Den Schulabschluss in der Tasche stehen bei vielen jungen Erwachsenen in den kommenden Wochen und Monaten die erste eigene Wohnung und das erste eigene Auto an – damit geht gleichzeitig auch der Abschluss der ersten Versicherungen einher. Anders als mitunter bei der Gen Z vermutet, erfolgt der entscheidende Impuls, sich mit dem Thema Versicherung auseinanderzusetzen dabei nicht über TikTok, Instagram oder andere Social-Media-Kanäle, sondern über Freunde und Familie, so das Ergebnis einer aktuellen Simon-Kucher-Studie.
Denn bei 77 Prozent der Umfrageteilnehmer kommt der Impuls von der Familie oder Freunden. Im Bereich Social Media sind es hingegen lediglich drei Prozent. Als Impulsgeber außerdem weit abgeschlagen sind Berufsverkäufer, Online- sowie Offlinekanäle als auch Foren. Sie machen nur zehn beziehungsweise vier Prozent aus.
Doch nicht nur der erste Impuls sich um seine Versicherungen kümmern zu wollen, kommt aus dem persönlichen Umfeld der Gen Z, auch die Informationssuche läuft meist über Freunde und Familie: 42 Prozent der Studienteilnehmer befragen vor dem Kauf die Familie, Freunde, die Arbeitskollegen oder den Arbeitgeber zum Thema Versicherung.
Dieser Wert ist über alle Impulsgruppen hinweg fast identisch. Selbst, wenn der Impuls also zunächst durch Social Media kommt, sucht die Generation Z bei Freunden und Familie nach Informationen. Onlineinformationswege liegen mit 36 Prozent beinahe auf Augenhöhe – wobei Vergleichsportale davon die Hälfte absorbieren. Allgemeine Onlinerecherche und Soziale Medien machen hingegen nur 17 Prozent beziehungsweise ein Prozent aus.
Für Versicherer ergeben sich daraus eine ganze Reihe von Implikationen, wenn sie junge Menschen langfristig für sich gewinnen wollen. Sie sollten zunächst Kampagnen so ausrichten, dass wichtige Familienangehörige wie Eltern, Tanten und Onkels zu Botschaftern der eigenen Versicherungsleistungen werden. Der Weg über das persönliche Umfeld ist das A und O, um einen Draht zur Gen Z aufzubauen – was jedoch häufig misslingt. Ein Beispiel macht dies deutlich: In 210 Fällen, in denen alle Produkte bei einem Verkäufer gekauft wurden, haben nur in sieben Fällen eben jene Verkäufer die jungen Erwachsenen während ihrer Ausbildungs-und Studienzeit kontaktiert.
In einem Simon-Kucher-Projekt für Versicherer haben wir uns daher auf das Anwerben von Familienverbünden konzentriert. Das Ergebnis: Über einen langjährigen Durchschnitt konnte beim Verkauf der Versicherungsprodukte ein Plus von 1,8 Prozent erzielt werden. Nichtsdestotrotz können Versicherer auch über gewisse Social-Media-Kanäle niedrige CPO-Werte (Cost per Order) erzielen. Die großen Volumentickets liegen aber im persönlichen Umfeld.
Wie gelingt das? Durch eine optimierte Ausrichtung des Marketing-Spend – das Gießkannenprinzip und das Bauchgefühl haben hingegen schon lange ausgedient. Vielmehr sollten Marketingmaßnahmen auf der Grundlage von Datenauswertungen, zielgruppen- und kanalspezifisch sowie strategisch umgesetzt werden. So können Kosten gesenkt und Umsätze gesteigert werden. Unsere Erfahrung bei Kundenprojekten zeigt, dass bei besserem Kundenverständnis der ROAS (Return on Ad Spend) der Versicherungsunternehmen um mehr als 20 Prozent erhöht werden konnte und der ROMI (Return on Marketing Invest) außerdem einen Uplift zwischen 12 und 36 Prozent erzielte.
Auf die orchestrierte Nutzung aller Kanäle kommt es an
Um online möglichst viele direkte Interaktionen mit potenziellen Neukunden zu generieren, sollten Versicherer eine Strategie für Vergleichs- und Suchportale entwickeln und bei Teilnahme dann dort gut positioniert sein. Schließlich liegen sie, was den Impuls bei der Suche nach einer geeigneten Versicherung angeht, nur knapp hinter dem persönlichen Umfeld. Wer diese Online-Kanäle in seine Marketingstrategie integriert, kann die Kundenbindung stärken und kostengünstig organisches Wachstum erzielen.
Alle Kanäle dabei miteinander zu verzahnen, ist der Schlüssel zum Erfolg. Denn mehr als jeder Dritte der Gen Z, der seine erste KFZ- oder Hausratversicherung bei einem Verkäufer vor Ort erworben hat, wechselt für den zweiten Versicherungsabschluss zu Online-Kanälen. Wohingegen über die Hälfte der Umfrageteilnehmer, die ihre erste Versicherung über ein Vergleichsportal abgeschlossen hat, diese Option auch bei ihrer zweiten Versicherung ausgewählt hat.
