Die Bröning-Kolumne: „Der No-Brainer“

Tim Bröning
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Tim Bröning

Investments in Rohstoffe und Rohstoffaktien dürften in den meisten Anlegerportfolios eine Seltenheit sein. Oft wurde vor der Schwankungsfreudigkeit dieser Anlageklasse gewarnt und Investoren dadurch abgeschreckt. Doch spätestens seit den kletternden Gaspreisen ist die Abhängigkeit der Weltwirtschaft von wichtigen Rohstoffen wieder präsent im Anlegerbewusstsein.

Die Rohstoffpreise, gemessen am Bloomberg Commodity Index, stiegen dieses Jahr deutlich an. Bis Mitte Oktober verzeichnet der Index im laufenden Jahr einen Zuwachs von fast 16 Prozent, während globale Aktieninvestments zweistellig im Minus liegen. Zwischen Ende 2021 und Anfang Juni 2022 betrug das Plus für Rohstoffe fast 40 Prozent. Dies lag auch an der massiven Verteuerung fossiler Energieträger – doch sie waren bei Weitem nicht die einzigen Rohstoffe mit einem rapiden Kursanstieg. Wichtige Industriemetalle wie z. B. Zink oder Aluminium schossen ebenfalls in die Höhe. Batteriemetalle wie Lithium und Kobalt verzeichneten hingegen schon 2021 einen Preissprung.

Die Mischung aus der wiederanspringenden Wirtschaft und einem Nachfrageüberhang bei vielen Produkten trieben damals die Preise an. Diese Entwicklung war auch ein wesentlicher Grund für den massiven Inflationsanstieg, der viele Länder weiterhin im Bann hält. Doch seit Juni hat der Rohstoffmarkt aufgrund weltweiter Rezessionsängste mit einem Verlust von 16 Prozent wieder nachgegeben. Einzelne Materialien wie Kupfer (-28 Prozent) oder Aluminium (-41 Prozent) fielen im laufenden Jahr sogar noch tiefer.

Eine Gelegenheit für langfristig orientierte Anleger?

Wer in einer Rezession nicht gleich den Untergang der Weltwirtschaft sieht, sondern eine vorübergehende Delle im Wirtschaftswachstum, für den eröffnen sich äußerst spannende langfristige Perspektiven bei Rohstoffanlagen. Gerade bei ausgewählten Industrie- und Spezialrohstoffen zeichnen sich drastische und anhaltende Mangellagen ab. Insbesondere einige Metalle, die für die Versorgung der Welt mit Energie sowie deren Speicherung benötigt werden, sind knapp und werden noch knapper.

Der bereits massive weltweite Energiebedarf wird bis 2050 weiter um rund 50 Prozent ansteigen, so sagen es US-Regierungsprognosen voraus. Dabei gilt es, den weltweiten Energiehunger zunehmend auf nachhaltige Weise zu stillen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten. Hierfür werden unter anderem Werkstoffe wie Grafit, Kupfer, Nickel, Mangan, Lithium oder Kobalt benötigt. So wird z. B. Kupfer en masse in elektrischen Leitungen sowie den Windungen von E-Motoren und von riesigen Generatoren in Wind- und Wasserkraftwerken verbaut. Lithium, Nickel, Kobalt und Mangan werden beispielsweise in der Batterieherstellung für E-Autos, aber auch für Pufferspeicher verarbeitet. Grafit ist essenziell, um Photovoltaikzellen zu produzieren. Zur Herstellung von Wasserstoff, das laut EU-Vorhaben ein wichtiger CO2-freier Ersatz für Erdgas werden soll, wird – je nach Verfahren – ebenfalls Nickel benötigt oder aber die seltenen Stoffe Iridium, Scandium, Palladium oder Platin. Die Liste der Beispiele ist lang.

