Roundtable: „Die Cyberversicherung wird so wichtig wie die Digitalisierung des Betriebes selbst“

Assekurata hat den Markt für Cyberversicherungen unter die Lupe genommen. Der Markt ist noch jung und doch sehr dynamisch. Welche Tendenzen beobachten Sie hier?

Will: Auf der Bedingungsseite ist viel passiert. Ich glaube, da wird sich kurzfristig nicht mehr viel verändern. Es gibt mittlerweile einige Bewertungsmodelle und wir sehen, dass sich die Gesellschaften auch an unseren Ratings orientieren. Mittlerweile können wir einigen beteiligten Unternehmen eine ganz ordentliche beziehungsweise sehr gute Bedingungsqualität attestieren.

Ich glaube aber, dass wir sowohl auf der Prämien- als auch auf der Kapazitätsseite Bewegung im Markt sehen werden. Für Vermittler dürfte es meiner Meinung nach schwieriger werden, Risiken einzudecken. Mit dem Blick auf das kommende Jahr erwarte ich, dass der Markt und die Versicherer sensibler werden, was das zur Verfügung stellen von Deckungskapazitäten betrifft.

Gerade vor dem Hintergrund steigender Schäden. Ein wichtiges Thema sind dabei die großvolumigen Schäden in der Betriebsunterbrechung. Die Absicherung von Lösegeldzahlungen in den Bedingungen wird zunehmend kritischer gesehen, leistet man damit doch unter Umständen Vorschub für kriminielle Handlungen.

Gibt es noch weitere Trends?

Will: Es werden sicher weitere Akzente in der Produktgestaltung gesetzt. Es wird darum gehen, als Versicherer, den Versicherten zu unterstützen, den Betrieb wieder in Gang zu bekommen. Meiner Meinung nach kann es nicht die Aufgabe des Versicherten sein, über einen längeren Zeitraum eine Betriebsunterbrechung zu finanzieren. Es geht um die Unterstützung der Forensik, den IT-Aufbau nach einem Störfall und die schnelle Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft.

Und es geht zunehmend um eine differenziertere Risikozeichnung. Hier können Versicherer den Betrieb dabei unterstützen, gezielt zu schauen, wo die Schwachstellen und kritischen Prozesse sind. Es geht darum, den bereits erwähnten Ökosystemgedanken umzusetzen, Präventionsdienstleistungen anzubieten und zu unterstützen. Es geht darum, den Versicherer als Servicepartner zu etablieren. Ich glaube, das ist dann eine Win-Win-Situation.

Cyber ist ein komplexes Thema. Insbesondere wenn es um die Versicherungssumme geht. Welche Hilfsmittel geben Sie den Partnern an die Hand?

Arias: Es ist in der Tat eine der zentralen Fragen für Vermittler. Wie erkläre ich dem Kunden den Preis beziehungsweise die Versicherungssumme? Was soll ein Vermittler sagen, wenn der Kunde fragt, wie hoch er sich versichern soll? Wir haben zusammen – auch mit CyberDirekt – in einem Seminar versucht, das aufzubrechen. Es gibt im Wesentlichen drei zentrale Kostenträger in einer klassischen Cyberversicherung. Das eine sind die Serviceleistungen, also Stundensätze. Auf der anderen Seite haben Sie das Thema Betriebsunterbrechung und damit den entgangenen Gewinn des Unternehmens.

Die dritte Dimension betrifft die Haftpflichtkomponente – also hier vor allem die Datenschutzverletzungen. Mit diesen drei Stufen – Stundensätze, Betriebsunterbrechung und entgangener Gewinn sowie Haftpflichtkosten – können Sie dem Kunden relativ gut eine Annäherung an die Versicherungssumme an die Hand geben. Das ist natürlich mit hohen Disclaimern versehen, aber besser als gar keine Antwort.

Meine Erfahrung zeigt, wie wichtig es ist, wenn Sie dem Vermittler zumindest einen Ansatz liefern: Der entgangene Gewinn lässt sich aus dem Umsatz ableiten, die Haftpflichtschäden sind ein Stück weit in der DSGVO verankert, und die Stundensätze liegen bei durchschnittlich rund 500 Euro die Stunde, jedoch mit gewissen Abweichungen je nach Dienstleister. Und dann merkt man, dass die Sicherheit beim Vermittler höher ist, weil er dem Kunden eine Antwort geben kann.

Wir haben gehört, Cyber ist im Markt angekommen. Die Prämien werden steigen, die Absicherungsbereitschaft hinkt immer noch hinterher und die Gefahren im digialen Sektor steigen weiter. Wohin wird sich der Markt entwickeln? Ihr Fazit.

