Unerwartet gut erging es vielen Investoren im abgelaufenen Jahr. Trotz der höchsten Zinsen seit mehr als einem Jahrzehnt waren wichtige Aktienindizes für weite Teile des Jahres im Aufwind. Nach zwischenzeitlichen Rückgängen verzeichneten insbesondere die US-Börsen immer wieder Kursgewinne. Auf einen Kursrutsch folgte meist ein Happy End. Der DAX eroberte neue Höchststände und Japanaktien erwachten aus ihrem Dornröschenschlaf. Bei den schwer gebeutelten Staatsanleihen boten sich endlich wieder attraktive Einstiegsgelegenheiten und erste Kursgewinne, während Hochzinsanleger bereits hohe Renditen einfuhren. Auch der Goldpreis schwang sich zu neuen Höhen jenseits der 2.100 US-Dollar auf.
Die Ausgangslage
Hinter vielen dieser positiven Entwicklungen, z. B. dem Anstieg der Anleihekurse, des Goldpreises und besonders zinssensitiver Wachstumsaktien, steckt jedoch unter anderem die Erwartung fallender Zinsen in den USA. Ein Senken des Leitzinses wäre für die Notenbank Fed aber nur eine Option, wenn dies zum Bekämpfen einer Rezession oder zumindest eines spürbaren Wirtschaftseinbruchs notwendig wäre. Die Investoren preisen eine Rezession in manchen Marktsegmenten mittlerweile ein. Selbst Aktien-Dauerbullen, wie die bekannte Wachstumsinvestorin Cathie Wood, sprechen teilweise von einem bevorstehenden Wirtschaftseinbruch. So sagte Wood jüngst, dass sie bei US-Firmen erneut mit konjunkturbedingten Entlassungen rechne.
Obwohl der Markt zeitweise darüber hinwegsieht: Rezessionen und die oft damit einhergehenden Abverkäufe sind für Anleger in erster Linie eine Qual. Bekanntermaßen bieten Markteinbrüche für Investoren aber auch überproportionale Chancen. Laut dem Research-Haus Morningstar weiteten viele Fondsanleger nach dem ersten Abverkauf des Corona-Crash 2020 ihre Investments aus und handelten damit goldrichtig. Mit dem Krieg in der Ukraine und einer anziehenden Inflation legten sie anschließend zusätzliches Geld als Erspartes auf die Seite, das nun nur darauf wartet, am Kapitalmarkt angelegt zu werden.
Hinterher weiß man mehr
Die meisten Investoren waren jedoch schon lange nicht mehr mit Abverkäufen konfrontiert, nach denen die Märkte viele Monate oder sogar mehr als ein Jahr tief im Minus verweilten. Die letzten Einbrüche 2018 und 2020 dauerten im Gegensatz zu den großen Krisen 2001 und 2008 meist nur für kurze Zeit an. Der psychologische Druck, der bei einem langanhaltenden Tief auf Investoren wirkt, ist nicht zu unterschätzen. Er führt oftmals dazu, dass trotz anfänglich richtiger Entscheidungen Investments zu Unzeiten verkauft werden. Wer bereits 2001 oder 2008 am Aktienmarkt aktiv war, kann das bestätigen. Obwohl der Corona-Crash weniger als zwei Monate andauerte, meldeten viele Fonds schon nach wenigen Wochen wieder Abflüsse. Trotz guter Vorsätze ist das Durchhaltevermögen der Marktteilnehmer offenbar begrenzt. Im Nachhinein zeigte sich: Es wäre ein idealer Zeitpunkt gewesen, um Sparpläne zu erhöhen, statt Positionen zu veräußern.
Die derzeit attraktiven Zinsen könnten einige Sparer zudem dazu motivieren, eine mögliche Rezession in Tagesgeldern zu überwintern. Doch bei Zinssenkungen in einer Rezession werden auch die Tagesgeldzinsen angepasst. Wer Festgelder nutzt, sichert sich zwar einen bestimmten Zinssatz, bindet sein Geld dafür aber meist langfristig auf dem Sparkonto. Kommt es dann zu Einstiegschancen an den Aktienmärkten, ist häufig kein Kapital frei, um darauf zu reagieren.
Wer es sich leisten kann, der sollte Abverkäufe am Aktienmarkt zum Einstieg nutzen, um seine Ertragschancen zu maximieren, indem er z. B. Schritt für Schritt mit Sparplänen anlegt oder das geparkte Tagesgeld investiert. Investoren mit einem klaren Plan sind schneller handlungsfähig und agieren mit ausreichend Überzeugung, um auch in längeren Schwächephasen und der mental herausfordernden Situation dabeizubleiben. Somit lohnt sich der Blick auf Anlageklassen, die in der Rezession besonderes Potenzial entwickeln. Dazu zählen Branchen, deren Aussichten sich wegen rezessionsbedingter Leitzinssenkungen aufhellen, z. B. der Goldbergbau, dessen wichtigstes Produkt bei niedrigen Zinsen besonders attraktiv ist, aber auch kapitalhungrige Nebenwerte und zyklische Industriekonzerne.
Mutige Anlagemöglichkeiten zum Vermögensaufbau
Minenunternehmen, die sich auf die Förderung von Gold und anderen Edelmetallen spezialisieren, werden trotz geringer Verschuldung, hoher Einnahmen, guter Cash-Reserven sowie einer Verknappung von Gold schon seit langem zu extrem niedrigen Bewertungen gehandelt. In fallenden Märkten könnten ihre Aktien kurzfristig sogar noch günstiger werden, obwohl diese Firmen besonders dann profitieren. Öl, auf das die Bergbauunternehmen zur Goldförderung angewiesen sind, dürfte sich in einer Wirtschaftskrise vergünstigen. Der Goldpreis ist hingegen ein Krisengewinner und dürfte steigen, oder zumindest hoch bleiben. Für die Minen und ihre Aktionäre entstünde so eine traumhafte Mischung aus hohen Produktpreisen gepaart mit sinkenden Produktionskosten, und zwar bei außerordentlich günstigen Aktienbewertungen.
Auch Nebenwerte, insbesondere Small Caps, offerieren trotz ihres wissenschaftlich untermauerten Potenzials zur Outperformance attraktive Bewertungsniveaus. Verglichen mit Standardwerten lagen ihre Kurs-Gewinn-Verhältnisse 2023 auf dem niedrigsten Niveau seit mehr als 20 Jahren. Im Hinblick auf eine Rezession könnten sich attraktive Einstiegsgelegenheiten bieten. Kam es nach dem Einbruch zu einer Erholung, legten Small Caps historisch überproportional zu. Die kleinen Börsenunternehmen sind konjunkturabhängig und auf gute Finanzierungsbedingungen angewiesen, was ihren Aktien auf dem meist von Zinssenkungen begleiteten Weg aus der Rezession einen besonderen Schub gibt. Analog dazu dürften sich auch zyklische Industrietitel, z. B. aus der Chemie- oder Baubranche, verhalten.
Wer die alljährlichen Marktausblicke konsumierte, musste feststellen, dass die Vorhersagen für 2024 in der Branche massiv auseinanderklaffen. Was also, wenn die Optimisten recht behalten und den Notenbanken eine weiche Landung gelingt? Ob schwere Rezession oder weiche Landung: Clevere Anleger werden sich so oder so freuen, langfristig einen (Spar-)Plan für unterbewertete Minenwerte und Small Caps in der Hinterhand zu wissen. Haben und nicht brauchen ist bekanntlich besser als brauchen und nicht haben.
Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.