Knappheit bei wichtigen Stoffen

Laut der internationalen Energieagentur müsste sich der bisher kleine Markt für kritische Spezialmaterialien bis 2050 vervielfachen, um das erstrebenswerte Null-CO2-Ziel zu erfüllen. Dadurch dürfte z. B. die Nachfrage nach den Rohstoffen Lithium und Kobalt die geplanten Produktionskapazitäten schon in wenigen Jahren weit überschreiten. Der Mangel an Lithiumsalz könnte in weniger als acht Jahren etwa zwei Millionen Tonnen betragen. Zum Vergleich: Die Jahresproduktion belief sich 2021 auf rund 540.000 Tonnen. An Kobalt, von dem jedes Jahr etwa 170.000 Tonnen gefördert werden, dürften mehrere 100.000 Tonnen jährlich fehlen. Auch bei Kupfer, dem sowohl eine Rolle in der Energiewende, aber auch als klassischer Industrierohstoff zukommt, wird das künftige Defizit auf rund fünf Millionen Tonnen beziffert. Zuletzt wurden rund 21 Millionen Tonnen Kupfer gefördert, wobei rückläufige Kapazitäten prognostiziert werden. Darüber hinaus können Anleger auch bei reinen Industriemetallen profitieren, wenn die Wirtschaft nach einer Rezession wieder anläuft. So ist z. B. der Preis von Zink, das unter anderem als Rostschutz für Industriestahl eingesetzt wird, stark konjunkturabhängig.

Für Anleger, die bisher noch keine Rohstoffinvestments im Portfolio haben, bietet der aktuelle Einbruch der Preise somit sogar eine seltene Gelegenheit. Investments in diesen Markt sind z. B. über Fonds möglich, die in die Aktien von Minenfirmen und anderer Produzenten verschiedener Metalle investieren. Anleger sollten aber darauf achten, Fonds zu wählen, deren Manager bewusst widerstands- und zukunftsfähige Unternehmen auswählen. Denn viele Minenbetreiber leiden ebenfalls unter der aktuell hohen Inflation, etwa weil sie ihre Förderung mit Öl betreiben und die Löhne ihrer Arbeitskräfte anheben müssen.

Minenunternehmen mit Perspektive

Viele Minenfirmen konnten schon in der Vergangenheit gut an den steigenden Rohstoffpreisen verdienen und haben mit den Erlösen einen Großteil ihrer Schulden getilgt. Sie haben jetzt den nötigen finanziellen Puffer, um z. B. die Erschließung neuer Projekte voranzutreiben und sich Marktanteile zu sichern. Außerdem berichten Fondsmanager von Minenfirmen, die über ihre eigene Energieversorgung verfügen oder sich langfristig günstige Energiepreise vertraglich gesichert haben. Jene Firmen sind jetzt gut aufgestellt, um ihre Margen sogar auszuweiten. Vorteilhaft für Anleger, die auf gute Förderunternehmen setzen, ist auch, dass insgesamt die Ausgaben für neue Projekte zurückgefahren und dadurch wichtige Metalle verknappt wurden.

Dies wirkt sich somit positiv auf die Rohstoffpreise und die Erlöse der Minenbetreiber aus. Viele professionelle Rohstoffinvestoren sehen sogar einen breiteren Trend: Der steigende Energiebedarf bei gleichzeitigem Umbau auf eine erneuerbare Energieversorgung könnte den Anstoß für einen langfristig positiven Aufwärtstrend des Rohstoffmarkts geben. Manche Anleger sind sich dessen längst bewusst und halten z. B. Fonds oder ETFs für erneuerbare Energien, die bereits vom nachhaltigen Umbau der Weltwirtschaft profitieren. Dabei könnten Anleger auch ein Stück ihrer Geldanlage direkt an der Quelle für diese Innovationen investieren und die unter Druck geratenen Preise zu ihrem langfristigen Erfolg nutzen. In der englischsprachigen Investmentwelt würde man so etwas einen No-Brainer nennen: eine Entscheidung, über die man nicht lange nachdenken braucht.

Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.

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