Deutschland bei Immobilien-Token weit vorn

Foto: HCOB
Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der Hamburg Commercial Bank (ehemals HSH Nordbank).

In Bezug auf die Anzahl von Unternehmen, die „tokenisierte Immobilien“ anbieten, liegt Deutschland international hinter den USA auf Platz 2, so eine weltweite Studie. Der Markt könne insbesondere für Anbieter von Immobilienfonds „eine ernstzunehmende Herausforderung“ werden.

Das geht aus einer Studie der Hamburg Commercial Bank (HCOB) und dem Frankfurt School Blockchain Center (FSBC) an der Frankfurt School of Finance and Management hervor. Die Autoren haben weltweit Anbieter „tokenisierter Immobilien“ und ihre Produkte unter die Lupe genommen. Token sind digitale Berechtigungsscheine auf Basis der Blockchain-Technologie, mit denen unterschiedliche Rechte festgeschrieben werden können.

Insgesamt haben die Autoren Dr. Cyrus de la Rubia, Chefvolkswirt der HCOB, Prof. Dr. Philipp Sandner, Leiter des FSBC sowie der dortige Projektmanager Jonas Groß weltweit 41 Unternehmen aus 17 Ländern identifiziert, die bereits Immobilien „tokenisiert“ haben. Diese sind primär in den USA (13) aktiv, gefolgt von Deutschland (6) und der Schweiz (4). Generell sei Deutschland bei dem Thema auch hinsichtlich des regulatorischen Rahmens sowie der Finanzaufsicht BaFin im internationalen Vergleich recht weit vorn, sagte Sandner am Donnerstag bei einem Online-Pressegespräch. Manches wie die Umsetzung digitaler Grundbücher erfordere aber noch etwas Zeit. Die Tokenisierung ermögliche grundsätzlich „Losgrößen-loses investieren“, so Sandner, also eine beliebig kleine Stückelung.

Allerdings machen die Autoren auch klar, dass die quantitative Analyse aufgrund der Intransparenz des Marktes nur eine grobe Einschätzung sein könne. Ursprünglich war geplant, auch die Anzahl der einzelnen Emissionen zu ermitteln, dies war wegen teilweise nicht verfügbarer Informationen aber nicht möglich, räumte Groß ein.

Breite Renditespanne

Soweit verfügbar, liegen die in Aussicht gestellten jährlichen Renditen der einzelnen „Tokenisierer“ in einer breiten Spanne zwischen zwei bis drei Prozent und über 20 Prozent. Die deutschen Unternehmen liegen hier mit drei Prozent (Bloxxter) bis etwa sieben Prozent (iFunded/iEstate) durchweg in der unteren Hälfte. Als technische Basis der Projekte fungiert in über 60 Prozent der Fälle die Ethereum-Blockchain.

Generell unterscheiden die Autoren nach Tokenisierung im weiteren Sinne über Wertpapiere, die einen bestimmten Anspruch auf einen Teil des Cash-Flow einer Immobilie definieren, und Tokenisierung im engeren Sinne durch den direkten Erwerb von digitalisierten Eigentumsrechten über Token. Für letzteres fehlen in Deutschland noch grundlegende Voraussetzungen wie ein digitales Grundbuch. Dann wäre es möglich, das Eigentum an einer Immobilien über Token direkt auf eine Vielzahl von Personen aufzuteilen. Bisher konzentrieren sich die Projekte insofern jedoch auf die Tokenisierung im weiteren Sinne.

„Als Anlageinstrument ist der Immobilientoken vergleichbar mit einem Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds, der in eine oder zwei Immobilien investiert“, heißt es in der Studie. Mindestinvestition und Kosten seien bei den Fonds jedoch höher.

„Eine Revolution scheint sich anzubahnen“

„Der Markt für tokenisierte Immobilien steht noch am Anfang, ist aber von einer hohen Dynamik geprägt und kann, insbesondere für Anbieter von Immobilienfonds, eine ernstzunehmende Herausforderung werden“, so die Mitteilung zu der Studie. „Denn für Investoren können tokenisierte Immobilien mit überdurchschnittlichen Renditen und geringeren Kosten verbunden sein, die für diejenigen Anleger besonders interessant sein sollten, die offen für entsprechende Innovationen sind. Gepaart mit der Teilbarkeit der Immobilien und der damit deutlich größeren potenziellen Anlegergruppe, können tokenisierte Immobilien diese Investmentklasse nachhaltig spürbar verändern.“

Die Vorteile der Blockchain-Technologie für den Immobiliensektor seien immens, sagte Sandner. „Insbesondere die Teilbarkeit der Immobilien in kleine, handelbare Einheiten bietet Immobilien nun eine größere Anlegerschaft – eine Revolution scheint sich anzubahnen“, so Sandner weiter.

Während die Immobilientoken im weiteren Sinne unter anderem durch das Wertpapierprospekt- und das -handelsgesetz sowie das Vermögensanlagengesetz oder das KAGB einer allgemeinen Regulierung unterliegen, ist dies für eventuelle direkte Eigentumsrechte allerdings noch offen. Möglicherweise werden die Tokenisierer dort zunächst nach dem Prinzip „trial and error“ verfahren und ausprobieren, welche Modelle die Finanzaufsicht BaFin akzeptiert, sagte de la Rubia. Insofern ist nicht auszuschließen, dass zunächst zumindest partiell erneut ein weitgehend unregulierter „grauer“ Kapitalmarkt entsteht.

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