Deutsche Verfassungsrichter wollen EZB-Kompetenzen klären

Zentrale Bankenaufseher sollen die Eurozone vor neuen Finanzkrisen bewahren – aber haben sie zu Recht so viel Einfluss bekommen? Kritiker haben dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, an diesem Dienstag verkünden die Karlsruher Richter ihr Urteil.

Die Beschwerden richten sich auch gegen einen gemeinsamen Notfall-Fonds zur Abwicklung von Banken in Schieflage, die zweite Säule der europäischen Bankenunion. (Az. 2 BvR 1685/14 u.a.) Gleich im Anschluss (ab 15.00 Uhr) verhandelt der Senat eineinhalb Tage über die Staatsanleihen-Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB). (Az. 2 BvR 859/15 u.a.)

Kläger meinen, dass Deutschland große finanzielle Risiken eingeht

Die Bankenaufseher haben 2014 in Frankfurt unter dem Dach der EZB ihre Arbeit aufgenommen. Ihrer Kontrolle unterstehen derzeit 114 „bedeutende“ Institute, davon 19 in Deutschland. Für rund 1400 „weniger bedeutende“ deutsche Geldhäuser bleiben Bafin und Bundesbank zuständig. Der Abwicklungsfonds in Brüssel soll bis 2024 über Bankenabgaben mit geschätzt 55 Milliarden Euro ausgestattet werden.

Die Kläger um den Berliner Finanzwissenschaftler Markus Kerber („Europolis“-Gruppe) sind der Ansicht, dass Deutschland damit große finanzielle Risiken eingeht und gleichzeitig viel zu viel Macht aus der Hand gibt. Für die Übertragung derart weitreichender Kompetenzen auf europäische Ebene fehle die rechtliche Grundlage.

Die Bundesregierung hält die Bankenunion für verfassungskonform und notwendig. Ein lokales Bankenproblem könne sich leicht zu einem Stabilitätsproblem für die gesamte Eurozone auswachsen, hatte das Finanzministerium in der Verhandlung im November vorgetragen.

Es geht um 20 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung

Die Aufseher prüfen regelmäßig den Geschäftsbetrieb der Geldhäuser. Fallen besondere Risiken auf, können sie Banken vorschreiben, sich dickere Kapitalpuffer zuzulegen. Sie sind auch befugt, Manager abzulehnen oder einem Institut die Zulassung zu entziehen.

Unter die Aufsicht fallen Großbanken, deren Bilanzsumme mehr als 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung beträgt, und unabhängig davon auf jeden Fall die drei größten Institute jedes Eurolandes. In Deutschland gehören dazu zum Beispiel die Deutsche Bank , die Commerzbank und die Bayerische Landesbank.

Am Nachmittag steigt der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle dann ein in die Verhandlung über die ultralockere Geldpolitik der EZB. Unter ihrem Präsidenten Mario Draghi hat die Notenbank zwischen März 2015 und Ende 2018 Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von rund 2,6 Billionen Euro aufgekauft. Das soll die Zinsen drücken und die Kreditvergabe anheizen, damit Verbrauchern und Unternehmen das Geld lockerer sitzt.

Anleihekäufe zunächst für rechtens erklärt 

Die Richter hatten dazu schon im Sommer 2017 grundlegende Bedenken angemeldet. Sie haben Draghi im Verdacht, mit dem Kaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) Wirtschaftspolitik und Staatsfinanzierung zu betreiben. Beides ist der EZB verboten.

Weil es um EU-Recht geht, schalteten sie damals den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg ein – der die Anleihenkäufe im Dezember 2018 für rechtens erklärte. Die spannende Frage ist, wie Karlsruhe damit nun umgeht.

Im äußersten Fall könnten die deutschen Richter den Konflikt suchen und der Bundesbank die Beteiligung untersagen. Das Urteil wird möglicherweise noch 2019 verkündet.

Seit Jahresanfang steckt die EZB zwar kein frisches Geld mehr in Anleihen. Die Mittel aus auslaufenden Staats- und Unternehmenspapieren werden aber bis auf Weiteres wieder angelegt. Und angesichts düsterer Wirtschaftsaussichten und schwacher Inflation lässt Draghi Optionen für neue Anleihenkäufe gerade prüfen. (dpa/AFX)

 

Foto: Shutterstock

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