ROUNDTABLE: „Der Trend geht weg vom Asset“

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TEILNEHMER, von oben links bis unten rechts:

Nico Auel (RWB), Jörg Busboom (Ökorenta), Thorsten Eitle (hep global), Rauno Gierig (Verifort Capital), Gordon Grundler (Primus Valor), Martina Hertwig (Baker Tilly), Christian Kunz (TSO Capital Advisors), Stefan Lammerding (Dr. Peters Group), Alexander Schlichting (Project), Helmut Schulz-Jodexnis (Jung, DMS & Cie.), André Wert (Solvium)

Auswirkungen der Corona-Krise auf die Zielbranchen, die neuen Regulierungsvorschriften zur Nachhaltigkeit ab März 2021 und generelle Produkttrends: Das waren die Überschriften des ersten Themenblocks „Produkte und Märkte“ des 10. Cash.-Branchengipfels, der Mitte November rein virtuell stattgefunden hat.

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihre jeweilige Zielbranche aus und wie ist die aktuelle Situation?

Schlichting: In unserer Assetklasse, also hauptsächlich Immobilienentwicklungen mit dem Schwerpunkt Wohnungbau, ist es bisher relativ geräuschlos gelaufen. Die Nachfrage war und ist nach wie vor hoch. Wir hatten in der ersten Lockdown-Phase im Wohnungsverkauf die Herausforderung, dass Notartermine nicht oder nur sehr eingeschränkt stattgefunden haben. Danach hat der Vertrieb von Wohnungen aber ganz normal weiterfunktioniert. Wir sind im Verkauf, Stand heute, sogar auf einem besseren Stand als im letzten Jahr. Auf unseren Baustellen ist es für uns gut durchgelaufen. Die Baustellen waren durchgängig besetzt. Man muss sicherlich schauen, wie der Finanzierungsteil in Zukunft weiter funktioniert, weil wir schon sehen, dass die Banken ihre Anforderungen nach oben setzen. Vertriebsseitig gibt es ein paar Herausforderungen, weil das persönliche Gespräch doch eine andere Verbindlichkeit hat als der digitale Vertrieb. Das hat sich hat in der ersten Lockdown-Phase durchaus bemerkbar gemacht, allerdings haben wir das bis Mitte des Jahres weitestgehend wieder aufgeholt. Das Thema Digitalisierung auch im Tagesgeschäft bei den Vertriebspartnern mit einzubringen, ist sicherlich noch eine große Aufgabe. Das betrifft die Technologie inklusive einer guten Internetleitung sowohl auf der Kunden- als auch auf der Beraterseite, aber auch das Thema digitale Zeichnungsunterlagen. Aber ich denke, dass wir da einen großen Schritt gemacht haben, nicht nur wir als Project Gruppe, sondern insgesamt in der Branche.

Grundler: Unser Asset der Bestands-Wohnimmobilien ist ein bisschen auf der Insel der Glückseligen. Der eine oder andere Mieter hat um eine Stundung gebeten, aber es gab kaum Ausfälle. Insgesamt haben wir im Frühjahr und im Sommer ungefähr zwei Prozent mehr Störfälle als sonst, inklusive Mietstundung und zu spät kommende Miete. Wir haben im Moment weniger als ein Prozent zusätzlichen Ausfall zu verzeichnen. Auf der Handwerkerseite – wir machen keinen Neubau, aber wir nachverdichten, bauen an, renovieren, sanieren – haben wir auch keine Ausfälle, weil wir mit unseren Partnern schon lange zusammenarbeiten und keine Großbaustellen haben. Verzögerungen gab es allenfalls mal auf den Ämtern. Beim Verkauf unserer Objekte hatten wir uns im März/April darauf eingestellt, dass der Markt eine zeitlang seitwärts läuft. Uns hat dann selber überrascht, dass wir seit dem Frühsommer eine Nachfragesteigerung feststellen konnten.

Lammerding: Im Rahmen der Expansion unseres Immobiliensegments haben wir uns auf Hotelimmobilien konzentriert. Das Marktumfeld für Investments in dieser Nutzungsklasse war bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie äußerst attraktiv. Geplant war, im ersten Quartal dieses Jahres einen risikogemischten Hotelfonds zu platzieren. Alle dafür notwendigen Hotels hatten wir bereits angekauft. Ebenso lag die Vertriebsgenehmigung der BaFin vor. Mitte März hätten wir mit dem Vertrieb starten können. Aufgrund der zunehmenden Ausbreitung von Corona sowie der damit einhergehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens, haben wir uns dazu entschlossen, diesen Fonds nicht in den aktiven Vertrieb zu geben. Die derzeitige Situation zeigt, dass dieser Schritt richtig war. Gerade Privatanleger möchten ihre Investitionsentscheidungen im Lichte klarer Prognosen treffen. Das ist derzeit nicht gegeben. Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass der zuvor sehr wachstumsstarke Hotelmarkt über die aktuelle Situation hinaus attraktive Renditechancen bietet. Das hören wir auch von institutionellen Investoren. Privatanleger hingegen sind immer noch sehr verunsichert und halten sich entsprechend zurück.

