Die vergangene Woche war in vielerlei Hinsicht ereignisreich, und dies dürfte auch auf diese Woche mit dem G20-Gipfel am 28. und 29. Juni als Höhepunkt zutreffen. Ein Kommentar von Olivier de Berranger, Chief Investment Officer und Clément Inbona, Fondsmanager La Financière de L‘Echiquier.
Auf geldpolitischer Ebene äußerten sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die US- Notenbank Fed, neue Liquiditätsspritzen seien möglich, um dem Risiko einer Deflation und einer Wachstumsverlangsamung der Wirtschaft entgegenzutreten.
Zuerst sprach EZB-Präsident Mario Draghi auf der jährlichen Konferenz der Notenbank in Sintra von dem Erfordernis, „weitere Stützungsmaßnahmen“ umzusetzen, falls sich die Aussichten auf eine nachhaltige Rückkehr der Inflation auf ihren Zielwert von 2 Prozent nicht bewahrheiten.
Draghi und Powell halten die Welt in Atem
In Washington zeigte sich Fed-Chef Jerome Powell von den zunehmenden „Unsicherheiten“ um die Wirtschaftsaussichten, und insbesondere die Schwäche der Inflation, besorgt. Derzeit fasst rund die Hälfte der Fed-Gouverneure ein oder zwei Leitzinssenkungen bis Ende des Jahres ins Auge. Die Preise für Staatsanleihen erreichte daher neue Hochs, während Aktien die Woche mit einem deutlichen Plus beendeten.
Die Sucht der Anleger nach Liquiditätsspritzen für die Wirtschaft hat gegenüber makroökonomischen Indikatoren, die bei den Aussichten für das verarbeitende Gewerbe kaum noch glänzend sind, die Oberhand gewonnen.
Die EU steht unter Beobachtung
Auf politischer Ebene ist die Europäische Union Misstönen ausgesetzt, die dem Reigen der bevorstehenden Nominierungen vorangehen: Neu besetzt werden müssen die Ämter des EZB- Präsidenten, des Kommissionspräsidenten und die EU-Ratspräsidentschaft.
Im Vereinigten Königreich schickt sich Boris Johnson an, neuer Regierungschef zu werden. Beim Brexit dürfte er einen härteren Kurs einschlagen als seine Vorgängerin Theresa May. In den USA eröffnete Donald Trump seine Kampagne für die Präsidentschaftswahl 2020 mit einem ersten Auftritt. Er versäumte es nicht, seine Lieblingswaffe Twitter für einen Angriff auf Mario Draghi zu nutzen.
Was bedeutet Boris Johnson für den Brexit?
So warf er ihm vor, den USA gegenüber „unfair“ zu sein und versucht zu haben, mit einer beabsichtigten Zinssenkung den Euro zum Nachteil der US-Währung abzuwerten. Wie üblich nahm der US-Präsident auch die Demokraten und die Medien ins Visier, die er bezichtigte, ständig „Fake News“ zu verbreiten.
Die Politik ist eine Quelle zahlreicher Unsicherheiten, doch in dieser Woche fand sie trotz möglicher Auswirkungen auf die Märkte nur wenig Widerhall. Im Blickfeld der Anleger stand vor allem die Geldpolitik.
Auf geopolitischer Ebene nimmt die Möglichkeit eines offenen Konflikts zwischen den USA und dem Iran immer mehr Gestalt an. Nach dem Abschuss einer vermeintlich in den iranischen Luftraum eingedrungenen US-Drohne durch den Iran genehmigte Donald Trump scheinbar einen Gegenangriff auf strategische Ziele, bevor er sich besann.
Das schwarze Gold reagiert auf diese Spannungen und die Gefahr einer Seeblockade der Straße von Hormus, durch die täglich ein Fünftel der weltweiten Ölfördermengen transportiert wird, weiterhin erstaunlich ruhig.
Foto: La Financière de L‘Echiquier