„Der Fokus liegt derzeit auf dem Inflationsrisiko in Asien“

Cash.: Der chinesische Bankensektor und die Kreditvergabe dort stehen seit Langem in der Kritik. Sind die Sorgen berechtigt?

Ho: Das monetäre Kontrollsystem war bisher sehr präventiv. Vor allem die Kreditquote, die das Volumen von Darlehen limitiert, die an Unternehmen vergeben werden dürfen, erweist sich als effizient. Die Vorgaben für Banken, Mindestreserven vorzuhalten, erscheint hingegen wenig geeignet, um die Geldmenge zu kontrollieren. Der enorme Anstieg der Kreditquoten in den Jahren 2008 und 2009 dürfte einer der Treiber beim Anstieg der Inflation gewesen sein. Natürlich spielten hier auch andere Faktoren eine Rolle, beispielsweise die steigenden Lohnkosten und Engpässe in der Lieferkette landwirtschaftlicher Produkte. Solange es jedoch keine Liberalisierung bei den Zinsen gibt und keine marktbestimmte Zinsstrukturkurve existiert, wird es immer wieder zu unerwarteten Ereignissen kommen. So stieg zwischen Ende 2008 und Anfang 2010 die Preisentwicklung aus dem negativen Bereich bis zu einer Quote von vier Prozent. Wir glauben jedoch, dass die chinesische Regierung meist schnell lernt und dass es derart extreme Entwicklungen wahrscheinlich künftig nicht mehr geben wird. Was uns optimistisch stimmt: Es gibt bereits Ansätze, die Zinspolitik zu liberalisieren. Zudem nutzt China Hongkong, um einen Markt für Renmimbi-Anleihen zu begründen.

Cash.: Wie gefährlich sind die hohen Rohstoff- beziehungsweise Lebensmittelpreise?

Ho: Hohe Preise für Rohstoffe und Nahrungsmittel sind eine große Bedrohung für China. Denn in beiden Segmenten steigt die Nachfrage rapide. Die Regierung versucht seit etwa zehn Jahren, die Angebotssituation zu verbessern, indem sie sich an Unternehmen im Ausland beteiligt. Zudem baut sie verstärkt Beziehungen mit rohstoffreichen afrikanischen Ländern auf. Wir werden künftig mehr darüber lesen, wie China sein Nahrungsmittelangebot sichern wird. Die Regierung reagiert meist schnell auf aufkeimenden Missmut in der Bevölkerung, der beispielsweise durch die schlechten Lebensbedingungen für Geringverdiener in den Städten entsteht oder durch Anzeichen zunehmender Umweltgifte in den Nahrungsmitteln sowie durch die oft unfaire Behandlung von Migranten. Der Druck der stark wachsenden Mittelschicht zwingt die Regierung immer wieder, Reformen zu beschleunigen. Beispiele sind der soziale Wohnungsbau, die Gesundheitsreform oder diverse Anti-Korruptions-Kampagnen. Ich denke, die Regierung bleibt hier auch aufgrund der konstanten Sorge vor sozialen Unruhen im Hinblick auf Missstimmungen wachsam.

Interview: Marc Radke

Foto: Carlson Funds

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