Die Themen Nachhaltigkeit und ESG sind erzeit in aller Anleger-Munde. Was verstehen Sie unter diesen Begriffen?
Schröm: Die Integration von ESG-Faktoren dient als Grundlage für die Anlageentscheidungen von J.P. Morgan Asset Management. Bereits 2016 haben wir uns dazu verpflichtet, ESG-Faktoren in den Anlageprozessen der aktiven Strategien zu berücksichtigen. Zum 2. Quartal 2020 hatten alle unsere Investment-Plattformen für Aktien, Anleihen, Währungen, Rohstoffe, Liquiditätsmanagement, alternative Anlageklassen und Multi- Asset-Strategien den ESG-Integrationsprozess formalisiert und die aktiv verwalteten Investmentfonds und Mandate entsprechend ausgerichtet.
Die explizite Einbeziehung wesentlicher ESG-Informationen in den Anlageprozess trägt langfristig zu einer Verbesserung der risikobereinigten Rendite bei und dient gleichzeitig als Grundlage für die Ausrichtung der Portfolios auf die Kundenwerte. Bei unseren Sustainable Fonds werden neben den ESG-Kriterien dezidierte nachhaltige Strategien für den Investmentprozess festgelegt, z.B. ein Ausschluss bestimmter Branchen, eine positive Ausrichtung, ein Best-in-Class Ansatz, eine thematische Fokussierung oder so genanntes Impact Investing.
Seit März dieses Jahres ist der JPMorgan Investment Funds – Global Income Sustainable Fund am Markt. Wie groß waren die Herausforderungen, den bewährten Income-Fonds um eine „grüne“ Variante zu erweitern?
Schröm: Die besondere Herausforderung für einen nachhaltigen Multi-Asset-Income-Fonds ist, die große Bandbreite der unterschiedlichen ESG-Faktoren verschiedener Anlageklassen zu berücksichtigen und diese in einem breit diversifizierten ertrags- und risikofokussierten Portfolio zu kombinieren. Nicht für alle Anlageklassen ist die ESG-Datenlage gleich gut. So ist, um die notwendigen Daten zur Nachhaltigkeit zu ermitteln und ausnutzen zu können, viel eigenes Research und eine besondere Expertise nötig.
Denn die Ergebnisse müssen über Anlageklassen hinweg vergleichbar gemacht werden, zudem fallen ESG-Ratings verschiedener Anbieter häufig sehr unterschiedlich aus. So war eine umfangreiche Vorarbeit nötig, bis wir das Thema Nachhaltigkeit für die Multi-Asset-Income-Fonds umsetzen konnten.
Der Fonds verfügt über drei Nachhaltigkeitsebenen. Worin liegt dabei der Vorteil?
Schröm: In der Stringenz unserer Prozesse und Berücksichtigung der Kundenwünsche. Der differenzierte ESG-Ansatz innerhalb jeder der mehr als zehn Anlageklassen in der Income-Strategie bildet eine hervorragende Basis für alle unsere Income-Strategien. Im Global Income Sustainable Fund gibt es darüber hinaus normen- und wertbasierte Ausschlüsse von Sektoren, die nicht als nachhaltig angesehen werden. Zudem werden Unternehmen ausgeschlossen, die gegen die „UN Global Compact“-Norm verstoßen. Als dritte Ebene legt das Management den Fokus auf Unternehmen, die überdurchschnittliche Nachhaltigkeitswerte ausweisen und so helfen die Energiewende zu gestalten. Um diese zu identifizieren, nutzt das Management quantitative und qualitative Methoden sowie die globalen Research-Kapazitäten des Hauses. Im Vergleich zum Durchschnitt des Multi-Asset-Income-Investment-Universums kann der Global Income Sustainable Fund damit ein höheres ESG-Rating erzielen und weist signifikant geringere CO2-Emissionen auf.
Gibt es ein eigenes Sustainability Research?
Schröm: Nein, die ESG-Faktoren werden heute tatsächlich in jeden unserer Investmentprozesse integriert, nicht nur für die nachhaltigen Produkte.
Wie groß sind die Überschneidungen in der Asset Allocation zum bewährten Income Fonds?
Schröm: Aktuell liegt die Überschneidung bei rund 40 Prozent.