Berger: Ich glaube, wir müssen die Kommunikation verbessern und auch die Transparenz. Gleichzeitig müssen die Unternehmen wissen, wie sie aufgestellt sind. In dem Zusammenhang wird die Risikoeinschätzung eine andere werden und nur, wenn man diese Einschätzung besser treffen kann, wird es künftig adäquaten Versicherungsschutz geben. Hanno Pingsmann sagte, dass nicht jedes Unternehmen künftig noch adäquaten Schutz angeboten bekommt. Insofern erwarte ich auch im KMU-Bereich zumindest steigende Prämien, nicht unbedingt mit reduzierten Versicherungssummen. Gleichwohl kann es an gewissen Stellen zu Bedingungseinschränkungen kommen. Insofern appelliere ich an alle Vetriebspartner und Vermittler, das Thema jetzt anzusprechen und die Firmen zu sensibilisieren, denn die Risikolandschaft ist immens.

Arias: Ich bleibe bei meiner Lieblingsstruktur, Versicherer, Makler, Kunde. Ich bin der festen Überzeugung, dass Versicherer das Thema Silent-Cyber noch deutlicher beleuchten müssen. Das ist etwas, was enorm ausstrahlt. Das Zweite ist das Maklerwissen. Vermittlern rate ich, Seminare zu besuchen und Punkte zu sammeln. Googelt, lest, häuft Wissen an. Kunden sollten sich damit auseinandersetzen, wie stark und sicher ihre IT ist und vor allem wie sensibel der Geschäftserfolg bzw. Misserfolg von einer funktionierenden IT abhängt. Sich darauf auszuruhen, dass man eine Cyberversicherung besitzt, ist unbedingt zu vermeiden. Ich kann nur empfehlen, sich selbst aktiv um die Sicherheit des eigenen Unternehmens zu kümmern. Im Zweifel ist dem Risikoträger die Zukunft des Unternehmens relativ egal. Wo geht die Zukunft hin? Wir werden eine Verschärfung der Prämiensituation sehen, die auch in den KMU-Bereich ausstrahlt. Und wir werden auch eine Bereicherung sehen. Gerade im Hinblick auf Serviceleistungen. Die Angebote zeigen, dass der Cybermarkt ein sehr signifikanter ist. Nicht nur als Türöffner, sondern als wirklich geldbringende feste Portfoliogröße für Vermittler, mit der Möglichkeit, hier auch wirklich Sicherheit in dem eigenen Vertrieb zu manifestieren.

„Jeder Vermittler sollte auch in seinem eigenen Betrieb sehen, wie professionell und sicher er aufgestellt ist.“

Pingsmann: Wir haben in den letzten zwölf Monaten gesehen, wie schnell sich die Bedrohungslage verändert. Die Microsoft Exchange-Problematik hat die Versicherer zum ersten Mal in eine Kumulsituation geführt. Und die Haftpflichtkasse Darmstadt hat einen deutlichen Signaleffekt in die gesamte Vermittlerschaft. Aber es reicht noch nicht, befürchte ich. Sobald der erste Kunde seinem Makler erklärt, dass er von einer Cyberattacke betroffen ist und 150.000 Euro bezahlt hat und dann fragt, warum das nicht versichert wird, gehen Makler das Thema mit einer ganz anderen Vehemenz an. Ich schätze, dass circa 3.000 bis 4.000 Makler in Deutschland aktiv Gewerbekunden betreuen. Wenn dann größere Schadensereignisse passieren, werden wir einen deutlichen Nachfrageschub sehen. Heute sind schätzungsweise zehn Prozent der Vermittler wirklich regelmäßig aktiv in der Vermittlung von Cyber-Policen. Ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten drei Jahren eine sehr dynamische Marktentwicklung sehen werden, mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der heutigen Prämien.

Will: Darüber hinaus ist die Pandemie und die Verlagerung der Arbeit ins Homeoffice zu einem großen Treiber geworden. Dieses New Normal ist in vielen Unternehmen ein Riesenthema. Das gilt auch für die Versicherer. Hinzu kommt die Digitalisierung und die Veränderung des Arbeitsumfeldes. Das alles erhöht die Angriffsfläche. Und damit dürften auch die Schadenlasten größer werden. Jeder Vermittler sollte auch in seinem eigenen Betrieb sehen, wie professionell und sicher er aufgestellt ist. Und bekommt damit selbst das Gefühl für das Thema – für sich und mittelbar darüber für seine Kunden. Cyber ist angekommen. In der Beratung und den mittelständischen Unternehmen. Und die brauchen Unterstützung. Die Anbieter müssen sich professionalisieren, die Kunden müssen sich professionalisieren. Es ist ein Riesenthema für Vermittler.

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