Obwohl der US-Notenbank-Chef Jerome Powell wiederholt erklärte, die Leitzinsen längerfristig auf einem hohen Niveau belassen zu müssen, hielten die ersten sechs Wochen des Jahres extrem positive Entwicklungen für Anleger bereit. Wirtschaftsexperten beschäftigen sich unterdessen mit der Frage, ob Europa und die USA eine Rezession vermeiden werden. Außerdem droht sich die hartnäckig hohe Inflation zu verstetigen. So waren die Inflationszahlen in Deutschland und den USA zwar weiterhin rückläufig, gingen aber weit weniger zurück als erwartet. Gleichzeitig kam es nach dem Jahreswechsel zu einer geradezu absurden Rallye von Meme-Aktien und anderen höchst unprofitablen Wachstumstiteln.
Möglicher Abverkauf bei Aktien
Die wirtschaftlichen und geldpolitischen Unsicherheiten bergen gerade für die Börsen dieses Jahr erhebliche Risiken. Hinzu kommt, dass schon jetzt die Gewinnerwartungen vieler Unternehmen aufgrund steigender Kosten und einer zurückgehenden Nachfrage nach unten korrigiert werden müssen. Die Fallhöhe mancher Marktsegmente ist aus Anlegersicht somit wieder angestiegen. Reif für einen Abverkauf seien die Aktienmärkte, heißt es dazu etwa von einem Strategen der US-Bank Morgan Stanley in den US-Medien.
Dennoch bieten Aktien einen historisch nachvollziehbaren Inflationsschutz, allerdings kann es kurzfristig zu Kursrückgängen kommen, ehe dieser greift. Für Anleger, die sich wegen der vielen Unwägbarkeiten absichern und nicht nur in Aktien investieren möchten, gibt es eine sinnvolle Ergänzung: Gold kann einen beruhigenden Portfoliobestandteil bilden, vor allem wenn man das Metall mit anderen Investments kombiniert. Dass sich das Edelmetall nicht im Gleichlauf mit den meisten anderen Anlageklassen bewegt, ist hierbei ein bedeutender Vorteil. Vergangenes Jahr gelang es Goldanlegern im Euroraum mit dem Edelmetall eine positive Rendite zu erzielen – das war mit kaum einer anderen Anlageklasse zu schaffen!
Schutz und Performance?
Beeindruckend ist auch, dass Gold für heimische Anleger im Vergleich mit Aktien über verschiedene längerfristige Zeiträume nicht nur das Vermögen sicherte, sondern laut eigenen Auswertungen auch eine ausgezeichnete Wertsteigerung ablieferte. So konnte Gold über 25 Jahre sogar den globalen Aktienmarkt überflügeln. Über fünfzehn Jahre erzielte Gold immerhin einen Zuwachs in Euro von mehr als 150 Prozent, wohingegen der weltweite Aktienmarkt 250 Prozent lieferte. Über fünf Jahre liegen Gold und Aktien mit einem Plus von jeweils rund 57 Prozent praktisch gleichauf. Um das Portfolio mit Gold zu diversifizieren, musste man über viele Zeiträume somit noch nicht einmal eine schlechtere Performance hinnehmen. Gegen die Rendite von Anleihen konnte sich Gold ebenfalls in verschiedenen Phasen beweisen.
Dennoch unterliegt auch der Goldpreis starken Einflüssen. Die Zins- und Währungsentwicklung, das Anlegervertrauen, aber auch die wirtschaftliche Nachfrage im Verhältnis zum Angebot können den Preis bewegen. Das für Goldanleger in Europa vergleichsweise erfolgreiche Jahr 2022 steht vor allem mit der Zins- und Währungsentwicklung in Verbindung. Heimische Edelmetallbesitzer profitierten von Währungseffekten aus dem stark gestiegenen Dollar, der aus den US-Zinsanhebungen resultierte. Im Umkehrschluss – und rein aus der Währungsperspektive betrachtet – ist ein fallender Dollar zwar schlecht für Goldanleger des Euroraums. Gleichzeitig wirkt sich eine Dollarschwäche aber positiv auf den Goldpreis aus, was auch für Euroanleger die Währungsverluste reduziert. In beiden Situationen stellt die Goldposition für Anleger also ein begrenztes Risiko dar.
