Die Bafin am Rande des Rechtsstaats

Damit schwebt letztlich über jeder Emission das Damokles-Schwert, dass die Bafin mitten in der Platzierung dazwischen grätscht, den weiteren Vertrieb untersagt und die Rückabwicklung verlangt. Mit Anlegerschutz hätte das wenig zu tun, jedenfalls nicht für die schon beigetretenen Anleger.

Denn die Betroffenen haben praktisch keine Chance, sich zu wehren: Solche Verfügungen sind unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit sofort vollziehbar. Zudem werden die Maßnahmen auf der Website der Behörde veröffentlicht, also am „Bafin-Pranger“.

Selbst wenn ein späterer Rechtsstreit nach Jahren Erfolg haben sollte, ist der Ruf ruiniert, der betroffene Emittent wahrscheinlich schon lange pleite und das Anlegergeld weg. Frühere Fälle, in denen die Bafin 2004/2005 mehrere Fonds wegen angeblich verkappter Finanzkommissionsgeschäfte gestoppt hatte, belegen, dass dies nicht nur ein theoretisches Risiko ist. Als das Bundesverwaltungsgericht Jahre später feststellte, dass eine solche Verfügung der Behörde unrechtmäßig war, war es für die Betroffenen längst zu spät.

Gummi-Paragraf

Die Befugnis der Bafin zur Produktintervention ist auch deshalb so problematisch, weil es sich um einen Gummi-Paragrafen ohne konkrete Anwendungskriterien handelt. Immerhin weist die Behörde nun darauf hin, dass sie sich bei ihren Maßnahmen an einer EU-Verordnung vom Mai 2016 orientiert (Delegierte Verordnung (EU) 2017/567).

Dort findet sich in der Tat auf drei Seiten ein Kriterienkatalog, den die nationalen Behörden bei Bedenken für den Anlegerschutz anlegen sollen. Aber der Katalog nennt lediglich die Stichworte. Er definiert nicht die Maßstäbe und enthält Kriterien wie „Art und Umfang etwaiger Risiken“ und „Rendite-Risiko-Profil“, ohne näher auszuführen, unter welchen Umständen diese den zulässigen Rahmen verlassen.

Theoretisch ist es also möglich, dass die eine Abteilung der Bafin einen Prospekt nach formalen Kriterien billigt und die andere Abteilung der gleichen Behörde ihn später wieder untersagt, weil dem betreffenden Beamten das Risiko nach subjektiver Einschätzung zu hoch erscheint oder er die Renditeaussicht in Relation dazu als zu gering eingeschätzt. Das kann es ja wohl nicht sein.

Seite drei: Vermögensanlagenprospekte im Fokus?

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