Halver-Kolumne: „Der Euro ist stark wie Popeye, aber gibts künftig noch genügend Spinat?“

Robert Halver
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Robert Halver, Baader Bank

Gegenüber der Leitwährung US-Dollar ist der Euro eindeutig stark. Aber wie nachhaltig ist diese Stärke der europäischen Einheitswährung? Und wie hoch ist die Gefahr einer erneuten Schwindsucht?

Unterschiedliche Zinsbewegungen sind wichtige Einflussfaktoren bei der Währungsentwicklung. So war der US-Dollar 2022 aufgrund der aggressiven Zinserhöhungspolitik der Fed bei gleichzeitiger Behäbigkeit der EZB der klare Währungs-Gewinner. