Die Angst vor einer globalen Rezession, schwache Unternehmensgewinne und ein möglicher Brexit belasten die Stimmung an der britischen Börse.
Laut Steven Bell, Chef-Ökonom von BMO Global Asset Management, ist mittelfristig trotzdem mit positiven Aktienerträgen zu rechnen: „In den nächsten Jahren spricht vieles für niedrige und volatile Erträge – grundsätzlich ein eher unattraktives Szenario, nicht aber im Vergleich mit anderen Assetklassen wie etwa Staatsanleihen.“ Hohe Dividendenrenditen in Großbritannien wirkten stützend für Aktienerträge. Eine besondere Bedeutung komme dem Öl- und Gassektor zu, der eine durchschnittliche Dividendenrendite von 6,4 Prozent verzeichnet.
Im Februar lagen der FTSE 100 und der FTSE All-Share Index über 20 Prozent unter ihren jüngsten Hochständen. Folglich befinde sich der britische Markt technisch wie viele andere große Börsen bereits in der Baisse. Anleger müssten sich mit der Frage beschäftigen, ob britische Aktien mittelfristig eher positive oder eher negative Renditen erzielen. In diesem Zusammenhang empfiehlt Steven Bell, den Blick auf die fundamentalen und langfristigen Bestimmungsfaktoren der Aktienerträge zu richten. Dies seien die Unternehmensgewinne und die Dividenden. Letztere seien in Großbritannien hoch, sowohl im internationalen Vergleich als auch vor dem Hintergrund der sehr niedrigen Zinsen auf Staatsanleihen.
Dieses Niveau könne laut Bell in den nächsten Jahren jedoch nicht gehalten werden: „Für den FTSE 100 geht der Markt davon aus, dass Dividenden bis zum Jahr 2022 um 24 Prozent unter das Niveau des vergangenen Jahres sinken“, erklärt der Chef-Ökonom. In diesem Spektrum befänden sich sowohl Unternehmen mit tendenziell zu hohen Dividenden als auch Firmen, deren Dividenden wahrscheinlich noch stiegen. Entscheidend seien laut Bell letztendlich für die zukünftige Entwicklung vor allem die Unternehmensgewinne: „Bei den Ausschüttungsquoten gibt es noch Spielraum nach oben. Wenn die Dividenden aber langfristig absolut wachsen sollen, müssen sich die Gewinne der Unternehmen nachhaltig verbessern.“
Erholung der Rohstoffpreise gibt Anlass zum Optimismus
Gewichtige Gründe sprächen für ein Ende der schwachen Gewinne. So sei der Außenwert des Pfunds gesunken, was sofort zu höheren Auslandsgewinnen führe, die 70 Prozent der Gesamtgewinne ausmachten. Schließlich seien die Öl- und sonstigen Rohstoffpreise zwar weiterhin niedrig, lägen aber über ihren Tiefstwerten. „Ich rechne mit einer weiteren Erholung der Rohstoffpreise“, sagt Bell. Fundamentaler betrachtet, hängen die Unternehmensgewinne vom Konjunkturzyklus ab.
Die Arbeitslosigkeit sei in Großbritannien auf ein historisch niedriges Niveau gefallen. Allerdings steige auf diesen niedrigen Niveaus tendenziell die Lohninflation. Diese sei laut Bell in Großbritannien zuletzt bemerkenswert niedrig gewesen, aber die Einführung existenzsichernder Löhne im April könne den Druck durch die Arbeitsmarktknappheit zusätzlich verstärken.
Rezessionsrisiko
Das globale Wachstum bleibe positiv, aber schwach, und Beobachter fürchten, dass die jüngste Leitzinserhöhung der US-Notenbank Fed, die zu höheren Finanzierungskosten führt, eine Rezession auslösen könne. „Allerdings fällt die Zinserhöhung der Fed mit einer niedrigen Inflationsrate zusammen, so dass die Aussicht besteht, dass der Konjunkturaufschwung sogar verstärkt und nicht abgewürgt wird“, erklärt Bell.
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Die Lage sei nicht besonders gut, da die Dividenden am Limit seien und die Unternehmensgewinne hinter ihren Erwartungen zurückblieben. Jedoch sei dem niedrigen Zinsumfeld geschuldet, dass Aktien trotzdem attraktiv sein könnten. Denn Aktien profitierten von künftigen Unternehmensgewinnen sowie Dividenden und die Zinsen sind die Abzinsungsraten, mit denen sie in den aktuellen Barwert umgerechnet werden. Laut Bell implizierten niedrigen Zinsen hohe Aktienkurse und führten zur sogenannten „Flucht in Aktien“.
Die Auswirkungen des Brexit
Der Brexit spielt im Kontext der Marktsituation eine zentrale Rolle. Abgesehen von langfristigen Auswirkungen auf Großbritannien würde laut Bell eine Austrittsentscheidung eine lange Zeit der Unsicherheit einläuten, bis die Handelsverträge neu vereinbart sind und sich die Unternehmen an die neue Situation angepasst haben. „Für die Märkte wäre das natürlich von Nachteil, aber die in diesem Fall zu erwartende Abwertung des britischen Pfunds würde zumindest für eine gewisse Stützung sorgen“, so Bell. Da der Markt die Möglichkeit beider Ergebnisse einpreise, hätte ein Votum für die EU-Mitgliedschaft vermutlich einen gegenteiligen Effekt. (tr)
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