Kurz vor Jahresende und der festlichen Jahreszeit bringt uns die deutsche Wirtschaft also doch noch gute Nachrichten. Wir sind der Rezession entkommen, wenn auch nur knapp. Dass wir uns damit zufriedengeben müssen, das zeigt, wo die deutsche Wirtschaft 2019 steht: mit dem Rücken zur Wand. Ein Beitrag von Achim Stranz, CIO bei AXA Investment Managers.
Die 0,1 Prozent Wachstum lassen uns bei weitem keine Freudensprünge machen. So sollte das nicht weitergehen, aber wer weiß? Unsere Ökonomen sagen in unserem Wirtschaftsausblick für 2020 nach einem Wachstum von 0,6 Prozent in diesem Jahr eine weitere Verlangsamung des deutschen Wirtschaftswachstums auf 0,4 Prozent für das Jahr 2020 voraus.
Nachdem dieses Jahr besonders die sonst so starke Exportwirtschaft geschwächelt hat und sich die US-China Handelsquerelen und andere Rahmenbedingungen wie der Brexit nicht geändert haben, kann man wohl von einem weiteren schwierigen Jahr ausgehen.
2019 waren es insbesondere der robuste Arbeitsmarkt und der stark gebliebene Konsum, die mitgeholfen haben, die deutsche Wirtschaft zu stützen, doch unsere Ökonomin für den Euroraum, Apolline Menut, erwartet 2020 auch im Arbeitsmarkt eine Abschwächung. Das ist ja mal eine schöne Bescherung.
Die Lage: durchwachsen
Aber im Moment sieht alles gar nicht so schlecht aus: die deutsche Arbeitslosigkeit ist im November auf ein Rekordtief gefallen: 2,180 Millionen und damit die niedrigste Zahl an Arbeitslosen seit der Wiedervereinigung, bei einer unveränderten Arbeitslosenquote von 4,8 Prozent.
Und auch die Stimmung unter Unternehmern verbessert sich. Nach monatelangen Tiefstwerten ist der ifo-Geschäftsklima-Index im November um 0,3 auf 95,0 Punkte gestiegen. Der Leitindikator zeigt, dass Unternehmen positiver sind, was die momentane Geschäftslage angeht, und auch die kommenden sechs Monate besser beurteilen.
Exporte haben im dritten Quartal zugenommen, Importe stagnierten, während sich in der Produktion der Industrie, des Bauwesens und der Dienstleister nicht viel geändert hat. Wir warten darauf, was die Bundesregierung aus all den Zahlen macht, wenn sie im Januar ihre Jahresprojektion für die deutsche Wirtschaft vorstellt.
Was bringt der Dezember sonst?
In den meisten Jahren bringt uns der Dezember ein paar hektische Wochen, bevor mit der Vorweihnachtszeit dann ein bisschen Ruhe einkehrt. Aber dieses Jahr hat der Dezember glatt mit mehr Verunsicherung angefangen: Mit der Wahl des neuen sozialdemokratischen Führungsduos Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am 1. Dezember steht jetzt die Große Koalition vor einer Identitätskrise. Die beiden haben nicht nur Bundesfinanzminister Olaf Scholz als SPD Parteiführer entthront und präsentieren sich als Vertreter des Anti-Establishments der SPD, sondern haben in Anne Wills Talkshow am Sonntagabend gezeigt, wie schwierig die Arbeit innerhalb der SPD sein wird und damit auch die Zusammenarbeit in der GroKo – falls es sie weiterhin geben sollte. Schauen Sie sich das am besten selbst an.
Und auch in Europa könnte sich die Unruhe noch weiter hinziehen: Nachdem der Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union noch immer nicht festgezurrt ist und sich Politiker wie Bevölkerung weiterhin so uneinig sind, wird es am 12. Dezember jetzt nochmals eine neue Parlamentswahl geben. Der Ausgang könnte den zukünftigen Brexit-Ausgang klar machen, oder noch weiter in eine ungewisse Zukunft schicken.
Für Dezember ist zudem dieses Jahr die Weltklimakonferenz COP25 terminiert. Das Treffen vom 2. bis 13. Dezember in Madrid wird von allen Seiten beobachtet werden und sicherlich mehr Wellen schlagen als in früheren Jahren, nicht zuletzt aufgrund der immer lauter werdenden Rufe nach mehr Klimaschutz.
Gerade was das Klima angeht, gibt es in Deutschland im Vorfeld auch noch einiges zu tun: die Bundesregierung will noch vor Weihnachten zu einem Kompromiss zwischen Bundestag und Bundesrat kommen und das Klimapaket verabschieden.
Im Dezember werden wir was die Konjunkturdaten angeht wie in den Vormonaten besonders auf Industrieindikatoren, wie Produktion und Orderbuch, und Handelszahlen schauen, aber auch die Arbeitsmarktzahlen genauer im Auge behalten. Trotz allem hoffen wir, dass gegen Ende des Jahres wieder etwas Ruhe einkehrt. Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch ins neue Jahr und eine schöne Bescherung.
Foto: AXA IM