Des Widerspenstigen Zähmung – ein Jahr Donald Trump

Unabhängig von den Inhalten scheint die Steuerreform auch im politischen Miteinander ein neues Kapitel einzuläuten. Der ganze Prozess war sehr viel professioneller aufgesetzt als alle anderen bisherigen Vorhaben und folgt im Kern der klassisch republikanischen Linie. Steuersenkungen auch für Superreiche und der Abbau von sozialen Sicherungssystemen gehören seit jeher zum politischen Repertoire der konservativen Partei.

Auch die Deregulierung im Finanzsektor und das Schleifen von Umweltvorschriften sind durchaus im Sinne der Grand Old Party. Anders ausgedrückt: Der aktuell diskutierte Maßnahmenkatalog könnte auch von jedem anderen republikanischen Präsidenten der vergangenen 40 Jahre stammen. Es scheint, als sei Trump in Washington angekommen.

Seinen Beliebtheitswerten hilft das nicht. Kein anderer Präsident der Nachkriegsgeschichte wurde von den US-Wählern zu diesem Zeitpunkt der Legislaturperiode so kritisch gesehen. Die Zustimmungsraten liegen konstant bei weit unter 40 Prozent. Das ist noch weniger als zur Wahl im November 2016. Zur Erinnerung: Seinerzeit profitierte Trump vom US-Wahlsystem. Das ermöglichte Trump die Präsidentschaft, obwohl er wesentlich weniger Wähler hinter sich vereinen konnte als Hillary Clinton.

Wahlen im November

Das führt unmittelbar zu den größten potenziellen Belastungsfaktoren im Jahr eins unter Trump. Nach wie vor läuft die US-Konjunktur gut, auch wenn der Zyklus mittlerweile weit fortgeschritten ist. Die Unternehmen verzeichnen gute Gewinne, die Wirtschaft sollte im laufenden Jahr um 2,2 Prozent und im kommenden Jahr um 2,4 Prozent wachsen. Politisch aber könnte es trotz der Zähmung Trumps holprig werden.

Angreifbar durch schwache Beliebtheitswerte

Zum einen hat er es auch binnen zwölf Monaten nicht geschafft, Schlüsselpositionen in seiner Administration mit fähigen Leuten zu besetzen – die braucht er aber, um ein Vorhaben durch den legislativen Prozess zu begleiten. Vor allem aber machen ihn seine schwachen Beliebtheitswerte angreifbar. Im Februar laufen die Vorwahlen für die so genannten Midterm Elections, bei denen ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt werden.

Die jüngsten Wahlen in Staaten wie Virginia und New Jersey haben gezeigt, dass die Demokraten nach wie vor in der Lage sind, die Menschen zu mobilisieren. In vielen Staaten dürfte es nicht nur für demokratische Kandidaten ein kluger Schachzug sein, sich als vernünftigen Widerpart zu Trumps Politik zu positionieren. Denn auch wenn er in Washington mittlerweile etwas zurückhaltender auftritt: Im republikanischen Establishment ist er noch nicht angekommen.

Dr. Mauricio Vargas ist Volkswirt bei Union Investment.

Foto: Union Investment

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