Rauno Gierig, Verifort Capital: „ESG wird nur dann wirklich Realität, wenn auch der Gesetzgeber Druck macht.“ Foto:
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Gierig: Verifort Capital verwaltet einen Bestand an Portfoliofonds mit verschiedene Nutzungsarten, unter anderem Büro, Logistik, Nahversorger, teilweise Wohnen. Über die Zukunft der Nutzungsart Büro ist ja im Zuge von Corona und Homeoffice eine Diskussion entstanden. Ich glaube, dass Büros weiterhin ihre Berechtigung haben, gerade in Hinblick auf Kreativität und Innovation. Da braucht man weiterhin diesen Ort. Dabei kommt es sehr stark auf die Lage an und darauf, dass man nicht nur auf einen Mieter setzt. Multi-Tenant-Objekte werden sich in Zukunft wahrscheinlich durchsetzen. Was jetzt neu dazukommt, ist das Thema Healthcare, also Immobilien im Pflegebereich. Hier sehen wir weiterhin Nachfrage, und zwar unabhängig von Corona. Denn die Demografie wird sich nicht aufhalten lassen. Die Babyboomers kommen so langsam in die inaktive Phase, und es wird einfach zu wenig gebaut. Das heißt, die Auslastung ist auf jeden Fall in den nächsten Jahren gegeben. Die BaFin hat gerade unseren ersten Publikumsfonds genehmigt, der in ein Portfolio mit fünf bis sechs Heathcare-Objekten in Deutschland investiert. Die ersten Objekte haben wir im Köcher und werden sie zügig anbinden. Darüber hinaus planen wir weitere Fonds. Hier sind aus unserer Sicht vor allem die Nutzungsarten Logistik und Nahversorgung interessant.

Kunz: Für Gewerbeimmobilien in den USA war die Trump-Ära der letzten vier Jahre, das muss man ehrlich sagen, nicht das Schlechteste und in Bezug auf unsere Produkte in keiner Weise problematisch. Vertrieblich gesehen war seine Präsidentschaft aber immer eine Herausforderung, weil Trump in der Medien-Wahrnehmung in Deutschland nicht das beste Bild abgegeben hat. Wir hoffen, dass durch das Wahlergebnis der Vertrieb wieder etwas mehr Ruhe bekommt. In Bezug auf Corona wurden die Lockdowns relativ früh aufgehoben, aber das heißt nicht, dass es keine Einschränkungen gibt. Corona hat auch in den USA dazu geführt, dass die Prozesse wie Verkaufsgespräche, das Einholen von Genehmigungen und dergleichen deutlich verlangsamt stattgefunden haben. Viele potenzielle Anbieter von Objekten, die für unser Portfolio interessant wären, haben die gleiche Strategie gefahren wie wir und die Objekte vom Markt genommen. Das Transaktionsvolumen war entsprechend geringer als üblich. Das ist auf der einen Seite positiv, weil wir dadurch keinen Preisverfall bei unseren Objekten erwarten, auf der anderen Seite wird es schwieriger, Objekte anzubinden. In unserem Immobilienbestand haben wir dabei aber keinerlei Auswirkungen gesehen. Weniger als ein Prozent unserer Mieter musste kündigen, wir haben alle Mietverträge verlängert. Im Vertrieb auf deutscher Seite ist das Neukundengeschäft etwas schleppender als üblich. Dort hat man gesehen, wie wichtig das persönliche Zusammentreffen zwischen unseren Vertriebspartnern und deren Kunden doch ist. Bei den Bestandskunden haben wir hingegen eine sehr hohe Wiederanlagequote, weil wir auch dieses Jahr kontinuierlich ausschütten konnten und viele Kunden diesen Umstand genutzt haben, um zu reinvestieren. Besonders ihnen konnten wir den Vorteil von Immobilieninvestitionen in diesen turbulenten Zeiten beweisen.

Auel: Für Private Equity haben sich frühere Krisen in der Rückschau oft als die besten Investitionsjahre erwiesen. Es gibt allerdings einen signifikanten Unterschied zwischen der Finanzkrise 2008 und der Covid-19-Krise. 2008 war – um es bildlich darzustellen – wie eine Art Rasen- mäher, der alle Grashalme gleichmäßig abschneidet. Denn durch die Finanzierungsprobleme damals waren alle Unternehmen gleichermaßen betroffen. Covid-19 ist eher ein Schwert, das die Wirtschaft in rechts und links unterteilt: Manche Wirtschaftszweige haben Probleme, andere wiederum profitieren. Wir haben unsere Zielunternehmen zusammen mit den Zielfondsmanagern analysiert. Im Gesamtportfolio sind demnach zwischen ein und zwei Prozent von Covid-19 deutlich negativ betroffen, aber knapp sechs Prozent der Unternehmen äußern, dass sie sogar überproportional wachsen. Bezüglich des Kapitalabrufs der Zielfonds bei unseren Dachfonds haben wir vor allem im April gesehen, dass sehr viel Geld abgerufen wurde. Die Private-Equity-Fonds wollten den Puffer der eigenen Liquidität erhöhen, sicherlich als Vorsichtsmaßnahme und um gegebenenfalls Zielunternehmen zu stabilisieren, aber auch, um von günstigen Einstiegspreisen zu profitieren. Im Laufe des Jahres hat sich das wieder auf die normale Abruf- und Rückflussgeschwindigkeit eingependelt. Im Gesamtportfolio haben viele Unternehmen, gerade im Techbereich, sehr stark profitiert und jetzt im Herbst sehr gute Exits hingelegt, wodurch uns sehr gute Rückflüsse gerade im August und September erreicht haben.

Wreth: Die weltweite Corona-Starre hat dazu geführt, dass auch die Logistik weltweit zunächst ins Stocken geraten ist. Die Logistikketten sind nicht mehr so effizient, wie sie vor Corona noch waren, zumindest temporär, was für uns aber von enormem Vorteil ist. Denn die Nachfrage nach mobilen Ausrüstungsgegenständen wie Container und Wechselkoffer und zukünftig Eisenbahnwagen ist enorm gestiegen. Dazu kommt ein unheimlicher Wachstumsschub im Bereich E-Commerce, also Otto, Amazon, Zalando & Co. Die Unternehmen brauchen dringend Equipment. Es wird aber nicht in größerer Anzahl hergestellt. Bei Containern ist es ähnlich. Wir haben dort positive Preisentwicklungen und positive Mietentwicklungen. Gleichzeitig lässt es uns auch sehr ruhig schlafen, weil wir langfristige und mittelfristige Mietverträge mit unseren Mietern abschließen.


