Nachhaltigkeit in der Assekuranz: „Die Fakten zwingen uns zum Handeln“

Für Schildknecht ist die nachhaltige Umstellung der Kapitalanlagen ein ganz wichtiger Hebel. „2019 hatten wir als Zurich Gruppe Deutschland einen CO2-Ausstoß von 12.000 Tonnen. Wenn wir nur ein Drittel unserer 36 Milliarden Euro Kapitalanlagen – also Anleihen, Aktien, Immobilien – klimaneutral ausrichten, sind das 1,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Und dazu kommen noch 18 Milliarden Euro Vermögen in der fondsgebundenen Lebensversicherung, die wir zusätzlich über Zeit klimaneutral ausrichten. Das heißt, unsere Rolle als Investor ist mehr als 100-mal größer als wenn wir nur unseren eigenen Betrieb klimaneutral stellen“, so Schildknecht.

Wichtig bei der klimaneutralen Ausrichtung der Kapitalanlagen ist für Schildknecht eine verbindliche Taxonomie. „Was versteht man genau unter ESG oder Klimaneutralität? Das ganze System der Bewertung und Klassifizierung ist eine der Hauptherausforderungen. Das muss von der Politik geklärt werden. Denn wir wollen jeglichem Greenwashing entgegenwirken. Was wir heute haben, reicht noch nicht“, so Schildknecht.

„Nachhaltigkeit setzt sich in den Lebenswelten zunehmend als eigenständiger Wert und als relevantes Kaufkriterium durch“, sagt Michaela Brocke, Geschäftsführerin beim Marktforschungs- und Beratungsinstitut Heute und Morgen, Köln. Aktuell stehen zwar nachhaltig produzierte Lebensmittel, nachhaltige Energieversorgung, nachhaltige Mobilität, nachhaltiges Bauen stärker im öffentlichen Fokus.

„Grundsätzlich können sich heute bereits rund 60 Prozent aller Verbraucher vorstellen, in Zukunft gezielt nachhaltige Versicherungsprodukte abzuschließen; unter 30-Jährige und besonders nachhaltigkeitsaffine Verbraucher sogar zu über 80 Prozent“, so Brocke. Gleichwohl hätten sich allerdings bisher erst neun Prozent der Kunden im Rahmen von Versicherungsabschlüssen mit Nachhaltigkeit befasst. Und noch weniger achten bei Versicherungsangelegenheiten bereits von sich aus auf Nachhaltigkeitsaspekte.

„Das Wissen der Verbraucher beim Thema Nachhaltigkeit ist immer noch rudimentär und oft diffus, gerade im Versicherungsbereich. Beispielsweise auch hinsichtlich der Differenzierung von ökologischer, sozialer und ökonomischer Nachhaltigkeit. Hinzu kommt, dass die Kenntnis zu bereits bestehenden Produktangeboten in der Breite immer noch gering ist“, sagt Brocke.

„Da fehlt es neben medialer Berichterstattung auch noch an Informationen durch die Anbieter selbst, was Nachhaltigkeit bei Versicherungen bedeutet“, so die Marktforscherin. Zustimmung kommt von Gottfried Baer. „Viele Verbraucher wüssten nicht, was an Versicherungen letztlich „grün“ sein könnte“, sagt Baer, der Geschäftsführer der Mehrwert GmbH ist und sich seit 2010 auf die Bereiche nachhaltige Altersvorsorge und Kapitalanlage fokussiert.

„Das Wissen der Verbraucher beim Thema Nachhaltigkeit ist immer noch rudimentär und oft diffus, gerade im Versicherungsbereich“

Dabei steigt, so eine weitere Erkenntnis der Heute und Morgen-Studie, die Abschlussbereitschaft für nachhaltige Versicherungsprodukte, wenn konkrete nachhaltigkeitsbezogene Leistungen einzelner Versicherungsprodukte vorgestellt werde. Das Gros der Versicherungen sind Push- und nicht Pullprodukte.

Insofern dürften sich nur wenige Kunden mit den nachhaltigen Details in den Bedingungswerken auseinandersetzen. Also liegt es am Vertrieb. Die Vermittlerinnen und Vermittler sind der Transmissionsriemen, um die ökonomische, ökologische und soziale Produkt- und Anlagestrategie an das Publikum heranzutragen. Allerdings ist der Vertrieb derzeit noch nicht dazu verpflichtet, das Thema explizit beim Kunden abzufragen. „Versicherer wie auch Berater müssen zwar seit dem 10. März 2021 darüber informieren, ob, und wenn ja, wie sie Nachhaltigkeitsaspekte in die Beratung einfließen lassen. Darüber hinaus muss in den vorvertraglichen Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken Auskunft gegeben werden.

Seite 3: Nachhaltigkeitsabfrage noch keine Pflicht

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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