Mittlerweile gelten ESG-Investments als zusätzlicher Rendite-Push und Stabilisator gegen allzu große Schwankungen. Erwarten Sie, dass der Global Income Sustainable Fund eine noch bessere Wertentwicklung aufweist als der traditionelle Income-Fonds bei gleichzeitig geringerer Volatilität?
Schröm: Wir konnten anhand empirischer Analysen realer Marktdaten belegen, dass es möglich ist, den CO2-Fußabdruck ohne Ertragseinbußen zu reduzieren. Denn Unternehmen, die Nachhaltigkeit ernst nehmen, weisen üblicherweise eine höhere Qualität auf, was wiederum auch ihre Erträge nachhaltiger macht. Dass es immer einmal Marktphasen gibt, in denen die nachhaltigen Portfolios klassische Strategien übertreffen, ist also wie im Jahr 2020 möglich.
Es wird aber auch Marktphasen geben, in denen die Nachzügler für ihre ESG-Fortschritte belohnt werden. Und so stehen beide Strategien nicht im Wettbewerb, sondern streben mit unterschiedlichen Investmentschwerpunkten ein ähnliches Ertragsziel an. Beide Fonds werdem vom bewährten Fondsmanager-Team rund um Michael Schoenhaut gemanagt und nutzen denselben, von Scope mit AAA gerateten flexiblen und aktiven Investmentprozess und fußen auf dem Grundprinzip, nicht die höchsten, sondern die „optimalen“ Erträge mit einem besonderen Risikofokus zu erwirtschaften.
Wie kommt der Fonds, der bereits als reines Income-Produkt durchaus anspruchsvoll zu beraten ist, bislang im Vertrieb an? Erwarten Sie durch den Megatrend einen zusätzlichen Nachfrageschub?
Schröm: Wie eine aktuelle Befragung unseres Hauses von 6.000 Frauen und Männern in zehn europäischen Ländern zeigt, wächst das Interesse an den Möglichkeiten nachhaltiger Geldanlage in der breiten Bevölkerung. Das Geld in Unternehmen anzulegen, die zu einer nachhaltigeren Welt beitragen, hilft einerseits, das Vertrauen in die Wertpapieranlage zu erhöhen. Auch halten zwei Drittel der Befragten das Thema für wichtig und jeder Fünfte sogar für äußerst wichtig. Schon jetzt investieren zehn Prozent der Befragten nachhaltig.
Rund 75 Prozent glauben zudem, dass nachhaltiges Investieren eine zunehmend wichtige Rolle spielt. Fast die Hälfte der Befragten erwartet, dass die Menschen in Zukunft nur noch in nachhaltige Unternehmen anlegen werden. Und so wird nachhaltiges Investieren bei Anlageentscheidungen zukünftig eine immer wichtigere Rolle spielen. Wir sehen auch, dass Nachhaltigkeit eine Möglichkeit bietet, neue Anlegerinnen und Anleger für die Geldanlage zu begeistern. Denn anders als Sparbücher können nachhaltige Anlagelösungen dabei helfen, eine nachhaltige Zukunft zu gestalten. In den ersten sechs Monaten seit Auflage des Fonds wurden bereits 100 Millionen Euro investiert.
Wie groß ist in Ihren Augen die Gefahr, dass durch die große Sogwirkung von ESG Tendenzen in Richtung Greenwashing beschleunigt werden könnten und das Thema Nachhaltigkeit langfristig Schaden nimmt?
Schröm: Die Themen ESG und Nachhaltigkeit werden derzeit tatsächlich sehr inflationär genutzt. Für die Fondsindustrie liegt dies zu einem guten Teil an der Regulierung, die mit der EU-Offenlegungsverordnung einen ersten wichtigen Schritt in Richtung Vergleichbarkeit der Produkte geleistet hat. Alle Marktteilnehmer tun gut daran, auch die damit verbundenen Hausaufgaben zu machen und die Prozesse entsprechend anzupassen. In der Branche wurde in dieser Hinsicht aber auch schon viel auf die Beine gestellt. Zu erwarten ist auch, dass im Laufe der Zeit mehr und bessere ESG-Daten für alle Anlageklassen zur Verfügung stehen. Damit lassen sich Risiken und Chancen der Unternehmen noch besser verstehen und nachhaltiges Anlegen noch stärker etablieren.
Die Fragen stellte Frank O. Milewski, Cash.