Jörg Busboom, Ökorenta: „Gute Erfahrungen mit Laufzeiten von acht bis zehn Jahren.“
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Busboom: Durch die Coronakrise sehe ich in unserem Zielmarkt der erneuerbaren Energien keine Auswirkungen. Das liegt zum einen an den garantierten Vergütungen, zum anderen betreiben wir mit der Stromerzeugung eine gewisse Grundbedarfsdeckung. In unserem Zielmarkt wirken sich eher politische Entscheidungen in der Vergangenheit aus – oder nicht getroffene Entscheidungen, die Neugenehmigungsverfahren im Windbereich oder ähnliche Dinge erschweren. Auch für die Ökorenta spüren wir keine negativen Auswirkungen. Es ist eher umgekehrt. Unsere Kunden wissen, dass unsere Assetklasse relativ entkoppelt von den Kapitalmärkten ist und haben unsere Kapitalanlagen in diesem Jahr eher verstärkt nachgefragt. Zusätzlich haben wir in diesem Jahr eine starke Nachfrage von Kunden respektive von Vermittlern, die sich in Vergangenheit mit erneuerbaren Energien noch gar nicht so intensiv beschäftigt hatten und jetzt feststellen, dass diese Assetklasse doch ganz interessant für sie ist. Daher wird die Ökorenta aller Voraussicht nach 2020 das beste Jahr der Unternehmensgeschichte haben.


Thorsten Eitle, hep. „Aktuell wieder zwei deutsche Projektentwicklungen angebunden.“ Foto:
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Eitle: Global betrachtet wird der Sektor der Erneuerbaren Energien, zumindest der Bereich der neu zugebauten Kapazitäten, dieses Jahr auf hohem Niveau stagnieren aufgrund von Corona. Das liegt hauptsächlich an den Verfügbarkeiten von Komponenten durch die jeweiligen Lockdowns, gerade in China. Aber das ist eine kurzfristige Erscheinung, wir sehen zukünftig einen stark wachsenden Markt, gerade im Segment der Photovoltaik. Weltweit stärken Regierungen mit „grünen“ Konjunkturprogrammen, die als „Green Recovery“ zusammengefasst werden, nicht nur den eigenen Wirtschaftsstandort, sondern fördern langfristig den Ausbau von erneuerbaren Energien. Wir selbst haben in der Projektentwicklung den Vorteil, trotz Corona die Pipeline an Projekten weiter ausbauen zu können. Wir haben unter anderem einen Projektentwickler und ein Bauunternehmen in den USA gekauft, sodass wir in den USA bald an die sechzig Mitarbeiter haben. Wir werden bis Ende 2020 sechs US-Parks und einen japanischen Park ans Netz gebracht haben und fangen gerade mit einem neuen Projekt in Japan mit 15 Megawatt und circa 30 Millionen Euro Gesamtinvestion an. In Japan war für uns – in Anführungszeichen – „förderlich“, dass die Olympiade ausgefallen ist. Von heute auf morgen waren viele Baukräfte frei, so dass wir unser Projekt mit zwölf Megawatt noch fast termingerecht am Netz hatten.

Wie ist die Entwicklung im Vertrieb insgesamt? Werden bestimmte Assetklassen besonders nachgefragt oder andere weniger, oder ist der Absatz insgesamt rauf- oder runtergegangen?

Schulz-Jodexnis: Der Absatz hat sich gegenüber dem Vorjahr erstaunlich gut gehalten. Wir hatten mit etwas anderem gerechnet, weil die persönlichen Kundenkontakte deutlich dezimiert waren, was in unserem Geschäft durchaus von Bedeutung ist. Das ist aber bisher gut kompensiert worden. Wir liegen jetzt deutlich über dem Vorjahr und sind derzeit bei rund 51 Millionen Euro im Sachwertebereich. Dabei tun sich die klassischen Fonds allerdings schwer. Wir haben im Immobilienbereich sehr viel stärker die Finanzierungsseite platziert, also zum Beispiel Projektentwicklungen und Angebote, die Mezzaninekapital durch Nachrangdarlehen oder ähnliches stellen. Den Kunden fällt es im Moment offenbar schwer, die Preise von Immobilien einzuschätzen und unmittelbar in Objekte zu investieren. Das betrifft auch die Nachhaltigkeit von Mieten, wenn man zum Beispiel an die Mietpreisbremse denkt. Für etwas Zurückhaltung bei den Fonds hat auch gesorgt, dass Anbieter sehr schnell ange- kündigt haben, Ausschüttungen auszusetzen oder zu reduzieren. Solche Nachrichten bringen immer Unruhe in der Anlegerschaft und führen zu einer defensiven Haltung, auch wenn sie mit Corona zu begründen sind. Be- stimmte Assets sind außerdem besonders betroffen, etwa Hotels und Flugzeuge. Auch das führt zu Zurückhaltung. Verstärkte Nachfrage haben wir im Bereich Nachhaltigkeit, also New Energy. Hier gibt es allerdings momentan zu wenig Angebot. Es sind fast nur Immobilienfonds am Markt. Was sehr stark läuft, ist Photovoltaik direkt, also der Kauf ganzer Bestandsanlagen. Da laufen oft schon Investitionen im siebenstelligen Bereich.

