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Der aktuelle Ölpreis als Einstiegsgelegenheit

Foto: PantherMedia/Destina
Erdölpreis hat noch Potenzial zu klettern

Die Sorge vor einem Handelskrieg hält die Börsen fest im Griff. Auch der Ölmarkt wird von Trumps Zollankündigungen am „Liberation Day“ durchgewirbelt. Welches Potenzial bietet Öl für Anleger nach dem Abverkauf?

Dass die Zölle am 2. April, dem von US-Präsident Donald Trump getauften „Liberation Day“, kommen würden, war klar. Dass sie so hoch und so umfangreich ausfallen, hat die meisten Marktteilnehmer dann doch überrascht. Gepaart mit ersten Gegenmaßnahmen, beispielsweise aus China, sind die Zölle eine Wachstumsbremse für den Welthandel. Bei den Marktteilnehmern wächst entsprechend die Sorge vor einer Rezession. Und eine Abschwächung der Wirtschaft bedeutet immer auch weniger Nachfrage nach Öl. Aus diesem Grund ging es für den Ölpreis in Folge des „Liberation Days“ steil bergab. Dagegen sorgte die teilweise Rücknahme der Zollandrohungen am 9. April für eine Erholung um fast zehn Prozent – eine wahre Achterbahnfahrt.

Außerdem hat die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) Anfang April beschlossen, ihre Fördermengen etwas schneller als ursprünglich geplant zu erhöhen. Das belastete den Markt zusätzlich, dabei hatte der Ölpreis Anfang März gerade erst zu einer Erholungsbewegung angesetzt. Hierfür waren ebenfalls Zölle verantwortlich: Für den Fall, dass Russland einen Waffenstillstand mit der Ukraine ablehnt, drohte der US-Präsident Ende März mit so genannten Sekundärzollen auf russisches Öl. Diese könnten Trump zufolge 25 bis 50 Prozent betragen. Davor stand Venezuela bei Sekundärzöllen im Fokus. Trump hatte angekündigt, dass die USA einen Zoll von 25 Prozent auf den gesamten Handel mit Ländern erheben werden, die Öl aus Venezuela beziehen.


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Sekundärzölle zeigen Wirkung

Und die Ankündigung der Sekundärzölle, die nicht die Ölproduzenten, sondern die Ölabnehmer sanktionieren, wodurch sie als effektiver zu werten sind, hat direkt Wirkung gezeigt: Ein Schiff des spanischen Ölkonzerns Repsol hat vor Venezuela wieder umgedreht, ohne dort beladen zu werden. Hinzu kommt, dass Chevron in Venezuela Öl fördert. Es ist zu vermuten, dass der US-Energieriese sich nicht gegen Trumps Anweisungen stellen wird. Daher ist es wahrscheinlich, dass künftig weniger venezolanisches Öl auf den Markt kommt. Ob die Androhung gegen russisches Öl Bestand hat, lässt sich noch nicht beurteilen – wird aber wohl stark vom weiteren Verlauf der Verhandlungen im Ukraine-Krieg abhängen.

Thomas Benedix (Foto: Union Investment)

Schon in der Vergangenheit haben Trumps Aussagen und Taten den Ölmarkt beeinflusst. Dabei agiert er recht widersprüchlich. Einerseits verspricht er niedrigere Energiepreise, um die US-Konsumenten zu entlasten. Andererseits ist die Förderung von US-Schieferöl sehr aufwändig und kostenintensiv, weshalb sich für die US-Firmen eine Produktionsausweitung nur lohnt, wenn der Ölpreis entsprechend hoch ausfällt. Auf den aktuellen Preisniveaus unter 60 US-Dollar für ein Fass der Sorte WTI können die Schieferölproduzenten in den USA nicht mehr kostendeckend fördern.

Auch Trumps Taten wirken in unterschiedliche Richtungen: Die Sanktionen beziehungsweise Sekundärzölle wirken positiv auf den Preis. Auf der anderen Seite verspricht er, den Nahost-Konflikt und den Krieg in der Ukraine zügig zu befrieden, was den Ölpreis eher drücken würde. Für die weitere Entwicklung des Ölpreises kommt es darauf an, ob und in welcher Sequenz die verschiedenen Maßnahmen und Ereignisse stattfinden werden. Wir sollten Trumps Einfluss aber auch nicht überschätzen – es gibt noch andere wichtige Einflussfaktoren am Energiemarkt, etwa wie es um die Angebots- und Nachfrageseite bestellt ist.

Saisonales Defizit im Sommer zu erwarten

Die Lagerbestände bei Öl liegen derzeit unter denen des Vorjahres. Insbesondere das kälter als erwartete Wetter im vergangenen Winter und eine zeitweilige „Dunkelflaute“ in Europa, die für eine geringere Stromproduktion aus Wind- und Solaranlagen sorgte, hat die Nachfrage nach fossilen Energieträgern erhöht. Allerdings ist die globale Konjunkturentwicklung eher verhalten und auch einigen Risiken ausgesetzt. Insgesamt dürfte die Nachfrage in diesem Jahr weniger wachsen als in den Vorjahren.

Und während wir aus Venezuela und Iran weniger Angebot erwarten, drehen die OPEC+-Staaten, die noch im Dezember ihre Förderkürzung verlängert haben, seit Anfang April den Ölhahn wieder weiter auf. Ab Mai fördern sie zusätzlich 400.000 Fässer pro Tag. In Summe erwarten wir im weiteren Jahresverlauf dennoch einen ausgeglichenen Markt, mit einem saisonalen Defizit im Sommer. Gepaart mit der aktuell geringen Positionierung von Investoren und den positiven Terminkurven, rechnen wir mit einer Kehrtwende beim Ölpreis. Auf 80 US-Dollar je Fass könnte der Preis für Brent-Öl in den kommenden zwölf Monaten noch steigen. Der aktuelle Ölpreis bietet sich also als Einstiegsgelegenheit an.

Autor Thomas Benedix ist Rohstoffexperte bei Union Investment.

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