierbei um illiquide Anlagen handelt, die nur für sehr langfristige Investments und nicht für Flexibilität bei der Anlage gedacht sind. Da wir aber eine größtmögliche Flexibilität bieten wollen, planen wir derzeit kein solches Produkt. 

Baloise gehört zu den renommierten Biometrie-Anbietern im deutschen Biometrie-Markt. Die Sensibilität für die Absicherung biometrische Risiken war insbesondere in der Pandemie zwar hoch. Doch gerade bei der Risiko-Lebensversicherung gibt es in Deutschland noch deutlich Luft nach oben. Nach Angaben des GDV haben gerade einmal 17,2 Prozent aller Haushalte eine Risiko-Lebensversicherung. Warum hapert es hierzulande an der Sensibilität?  

Ries: Bei den Haushalten mit Kindern ist die Durchdringung deutlich höher und liegt bei über 40 Prozent. Alleinstehende sehen meist keine Veranlassung zum Abschluss einer Risikolebensversicherung. Junge Paare ohne Kinder sind häufig noch in einer Aufbauphase und konzentrieren sich mit ihren liquiden Mitteln auf andere Investitionen. Dennoch haben Sie Recht, die Risikoversicherung wird eher in geringem Maße von den Maklerinnen und Maklern aktiv angesprochen. Wir versuchen, die Wichtigkeit dieser Versicherung als Kernrisiko für junge Paare und Familien gegenüber unseren Vertriebspartnerinnen und -partnern immer mit attraktiven Angeboten herauszustellen. Wir bieten zum Beispiel gerade für junge Leute ein exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis und eine vereinfachte Abwicklung an.  

Sie gehören zudem zu den etablierten BU-Versicherern im Maklermarkt. Wie hat sich ihr BU-Geschäft entwickelt? 

Ries: Aktuell übertreffen wir unsere eigenen sehr ambitionierten Erwartungen, worüber wir uns sehr freuen. Wir bekommen aus dem Markt das Feedback, dass die Menschen bei Baloise den Unterschied machen. Wir legen viel Wert auf sehr guten Service. Das Know-how und die Schnelligkeit unserer Mitarbeitenden werden gelobt. Außerdem sind fortlaufend verbesserte Bedingungen und ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis essenziell. Die richtige Balance all dieser Erfolgselemente scheint ein Garant für jährlich mehr als 20.000 Neuverträge zu sein. Diese Erfolgsstory haben wir mit der Grundfähigkeitenversicherung seit dem Jahr 2020 fortgeschrieben. Ende Juni erfolgte ein umfangreiches Update mit Marktneuerungen, wie beispielsweise der Absicherung von Lokführerinnen und Lokführern bei Verlust des Triebwagenführerscheins. 

Aktuelle Studien zeigen, dass in der Bevölkerung offensichtlich noch viel Unwissenheit zum Thema BU herrscht. Wie können und müssen Versicherer und Vertrieb hier korrigierend eingreifen?

Ries: Wir müssen als Branche einerseits Transparenz und Bewusstsein schaffen und andererseits gute Lösungen anbieten. Schließlich können wir eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen erfüllen: Autonomie. Menschen möchten selbst entscheiden, wie sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und welche Wünsche sie sich erfüllen. Ein wichtiger Schritt dafür ist eine bedarfsgerechte Einkommensabsicherung. Sie sollte sich jeweils den Lebensumständen anpassen, also flexibel sein und weiterführende Optionen anbieten. Ein Beispiel dafür ist die Baloise Berufsunfähigkeitsversicherung Cash+. Hier wird zusätzlich zur Rente ein steuerfreies Kapital von bis 90.000 EUR zur freien Verwendung ausgezahlt. Einen bezahlbaren Schutz für körperlich Tätige bietet die Grundfähigkeitsversicherung.

Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eines der wenigen Produkte, das der Kunde oder die Kundin im besten Fall 45 Jahre lang im Bestand hat und nie wechselt. Die Herausforderung besteht darin, sie so zu gestalten, dass sie auch in drei oder vier Jahrzehnten noch passt. Welche Klauseln und Bausteine müssen in einen Tarif integriert werden, damit er mit den beruflichen und privaten Schritten mithalten kann?

Ries: Kundinnen und Kunden erwarten im Leistungsfall schnelle und zuverlässige Unterstützung. Diese Erwartungen erfüllen wir etwa mit objektiven Leistungsauslösern wie dem Arbeitsunfähigkeitsschutz und Leistungen bei voller gesetzlicher Erwerbsminderungsrente oder bei schweren Erkrankungen wie Krebs. Grundsätzlich müssen Nachversicherungsgarantien ohne erneute Gesundheitsprüfung vorhanden sein, die sicherstellen, dass bei bestimmten Ereignissen – wie zum Beispiel Heirat, Geburt eines Kindes, Hauserwerb, Karrieresprüngen – die versicherte BU-Rente angepasst werden kann. Sehr sinnvoll ist es, außerdem eine Dynamik zu vereinbaren. Darüber hinaus sind Lösungen zu Teilzeitarbeit oder bei Berufswechsel unbedingt in der Absicherung zu berücksichtigen.

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