Schlichting: In darf noch einen Punkt ergänzen: Wir haben auch Gewerbeanteile in unseren Fonds, darunter zwei Hotelprojekte. Gerade in diesem Bereich findet das Thema Exit im Moment nicht statt. Es sind lediglich Schnäppchenjäger unterwegs, die mit extremen Preisabschlägen kaufen wollen. Da wir Fremdkapital im Publikumsbereich ausschließen, haben wir keinen zusätzlichen Zeitdruck, unbedingt verkaufen zu müssen. Das ist im Sinne der Renditemaximierung zwar nicht die optimale Exit-Strategie, aber gemessen an den Herausforderungen, die sich mit Leverage in dem angespannten Marktumfeld ergeben können, die deutlich entspanntere und stabilere Vorgehensweise, die unseren Anlegern zugute kommt.

Lammerding: Herausforderungen sehen wir auch, aber ebenso Lösungen. So konnten wir beispielsweise mit dem Gros der Pächter der von Dr. Peters finanzierten Hotels wirtschaftlich tragfähige Vereinbarungen hinsichtlich der Wiederaufnahme von Pachtzahlungen sowie der Rückführung von Stundungen treffen. Dafür hilfreich waren und sind die im Hotelbereich üblichen, langfristigen Pachtverträge und die ebenso langen Fondslaufzeiten. Stark nachgefragt werden derzeit Produkte mit kurzen oder mittleren Laufzeiten und solche mit geringeren Mindestanlagesummen. Hier kommt unsere Kooperation mit zinsbaustein.de zum Tragen. Gemeinsam bieten wir Bestandskunden, die nicht mehr von Vertriebspartnern betreut werden, ein breites Spektrum an Immobilieninvestments an – von Crowdinvestments und exklusiven Club Deals bis hin zu Bestandsimmobilien-Investments über AIFs. Für 2021 arbeiten wir an einem Blind Pool AIF, mit dem sich Anleger an einem Immobilienportfolio beteiligen können. Das soll vorrangig aus Handelsimmobilien mit langlaufenden Pachtverträgen bestehen. Da haben wir als Emittent und Asset Manager die größte Kompetenz.

Schulz-Jodexnis: Von der Anlegerargumentation helfen die langen Pachtverträge gerade nicht so, weil die Anleger im Moment eher auf die kurzen Anlagehorizonte schauen. Wir haben gerade bei Fonds mit sehr langer Laufzeit kaum Nachfrage bei den Anlegern.

Schlichting: An allererster Stelle für den Initiator steht aber doch, dass ein Produkt auf den Markt gebracht wird, das am Ende auch funktioniert. Von unserer Seite ist eine Laufzeitreduzierung nur bedingt möglich und dann ist man halt nicht everybody ́s Darling. Da muss man dann deutlich kommunizieren, dass wir nur für den Personenkreis geeignet sind, der zehn, 15 oder gegebenenfalls auch 20 Jahre Zeit hat.


Nico Auel, RWB: „Was der Kunde will, ist nicht immer gut für ihn.“
FOTO: DOMINIK OSSWALD

Auel: In Bezug auf die Laufzeit müssen wir deutlich machen, dass gerade für jemanden, der über viele Jahre investiert, die Chancen viel größer und viel sicherer sind als bei kurzfristigen Investitionen. Produkte wie langlaufende Private-Equity-Fonds sind eben unabhängig von der kurzfristigen Entwicklung in den nächsten Monaten und davon, ob die Börse hoch oder runtergeht. Aber das erfordert extrem viel Überzeugungsarbeit und große Nähe zu den Vertriebspartnern. Was der Kunde will, ist nicht immer das, was auch gut für ihn ist. Da muss man selbstbewusst mit dem Kunden in den Dialog und auch mal in Streitgespräche gehen und ihm verschiedene Alternativen aufzeigen.

Hertwig: Spielt bezüglich der Laufzeit nicht auch die Frage der stetigen Ausschüttung an den Anleger eine große Rolle? Ich kenne eine ganze Reihe von Fonds zum Beispiel im Bereich Pflege, wo stetig monatlich Ausschüttungen kommen. Da sind die langen Laufzeiten nicht so sehr von Bedeutung. Da läuft der Vertrieb sehr gut, jedenfalls nach dem, was bei mir ankommt.

Schulz-Jodexnis: Wir nehmen wahr, dass auch im Pflegebereich die Absätze zurückgegangen sind, sowohl in den direkten Pflege-Apartment-Absätzen als auch in dem Bereich der Fonds, wenn es denn welche gibt. Im Augenblick sind keine klassischen Pflegeimmobilienfonds am Markt. Und warum gibt es die nicht? Weil die Renditen deutlich gesunken sind. Es ist offensichtlich für die Anleger unattraktiv, sich mit um die drei Prozent auf 20 Jahre festzumachen, noch dazu mit einem Angebot, aus dem sie nicht rauskommen.

Auel: Sicherlich kann das Laufzeitthema durch regelmäßige Ausschüttungen oder Entnahmen etwas aufgelöst werden. Immobilienfonds sind eine andere Branche. Aber bei Private-Equity-Fonds hätte das den Preis einer geringeren Investitionsquote am Anfang.

Busboom: Bei Laufzeiten größer zehn Jahre wird es im Vertrieb schwierig. Unter zehn Jahre muss man aus meiner Sicht aber nicht gehen. Sachwerte sind grundsätzlich auf Langfristigkeit angelegt. Das hat mit den Gebührenstrukturen zu tun, das hat mit dem Asset an sich zu tun. Dort Laufzeiten von vier oder fünf Jahren zu realisieren, halte ich für schwierig und wäre aus meiner Sicht auch zu stark vertriebsgetrieben. Wir selber machen ganz gute Erfahrungen mit Laufzeiten zwischen acht und zehn Jahren. Bezüglich der laufenden Auszahlungen gibt es bei uns einen Aspekt, der eher zufällig entstanden ist durch das Thema Verwahrentgelte.

