Die Coronakrise entpuppt sich als eine Belastung für die Wirtschaft, die das Potenzial hat, die nächste Finanzkrise einzuläuten. Die Stimmung der Unternehmen ist seit Jahresbeginn 2021 deutlich schlechter geworden, wie die Entwicklung des ifo-Index zeigt. Das nicht absehbare Ende des Lockdowns dämpft das konjunkturelle Zwischenhoch. Die zweite Corona-Welle habe die Erholung der deutschen Wirtschaft beendet, so das ifo-Institut. Die deutsche Exportwirtschaft verzeichnete im vergangenen Dezember einen Rückgang der Auftragseingänge um 2,6 Prozent, auch die Inlandsaufträge sanken um 0,9 Prozent.
Verantwortlich dafür war vor allem der starke Rückgang der Nachfrage aus der Eurozone mit einem Minus von 7,5 Prozent zum Jahresende 2020. Europas Wirtschaft leidet unter den anhaltenden Pandemiebeschränkungen, die das Geschäft nachhaltig beeinträchtigen. Der hoffnungsvolle Blick, den Unternehmer noch Ende des Jahres gen 2021 richteten, trübt sich zusehends.
Wurzelförmiger Konjunkturverlauf setzt sich fort
Der schleppende Fortschritt der Schutzimpfungen und die sich bedrohlich ausbreitenden Virusmutationen lassen erhoffte und für einen Aufschwung dringend nötige Lockerungen in weite Ferne rücken. Die trüben Aussichten machen sich nun in immer mehr Branchen bemerkbar: Neben dem von den Beschränkungen stark betroffenem Dienstleistungssektor und dem Handel schwächelt jetzt auch das verarbeitende Gewerbe. Branchenweit gingen die Aufträge dort bereits im Dezember um 1,9 Prozent zurück, bei den Herstellern von Investitionsgütern sogar um 4,6 Prozent. Im gesamten Jahr 2020 verbuchte das verarbeitende Gewerbe 7,2 Prozent weniger Aufträge als im Vorjahr.
Auch der Aufschwung der deutschen Automobilindustrie ist beendet. Sie schloss das Jahr mit einem Auftragsminus von 5 Prozent ab – ein stärkerer Rückgang, als ihn Analysten erwartet hatten. Und die Produktion des produzierenden Gewerbes stagniert seit Dezember. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete sie 2020 kalenderbereinigt ein Minus von 8,5 Prozent. Die Bauproduktion sank im Dezember um 3,2 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt ging 2020 kalenderbereinigt insgesamt um 5,3 Prozent zurück. Der wurzelförmige Konjunkturverlauf scheint sich fortzusetzen. Darüber können auch das leichte Umsatzplus von 0,9 Prozent des produzierenden Gewerbes ohne Energie und Baugewerbe im Dezember, die um 2 Prozent gestiegene Produktion von Vorleistungsgütern sowie das Plus von 2,6 Prozent bei Konsumgütern nicht hinwegtäuschen.
Coronavirus infiziert Geschäftsklima und Perspektiven
Es wird Zeit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Lage der Wirtschaft schlechter ist, als viele es gewünscht und gehofft hatten. Wir steuern in eine handfeste Krise hinein, wenn die Zahlen sich so weiterentwickeln. Das grassierende Coronavirus hat mit seiner zweiten Welle das Geschäftsklima und die Perspektiven infiziert – wie schwer der Verlauf der „Erkrankung“ sein wird, bleibt abzuwarten. Doch ich fürchte, wir müssen uns auf mehr als nur leichte Symptome einstellen.
Die Zahl der Erwerbslosen lag im Dezember bei 1,95 Millionen. Es ist davon auszugehen, dass sie im ersten Quartal dieses Jahres weiterwachsen wird – durch den verlängerten Lockdown geht manchem Betrieb, der bereits 2020 schwächelte, nun endgültig die Puste aus. Gleichzeitig sinkt die Zahl neugegründeter Unternehmen weiter. Von März bis Dezember 2020 waren es 5 Prozent weniger als im Vorjahresvergleich. Die wirtschaftliche Unsicherheit während der anhaltenden Pandemie lässt Gründer zögern. Zugpferde der deutschen Wirtschaft wie die Automobil- oder Luftfahrtindustrie mussten und müssen herbe Verluste verkraften.
Die Tourismusbranche, die jeden 15. Arbeitsplatz in Deutschland stellt und knapp drei Millionen Menschen beschäftigt, wurde vom Coronavirus besonders schwer getroffen und musste 2020 mit 39 Prozent weniger Übernachtungen in- und ausländischer Gäste zurechtkommen. Im Dezember waren es sogar 78 Prozent weniger Übernachtungen im Vergleich zum Vorjahr. Es steht zu befürchten, dass insbesondere Branchen, die von unserer Mobilität leben, längerfristig den „Corona-Effekt“ zu spüren bekommen, mit anderen Worten: unter „Long-Covid“-Symptomen leiden werden.
Autor Thorsten Beckmann ist Geschäftsführer der internationalen Kommunikationsagentur achtung!