Anfang 2021 diskutierte man in Deutschland vor allem über den holprigen Impfstart und mögliche Versäumnisse der Politik bei der Beschaffung der Impfstoffe. Doch je mehr Vakzine zugelassen werden, desto mehr kann geimpft werden – nicht nur in Europa. Die Impfstoffe sind die Voraussetzung für eine Normalisierung des Lebens und damit auch für eine Belebung der Konjunktur, einschließlich Nachholeffekten bei Investitionen und privatem Konsum.
Wir gehen davon aus, dass das Wirtschaftswachstum ab dem Frühjahr spürbar anziehen wird. Die aktuellen Eindämmungsmaßnahmen in Deutschland und weiten Teilen Europas dürften vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens im Wesentlichen zwar noch bis zum Ende des ersten Quartals andauern. Kontaktreduzierende Maßnahmen sollten darüber hinaus bis mindestens Sommer in Kraft bleiben. Günstigere Witterungsbedingungen sollten jedoch in den kommenden Monaten, wie bereits im Frühjahr 2020, zu einem weiteren Rückgang der Neuinfektionen beitragen. Zudem ist ab dem Sommer mit einer ausreichenden Verfügbarkeit der Impfstoffe zu rechnen, sodass diese auch die Breite der Bevölkerung erreichen. Dann sollten auch Wirtschaftssektoren, die bis dahin nicht oder nur sehr eingeschränkt aktiv waren, ihre Dienstleistungen zunehmend wieder anbieten können. Das gilt beispielsweise für Großveranstaltungen, Messen und diverse Angebote zur Freizeitgestaltung.
Unterstützt wird der positive Ausblick dadurch, dass der aktuelle Lockdown mit einem weniger schwerwiegenden wirtschaftlichen Einbruch einhergeht, als dies im Frühjahr 2020 der Fall war. Einer der Gründe hierfür ist, dass durch die schnelle wirtschaftliche Erholung in China und anderen Ländern Asiens die Lieferketten intakt blieben und das Verarbeitende Gewerbe weiter produzieren konnte. Nach dem Einbruch der Wirtschaftsleistung (BIP) um 5,3 Prozent im Jahr 2020 rechnen wir für Deutschland im laufenden Jahr mit einem BIP-Wachstum von 3,8 Prozent, gefolgt von einem Plus von 4,8 Prozent im Jahr 2022.
Erholung verläuft unterschiedlich in Europa
Im Euroraum verläuft die wirtschaftliche Entwicklung je nach Land recht unterschiedlich. Frankreich und Deutschland sind hierfür gute Beispiele. So ging Frankreich bereits im November in einen harten Lockdown, konnte dann aber im Dezember zumindest vorübergehend die Einschränkungen lockern. In Deutschland verlief die Entwicklung genau umgekehrt. Für das Gesamtjahr 2021 ist vor diesem Hintergrund mit einem BIP-Wachstum von 4,9 Prozent im Euroraum zu rechnen, nach einem Einbruch um 6,8 Prozent im vergangenen Jahr. 2022 sollte die Wirtschaftsleistung dann nochmal um 5,0 Prozent zulegen können.
Unterstützt wird der Aufschwung in Europa von den umfangreichen Fiskalprogrammen, auf die sich die Europäische Union (EU) verständigt hat. Vor allem der Wiederaufbauplan „Next Generation EU“ ermöglicht es der EU-Kommission, bis zu 750 Milliarden Euro an den Finanzmärkten aufzunehmen. Die zusätzlichen Mittel werden dann in Form von Zuschüssen (390 Milliarden Euro) und Krediten (360 Milliarden Euro) an die Mitgliedstaaten weitergereicht. Bei der Verwendung der Mittel sollen vor allem jene Regionen und Sektoren am meisten profitieren, die am stärksten von der Krise getroffen wurden.
USA früher wieder auf Vorkrisenniveau
Auch die US-Wirtschaft hat in den vergangenen Monaten spürbar an Fahrt verloren. Das Ende 2020 im US-Kongress verabschiedete Fiskalpaket über rund 900 Milliarden US-Dollar hat das Rezessionsrisiko zuletzt jedoch deutlich gesenkt. Insbesondere der private Konsum erhält in Form von Stimulus-Schecks und einer zeitlichen Verlängerung und Aufstockung der Arbeitslosenversicherung eine wichtige Unterstützung im ersten Quartal 2021. Spätestens im März ist mit der Verabschiedung eines weiteren Konjunkturpakets zu rechnen, dessen Höhe voraussichtlich aber nicht ganz an das Volumen des von Präsident Biden vorgeschlagenen „Relief Plan“ in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar heranreichen dürfte. Zudem ist es sehr wahrscheinlich, dass die Verhandlungen über den nächsten Staatshaushalt dazu genutzt werden, um Teile der Investitionspläne der Biden-Administration umzusetzen. Dementsprechend dürfte die US-Wirtschaft 2021 um 4,9 Prozent wachsen, nachdem sie im vergangenen Jahr um 3,5 Prozent geschrumpft sein dürfte. Für das Jahr 2022 ist ein Plus von 3,2 Prozent zu erwarten.
Auf dieser Basis wird die US-Wirtschaft voraussichtlich Anfang des dritten Quartals 2021 das Vorkrisenniveau wieder erreicht haben. Im Euroraum dürfte dies Ende 2021 der Fall sein.
China erholt sich am schnellsten
China ist die einzige große Volkswirtschaft, die durch einen klassischen V-förmigen Konjunkturverlauf gekennzeichnet ist. Nach dem tiefen Einbruch im ersten Quartal 2020 ist die Wirtschaftsleistung bereits ab dem zweiten Quartal wieder merklich gewachsen. Im Jahresdurchschnitt 2020 belief sich das Plus auf 2,3 Prozent. Auch wenn das Infektionsgeschehen im Land immer mal wieder regional aufflammt, ist wegen der harten Gegenmaßnahmen davon auszugehen, dass die Auswirkungen begrenzt bleiben. Die chinesische Wirtschaft sollte im laufenden Jahr um 8,5 Prozent wachsen, gefolgt von 5,2 Prozent im Jahr 2022.
Das größte Risiko für das vielversprechende Konjunkturbild insbesondere ab Mitte 2021 bleibt der weitere Verlauf der Pandemie. Auch die Wirksamkeit der Impfstoffe gegen neu auftretende Virus-Mutationen ist ein Unsicherheitsfaktor. Aktuell erwarten wir jedoch einen nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung in Europa, den USA und China für dieses und das kommende Jahr.