Also das, was landläufig als „Negativzinsen“ für Guthaben bezeichnet wird…

Busboom. Wir schütten heute sehr viel häufiger an die Kunden aus. Früher haben wir einmal im Jahr eine Ausschüttung geleistet. Das wurde auch nie negativ gesehen, das war einfach so. Aktuell zahlen wir teilweise mindestens viermal im Jahr aus, weil sich über das Jahr Geld ansammelt in unseren Portfoliofonds, und wir schütten es dann schon mal aus, um die Verwahrentgelte zu reduzieren. Das kommt bei den Kunden sehr positiv an. Wir haben ohnehin schon viele Wiederanlagekunden gehabt, aber das hat nochmal stark zugenommen, weil Ökorenta offensichtlich bei den Kunden präsenter ist.

Kunz: Eine kurze Laufzeit ist ja nur eines der Bedürfnisse. Die Kunden möchten auch Inflationsschutz und Diversifikation. Ein breit diversifiziertes Portfolio zusammenzustellen, erfordert automatisch eine längere Laufzeit. Unsere Private Placements mit einzelnen Objekten haben klassisch viel kürzere Laufzeiten als die Publikumsangebote mit zehn, 15, zum Teil 20 Immobilien im Portfolio. Da dauert die Abwicklung deutlich länger. Der Aspekt der regelmäßigen Ausschüttungen spielt dabei aber in der Tat eine große Rolle. Wir schütten mindestens vierteljährlich aus, und es gibt auch Sonderausschüttungen, wenn Verkäufe stattfinden. Solange die Ausschüttungen regelmäßig sind, ist unser Klientel eher interessiert daran, dass die Laufzeit etwas länger ist, weil damit auch bessere Planbarkeit und Ruhe ins Portfolio kommt.

Lammerding: Sicherheit und Diversifikation stehen auch bei unseren Kunden an erster Stelle. Wichtig ist, ein möglichst breites Spektrum an Investments anbieten zu können. Wir haben in diesem Jahr zahlreiche Mezzanine-Darlehen platziert, mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren, sehen aber auch weiter Interesse an langlaufenden unternehmerischen Beteiligungen. Die Entscheidung des Kunden hängt auch nicht ausschließlich an der Laufzeit, sondern ebenso an der Struktur des Investments und dem dahinterliegenden Asset. Beim Crowdinvesting geben Kunden einem Projektentwickler ein Darlehen und erzielen Einkünfte aus Kapitalvermögen. Bei unseren Immobilienfonds erwerben Kunden tatsächlich ein Stück der Immobilie und erhalten ihre Auszahlungen aus Vermietung und Verpachtung. Unsere Erkenntnis aus diesem Corona-Jahr ist, dass der Mix entscheidend ist.

Wreth: Im Kurzläuferbereich ist man noch immer gern gesehen, also mit drei oder fünf Jahren Laufzeit. Es gibt allerdings eine interessante Beobachtung: Wir haben erstmals 2015/16 Produkte mit drei Jahren Laufzeit und Verlängerungsoption um zwei mal zwei Jahre versehen. Wir haben im ersten Umlauf 70 Prozent Verlängerer; der zweite Umlauf hat gerade erst begonnen. Vielleicht ist es Teil des Sicherheitsgefühls zu wissen: Wenn ich wollte, könnte ich früher rausgehen. Aber der Kunde sucht eigentlich nicht drei Jahre. Er sucht eigentlich länger.

Welche weiteren generellen Produkttrends oder Neuerungen gibt es?

Eitle: Anfangs der Corona-Zeit haben wir eine Umfrage unter Finanzvermittlern gemacht, von denen uns 86 geantwortet haben. Interessant sind dabei vor allem die Motive der Anleger. An Nummer eins steht Sicherheit, dann Rendite, Nummer drei war dann Nachhaltigkeit. Zu dem klassischen magischen Dreieck – Sicherheit, Rendite, Laufzeit – ist also noch das Thema Nachhaltigkeit dazugekommen. Das mag vielleicht auch damit zu tun haben, dass die Umfrage von uns kam, aber ich denke, das Thema Nachhaltigkeit hat sich generell in den letzten Jahren mehr und mehr durchgesetzt.


Gordon Grundler, Primus Valor:
„In der nicht regulierten Welt gibt es nach wie vor teilweise den Wilden Westen.“ Foto: Primus Valor

Grundler: Die prognostizierte Rendite haben wir über unsere letzten zwei bis drei AIF-Emissionen hinweg ein wenig nach unten angepasst. Damit bilden wir den Markt ab, ansonsten bleibt unser Produkt unverändert. Der Spread zum risikolosen Zins ist der gleiche wie vor fünf Jahren, aber an die geringere Renditeprognose müssen wir unsere Anleger gewöhnen. Und fünf Prozent Rendite mit Wohnimmobilien, das muss man erst einmal schaffen. Das geht nicht in drei Jahren oder kürzer, auch wenn es der Kunde noch so sehr will. Wir brauchen sechs bis acht Jahre, um die Wohnungen wirklich zu entwickeln und auch die Kosten zu verdienen. Das hat sich so eingependelt, und daran werden wir nichts ändern.

Schulz-Jodexnis: Ich sehe einen gewissen Trend zur Entfernung von den Assets. Die Produkte, die im Moment auf den Markt kommen, gehen immer mehr in die Finanzierung von Assets, aber nicht in Eigentum beim Kunden. Im Moment machen AIF ein Drittel des Absatzes aus. Der Rest ist eher kurzläufiger und aus der Finanzierung kommend.