Gold ist (besseres) Geld
Steigende US-Zinsen sind für den Kurs des Edelmetalls zunächst zwar negativ, schließlich zahlt Gold keine Kupons und muss mit Anleihen um die Gunst der Anleger konkurrieren. Zeichnet sich aber eine Stabilisierung des US-Leitzinses ab, gab es beim Goldpreis in der Vergangenheit hingegen häufig Preisanstiege. Bleibt die Inflation außerdem hoch und übersteigt das Zinsniveau, wäre Gold trotz höherer Kupons langfristig attraktiver als Anleihen. Zwar bietet das Edelmetall keine Zinsen, dafür aber den langfristig viel wichtigeren Kaufkrafterhalt. Laut den Berechnungen verschiedener Edelmetallanalysten hat der US-Dollar gegenüber Gold seit den 1930er-Jahren mehr als 95 Prozent seiner Kaufkraft eingebüßt, was die Wertstabilität des Metalls im Vergleich zu Währungen verdeutlicht.
Der langfristig stabile Wert von Gold spiegelt sich insbesondere im Anlegervertrauen wider, das dem Edelmetall entgegengebracht wird. Gold wird daher von Investoren weltweit als Geldersatz betrachtet und oft gekauft, um sich gegen den Wertverfall moderner Währungen abzusichern. Dies bescherte dem Goldpreis auch eine sehr nützliche Eigenschaft während Wirtschaftskrisen. Die Analyse eines Schweizer Edelmetallspezialisten besagt, dass der Goldpreis auch während bedeutender Rezessionen mittelfristig anstieg. Im Verlauf eines Wirtschaftseinbruchs bahnen sich meist Notenbankmaßnahmen an, die den Wert der jeweiligen Währungen weiter entwerten – worauf Anleger meist mit Goldkäufen reagierten. So stand der Goldpreis insgesamt sowohl im Jahresverlauf 2001 als auch 2009 höher als vor Beginn der damaligen Rezessionen.
Eine Frage des Gefühls
Wie wichtig die Rolle des Goldes als Geldersatz ist, zeigt auch eine Studie dreier europäischer Wirtschaftswissenschaftler: Vor allem die Inflation, Zinsen und die weltweite Geldmenge zeigten sich als dominante und statistisch signifikante Treiber des Goldpreises. Dass Notenbanken weltweit im Jahr 2022 so viel Gold nachfragten wie seit über 50 Jahren nicht mehr, sollte auch Kleinanlegern zu denken geben. Laut dem Weltwirtschaftsforum nutzen auch die verschiedenen Zentralbanken das Metall, um sich gegen Inflation abzusichern und Währungen zu stützen.
Mit einem Preis von derzeit knapp unter 1.900 US-Dollar ist das Edelmetall nicht allzu weit von seinem All-Time-High bei knapp über 2.000 US-Dollar entfernt. Allerdings sind auch viele Aktienindizes nahe ihren historischen Höchstständen. Angesichts einer möglichen Rezession, Gewinnrückgängen, hoher Inflation, starker Volatilität und allen voran Notenbanken, die sich keine Fehltritte erlauben können, stellt sich für Anleger die Frage, ob man sich mit einer ordentlichen Portion Gold im Portfolio nicht etwas wohler fühlt. Weil das Metall in vielen Phasen in Sachen Performance mit den Aktienmärkten mithielt – oder diese besonders in schwierigen Phasen sogar übertraf – und zusätzlich als Absicherung fungiert, dürften Anleger damit sogar eine Zwei-in-Eins-Lösung in ihrem Depot haben.
Tim Bröning ist seit 2009 in der Geschäftsleitung der Fonds Finanz Maklerservice GmbH und verantwortlich für den Bereich Non-Insurance, Finance & Legal.