Nur 20 Prozent der Onlinekäufer wechselten zum persönlichen Kauf. Versicherer sollten daher unbedingt die Customer Journey und Experience verbessern, um die Kunden bei sich zu halten. Das damit verbundene Potenzial ist immens. Wie eine weitere Simon-Kucher-Studie belegt, können sich über 90 Prozent der Kunden vorstellen, ihre Versicherungen bei einem Anbieter zu bündeln – und das unabhängig von ihrem Alter.
Vertrauen ist der Anfang von allem
Wichtig ist, dass Versicherer das Interesse der Kunden im Laufe der Customer Journey immer wieder hochhalten. Dass hier allerdings noch deutlich Luft nach oben ist, zeigt die Simon-Kucher-Studie: Selbst unter jenen Umfrageteilnehmern, die über Berufsverkäufer den Impuls zum Kauf einer Versicherung bekommen haben, informieren sich jeweils gleich viele über Online-Kanäle wie über traditionelle Verkäufer.
Die Informationssuche ist demnach ein Punkt in der Customer Journey, an dem Versicherungsmakler- und verkäufer die Gen Z zu verlieren drohen. Um die Kunden im Kauf-Prozess zu halten, müssen Versicherer und Makler zu vertrauensvollen Partnern werden, an die sich die Generation Z jederzeit wenden kann. Denn besonders hier schlummert großes Potenzial. Immerhin schließen 88 Prozent der jungen Erwachsenen, die sich über einen Versicherungsmitarbeiter informieren, auch offline ihre Verträge ab – ein Schatz, der gehoben werden sollte.
Erste Police als Grundstein für eine lange Kundenbeziehung
Allerdings müssen Versicherer hier schnell sein, sonst verpassen sie das Zeitfenster, in dem sie die Kunden an sich binden können. Schließlich haben Kundinnen und Kunden bereits mit 35 Jahren einen Großteil ihrer Versicherungen abgeschlossen. Die Kundenbindung beginnt also sinnvollerweise mit dem ersten Versicherungsabschluss – Versicherer sollten alles daran setzen, die gute Kundenbeziehung anschließend nicht durch eine schlechte Customer Experience zu verspielen.
Da eine erneute Neukundengewinnung mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist als der Ausbau des Geschäfts mit Bestandskunden, sollte das Cross-Selling-Potenzial gerade bei der Generation Z nicht ungenutzt bleiben. Dafür müssen Versicherer jedoch insbesondere die Kundenberatung neu denken. Eine kundenzentrierte Kommunikation der relevanten Produkteigenschaften ist der Dreh- und Angelpunkt.
Bestenfalls verkaufen Versicherer bereits im Erstgespräch ein weiteres Produkt. Die Erfahrung zeigt: Kunden sind dann generell offener, sich auch für andere Lebensbereiche mit Versicherungen zu befassen. Daher sollten Versicherungsmakler- und Verkäufer auch in diesem Gespräch gleich ein konkretes zweites Bedürfnis ansprechen und das Interesse der jungen Kunden für ein weiteres Produkt wecken. Entscheidet sich der Kunde nicht direkt dafür, ist es ratsam, einen zeitnahen Folgetermin zu vereinbaren, bei dem eine weiterführende Beratung stattfindet.
All das erhöht die Chancen, eine starke Kundenbeziehung aufzubauen und nicht nur einen, sondern zwei Abschlüsse verbuchen zu können. Versicherer müssen sich also rechtzeitig und umfassend um die Gen Z und Millennials bemühen. Nur so können sie zu einem Partner für die Zukunft werden – ganz egal, ob gerade die Absicherung des ersten Hausrats und die Versicherung des ersten Autos anstehen oder frühzeitig das Fundament für die private Altersvorsorge gelegt werden soll. Dafür ist allerdings ganz wesentlich, bereits beim Kaufimpuls und der Informationssuche eine Rolle zu spielen und als vertrauensvoller Ansprechpartner wahrgenommen zu werden.
Ansonsten gehen die jungen Kunden früher oder später in der eigenen Customer Journey verloren und wechseln zu Aggregatoren. Und auf alten Beständen kann sich kein Versicherer langfristig ausruhen. Die Zukunft und der Erfolg sind eng verknüpft mit der Jugend von heute. Für die Zukunft sollten Versicherer aber auch die Entwicklungen hinsichtlich Impuls, Informationssuche und Abschluss stets im Blick behalten, um auf Veränderungen schnell reagieren zu können.
Der Autor Frank Gehrig ist Partner in der Global Insurance Practise beim Beratungsunternehmen Simon-Kucher.