Hertwig: Im Bereich der geschlossenen Publikums-AIF gibt es ja relativ wenig Angebot am Markt. Das verlagert sich zunehmend hin zu Spezial-AIF, und dort auch nicht nur in geschlossene, sondern auch offene Spezialfonds. Dass der Trend immer mehr in den Bereich Finanzierung geht, liegt wahrscheinlich auch daran. Aber da reden wir von zwei völlig verschiedenen Produktkategorien. Das eine ist die Eigenkapitalfinanzierung mit Beteiligung an den stillen Reserven und am Asset selbst. Das andere sind Nachrangdarlehen und Anleihen und auch Crowdinvesting. Das ist Fremdkapital. Das ist eine grundlegend andere Entscheidung und man muss dem Anleger auch klar machen, dass man die beiden Produktkategorien nicht einfach miteinander gleichsetzen kann.

Grundler: Das müsste man nur dem Vermittler auch glaubhaft machen, und das ist verdammt schwierig. Wir sind absolute Verfechter von AIF und sind auch froh, dass wir uns damals dafür entschieden haben. Aber die Komplexität ist wirklich schwer zu transportieren, und die vielen Regularien behindern uns zum Teil durchaus. Auf der anderen Seite gibt es in der nicht regulierten Welt nach wie vor teilweise den Wilden Westen. Aber solange es dort noch keine großen Katastrophen gibt, wird es auch nicht wirklich in der Breite klar, dass es einen Unterschied macht, für drei Jahre für angeblich sechs oder sieben Prozent in ein Nachrangdarlehen oder in einen Immobilienfonds zu investieren. Es gibt immer noch Vermittler, die da den Weg des geringsten Widerstands gehen, oder auch Kunden.

Schulz-Jodexnis: Ein kritische Umgang mit Nachrangdarlehen ist sicherlich berechtigt. Aber auch die klassischen Anleihen müsste man teilweise viel genauer untersuchen. Da sind Emittenten draußen, die gar nicht mehr im Asset sind, wo aber niemand nach der Bonität des Emittenten fragt. Es wird aber trotzdem einfach verkauft.

Solvium hat veröffentlicht, jetzt auch einen AIF zu managen. Was steckt dahinter und soll das die Vermögensanlage ersetzen oder ist das parallel geplant?

Wreth: Wir haben in den Tat die Vertriebserlaubnis für den ersten Solvium-AIF erhalten und werden im Januar in den Vertrieb starten. Damit wollen wir aber nicht die Vermögensanlagen ersetzen. Es geht nicht um entweder oder, sondern um sowohl als auch. Wir möchten mit dem AIF zusätzliche Kundschaft und Vermittlerschaft aufbauen, aber gleichzeitig auch ein Stück mehr Planungssicherheit haben – auch im Hinblick auf die kontinuierlichen Verschärfungen für Vermögensanlagen seitens des Gesetzgebers und der BaFin. Insofern wollten wir uns breiter aufstellen, denn Solvium ist in erster Linie Asset Manager und nicht Verkäufer einer bestimmten Produktkategorie.

Das EEG in Deutschland wird ja gerade reformiert. Wird das dazu führen, dass Sie vielleicht auch mal wieder nach Deutschland zurückkehren mit Ihren Projekten?

Eitle: In unserem aktuellen Projektentwicklungsfonds haben wir wieder zwei deutsche Projektentwicklungen angebunden. Wir haben in Crailsheim einen ehemaligen US-Schießübungsplatz gepachtet, circa vierzehn Hektar, so um die zehn Megawatt werden auf die Fläche passen. Wir haben zudem im Osten Deutschlands eine größere Fläche gepachtet. Insgesamt schauen uns in der Projektentwicklung in Deutschland derzeit circa hundert Megawatt an. Dabei geht es um Projekte mit klassischer Einspeisevergütung, aber auch um ein Konzept mit Direktvermarktung des Stroms an Endabnehmer wie Kommunen oder Produktionsunternehmen. Wer wie wir viel Erfahrung mit der Direktvermarktung hat, kann Projekte abseits von der heiß diskutierten EEG-Novelle umsetzen.

Foto: Florian Sonntag

Neben Corona steht ein anderes Thema auf der Agenda: Nachhaltigkeit und die EU-Kriterien unter dem Kürzel ESG in Bezug auf Environment (Umwelt), Social (soziale Standards) und Governance (Unternehmens- führung). Was bedeutet das für die Unternehmen, für die Anbieter und die Produkte?

Hertwig: Im März 2021 tritt die Offenlegungsverordnung in Kraft. Das ist der Teil der ESG-Regulierung, der Transparenz bezüglich des Reportings bringen soll. Unternehmen müssen dann gegenüber den Kunden und der Öffent- lichkeit offen legen, inwieweit sie und ihre Produkte den ESG-Kriterien entsprechen. Das muss dann auch Eingang in die Prospekte und Geschäftsberichte finden. Der zweite Teil ist die Taxonomie, die Messbarkeit herstellen soll. Es gibt im Moment sehr viele uneinheitliche Green Labels oder Siegel, die sich so nennen. Zielsetzung der Taxonomie ist ein europaweiter einheitlicher Standard mit messbaren Kriterien, der das Ganze transparent und vergleichbar machen soll. Dabei gibt es noch viele Fragestellungen und es gibt noch keine Level-2-Aussagen. Insoweit sind die Unternehmen noch relativ auf sich allein gestellt und müssen selbst praktikable Lösungen entwickeln. Es gibt eine Gruppe von etwa dreißig Anbietern, die sich zusammengeschlossen haben und die notwendigen Kriterien erarbeiten. Insgesamt wird das Thema Nachhaltigkeit zukünftig eine sehr große Rolle spielen. Kein Anbieter wird sich dem entziehen können.

