Schon seit Jahren läuft der europäische Aktienmarkt dem US-Markt hinterher. „Es gibt strukturelle Faktoren, die den US-amerikanischen Aktienmarkt gegenüber dem europäischen begünstigen“, so Bente. „Das rechtfertigt auch ein dauerhaft erhöhtes Bewertungsniveau für die US-Märkte.“ Aus dem Vergleich der Bewertungen zu schließen, dass der europäische Markt Aufholpotenzial hat, ist nicht gerechtfertigt. Der Graben wird eher noch tiefer: „Zu den drei bisherigen strukturellen Gründen hat sich jetzt noch ein weiterer hinzugesellt“, sagt Bente.
1. Demographische Entwicklung: Alternde Gesellschaften haben Probleme. Das ist in vielen Industrieländern zu sehen. Aber relativ gesehen haben vor allem Japan und China sehr große Probleme, dann kommt Europa, während die USA noch das beste Verhältnis haben.
2. Zusammensetzung des Aktienmarktes: Der Aktienmarkt ist kein Eins-zu-eins-Abbild der Volkswirtschaft, sondern immer eine Teilmenge. So ist etwa der deutsche Aktienmarkt sehr stark auf die Old-Economy-Industrien fokussiert. Deutschland hat es in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt nur geschafft, einen Technologiekonzern von Weltrang aufzubauen und das ist SAP. „Die gesamte Technologie-Dominanz der westlichen Welt stammt aus den USA“, so Bente. „Da der US-Markt deutlich mehr Firmen in diesem Bereich aufweist, ist hier auch das Gewinnpotenzial des gesamten Marktes entsprechend höher.“
3. Der Währungsraum und der fiskalische Raum fallen in Europa auseinander: „Das ist grundsätzlich eine schlechte Ausgangssituation“, sagt Bente. Gerade in Krisen ist es sehr vorteilhaft, wenn Geld- und Fiskalpolitik Hand in Hand gehen. In den USA ist das gegeben, in Europa nicht: „In den USA gibt es einen Finanzminister und eine Währung, in Europa haben wir sehr viele Finanzminister und den Euro, was zu einer Zersplitterung der Fiskalpolitik führt. Die EZB muss es allen recht machen, das ist schwer oder sogar unmöglich und reduziert die Krisenreaktionsfähigkeiten“, so Bente.
Ein vierter Grund kommt hinzu: Der Kalte Krieg ist zurück und seine Frontlinie verläuft in Europa. „Ganz platt: Die russischen atomaren Kurzstreckenraketen in Kaliningrad können Berlin erreichen, aber nicht Washington“, sagt Bente. Das war schon in der ersten Phase des Kalten Krieges so, die USA bildeten eine Insel der Glückseligen, in Europa wurde gebangt. „Jetzt treten wir in die zweite Halbzeit des Kalten Krieges ein, wieder verläuft die Konfrontationslinie durch Europa und auch das wird wieder einen dauerhafteren Bewertungsabschlag beziehungsweise einen Risikoaufschlag gegenüber den USA rechtfertigen“, sagt Bente.