Wie weit sind Sie in der Vorbereitung auf die Offenlegungsverordnung?

Schlichting: Im Publikumsfondsbereich, inklusive Vertrieb, ist das Thema noch kaum präsent. Das wird einfach nicht angesprochen. Im institutionellen Geschäft wird das Thema dagegen sehr intensiv behandelt. Wir selbst haben sowohl im Assetmanagement als auch bei uns auf Investmentseite entsprechende Gremien gebildet, die die Umsetzung vorbereiten, auch wenn noch viel Unklarheit herrscht und zahlreiche Fragen gestellt werden, auf die man nur bedingt Antworten erhält. Dazu gehört auch der Einkauf, also zum Beispiel die Nachhaltigkeitskriterien von Baumaterialien. Wir sind da voll im Prozess, aber wir haben sicherlich noch einige Hausaufgaben zu erledigen, weil sich das gerade in der Projektentwicklung recht schwierig gestaltet.

Grundler: Von den drei ESG-Themen sind wir zunächst nah am Thema Umwelt. Wir sanieren viele Objekte, und dazu gehört regelmäßig die energetische Sanierung, also Dächer, Dämmung, Heizung, Fenster, zum Teil auch Photovoltaikanlagen. Das haben wir im Marketing bisher nicht nach vorne gestellt, weil wir es vornehmlich aus ökonomischen Gründen machen und nicht unbedingt, um die grüne Karte zu spielen. Nun werden wir durch ESG dazu gedrängt, darüber zu sprechen, es zu dokumentieren und offenzulegen. Da können wir einiges zeigen, ohne irgendetwas Neues machen zu müssen. Beim Thema Governance haben wir durch die eigene KVG schon sehr viele Kriterien, die sich überlappen. Wo wir sicher noch ein bisschen lernen und uns vorbereiten müssen, ist das Thema Social.

Auel: Wir haben das Thema ESG bei unseren Due-Diligence-Prozessen, also der Prüfung der Zielfondsbeteiligungen, immer schon auf der Agenda gehabt. Es füllt sicherlich heutzutage einen größeren Raum aus und wir sind jetzt auch dabei, uns bei den Principles of Responsible Investments der United Nations draufzuschalten. Wir sehen gerade in der Kommunikation mit institutionellen Investoren eine verstärkte Nachfrage nach dem Thema. Es sind aber keine Detailfragen nach einzelnen Punktzahlen oder regelmäßigen ESG-Reportings. Die Fragen beziehen sich eher auf den Ausschluss von gewissen Branchen und Aktivitäten.

Hertwig: Ich glaube nicht, dass Zeit ist, noch abzuwarten. Die Offenlegungsverordnung kommt im März 2021. Im institutionellen Bereich wird Nachhaltigkeit schon ganz klar in die Anlageentscheidung einbezogen. Das ist im Publikumsbereich sicherlich noch nicht so ganz angekommen. Aber schon ab März 2021 haben alle Häuser die gesetzliche Verpflichtung, im Prospekt zu beschreiben, ob das Produkt nachhaltig ist und ob es entsprechende Strategien gibt. Dadurch kommt das Thema wahrscheinlich schon mehr in das Bewusstsein des Anlegerkreises, wenngleich die Pflicht des Vertriebs zur konkreten Abfrage beim Anleger wahrscheinlich erst Ende 2021 kommt. Dann muss jeder Vertriebler beim Anleger dessen Nachhaltigkeitsempfinden abfragen. Das wird voraussichtlich ab Ende 2021 Teil der Geeignetheitsprüfung sein und schließt dann ganz klar einige Produkte für den Vertrieb aus, wenn der Anleger ein Nachhaltigkeitskriterium wünscht. Insofern kann ich nur sagen: Ja, es ist wirklich Zeit, sich mit diesen Themen als Anbieter und auch im Produkt zu beschäftigen.

Lammerding: Die Vorgehensweise in unserem Haus ist, dass wir zunächst eher auf deklaratorischer Ebene beschreiben, wie wir das Investment in Bezug auf das ESG-Framework sehen. Wir werden dann als zweiten Schritt zum Beispiel bei Immobilienankauf oder Transaktionen die Due Diligence um einen ESG-Part erweitern und dann eine Transaktionsentscheidung auch nach ESG-Kriterium treffen.

Wreth: Ich vergleiche Container und Wechselkoffer gerne mit Umzugskartons oder Einkaufswagen. Sie werden benötigt, um eine gewisse Menge Güter praktisch von A nach B zu transportieren. Auf den ersten Blick ist es schwer, dort ESG-mäßig etwas zu machen. Aber auf den zweiten Blick gibt es durchaus einige Aspekte, zunächst bei der Produktion. Wechselkoffer werden in Europa hergestellt, da gibt es schon strenge Auflagen, was den Umweltschutz betrifft. Im Containerbereich gab es vor einigen Jahren eine Revolution, die von China vorangetrieben wurde, zum Beispiel dass für den Anstrich keine Spezialchemikalien zur schnelleren Trocknung mehr eingesetzt werden. Keinen direkten Einfluss haben wir allerdings auf unsere Mieter, also Containergesellschaften, Reedereien, Bahngesellschaften.

Gierig: Bei dem neuen Healthcare-Fonds sind wir sicherlich noch nicht so weit, dass wir die ESG-Kriterien eins zu eins in einer Checkliste übernehmen können. Das muss auch erst noch erarbeitet werden. Die Assetklasse ist jedoch an sich nachhaltig, weil man mit einer solchen Investition einen Beitrag für die Gesellschaft leistet. Aber den neuen Gewerbefonds im nächsten Jahr wollen wir ESG-konform lancieren, auch weil das dann vertrieblich ja sogar gesetzlich gefordert ist. Wir sehen das ganze Thema sehr positiv. ESG wird nur dann wirklich Realität, wenn auch der Gesetzgeber Druck macht und wir von dem Thema PR und Green Washing wegkommen. Noch ist das nice to have, ich glaube aber, wir sollten das noch ein bisschen ernster nehmen, und zwar gerade auch wir als Immobilienbranche, die verantwortlich ist für Projektentwicklungen, gegebenenfalls Sanierung und so weiter. Wir sollten das als Riesenchance sehen. Nachhaltigkeit und Energieeffizienz machen auch betriebswirtschaftlich Sinn, aber wir haben auch eine soziale Verantwortung, solche Themen ernst zu nehmen.

Kunz: Von Kundenseite ist ESG tatsächlich noch kein großes Thema. Wir prüfen natürlich schon seit Jahren bei den Investmententscheidungen, welche Möglichkeiten wir haben, wenn Immobilien revitalisiert werden müssen. Oft können wir eine Wertsteigerung dadurch erzielen, dass wir Immobilien entsprechend aufwerten und auf einen modernen Energiestandard bringen. Auch das ist für die erfolgreiche Vermietung in den USA ein wichtiger Faktor. Wenn ein Kunde in Deutschland sich für eine US- Immobilieninestition entscheidet, stehen aber selten diese Ausbauten selbst im Vordergrund, sondern die dadurch verbesserten Gewinnmöglichkeiten. Wenn solche Faktoren in den Beratungsprozess einfließen, ist das aber sicherlich auch nicht nachteilhaft für uns. Wir würden es vielmehr begrüßen, da wir dem Kunden somit unser Geschäft noch näherbringen können.

Busboom: Was wir wahrnehmen ist, dass wir Kunden dazugewonnen haben – nicht nur in diesem Jahr. Es ist schon ein Trend der letzten zwei Jahre, dass es verstärkt aktive Anfragen von Kunden gibt, die gezielt eine nach- haltige Anlage suchen, ähnlich wie in unseren Anfängen. Ökorenta gibt es seit 21 Jahren. Am Anfang war unsere Kundschaft „Überzeugungstäter“, die unbedingt ökologisch Kapital anlegen wollten. Rendite war für diese Menschengruppe nebensächlich. Später gab eher den Trend, dass die Kunden in erster Linie auf der Suche nach Rendite waren. Wenn man ein gutes, renditestarkes Produkt hatte, dann hatte man auch mit erneuerbaren Energien eine Chance, aber sonst hatte man überhaupt keinen Vorteil gegenüber anderen Sachwerten wie Immobilien oder Flugzeugen. Seit circa zwei Jahren wandelt sich das wieder – auch ohne Zwang oder Druck, sondern einfach durch die öffentliche Wahrnehmung, die sich in den letzten zwei Jahren gewandelt hat.

Verlieren Erneuerbare Energien ihren Wettbewerbsvorteil wieder, wenn künftig alle Produkte ESG-konform werden müssen?

Eitle: Im Gegenteil. Es ist ein wichtiger Aspekt, dass die gesamte Finanzwirtschaft nachhaltig wird. Wir haben den Vorteil, dass wir über unsere Assets im Endeffekt nicht sprechen müssen, Solarpark ist nachhaltig! Es gibt aber auch für uns durchaus Themen. So gibt es in Japan zum Beispiel kaum Flächen ohne Baumbestand, die mit einem Solarpark belegt werden können. Wir müssen immer in die Natur eingreifen, haben aber die Auflage, eine Ersatzbepflanzung vorzunehmen. Ein wichtiger Aspekt sind unserer Zulieferer, auch bezüglich der Stichworte Social und Governance. Wir schreiben in unseren Lieferverträgen gewisse Standards fest. Aber es ist natürlich eine Herausforderung, beispielsweise einen Modulhersteller in China zu beurteilen und zu kontrollieren.

Hertwig: Noch zwei Ergänzungen. Erstens: Es gibt ein sehr umfangreiches BaFin-Schreiben zu dem Thema ESG, das auch nach Europa getragen wird und dort auch maßgeblich Einfluss auf die europäischen Regelungen nehmen wird. Da ist Deutschland führend und die BaFin auch sehr schnell gewesen. Zweitens zu S und G: Der Fall Wirecard und Corona haben beide Buchstaben jetzt mit in den Fokus gerückt. Das Social insbesondere in Bezug auf Mitarbeiterschutz und Homeoffice. Und Wirecard sicherlich den Baustein für die Unternehmensüberwachung im Bereich Corporate Governance.

Gierig: Das Stichwort „Social“ darauf zu reduzieren, den Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen, greift meines Erachtens zu kurz. Das ist eher notwendig, um die Betriebsfähigkeit sicherzustellen. Ich sehe den sozialen Aspekt noch ganz anders. Dabei geht es um Themen wie Gleichberechtigung und Arbeitssicherheit, aber auch generell um die Frage: Wie können wir Mitarbeiter respektvoll behandeln? Es geht um Wertschätzung, um Entwicklungsmöglichkeiten, um Transparenz und praktisch gelebte Werte. Der Gesetzgeber hilft uns jetzt dabei, aber letztlich ist es auch eine Riesenchance, um insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels eine Marke aufzubauen, ein Employer Branding. Was macht uns attraktiv für Mitarbeiter? Das wird künftig entscheidend dafür sein, bestehende Mitarbeiter zu halten und qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen.

Das Gespräch führten Frank O. Milewski und Stefan Löwer, beide Cash.

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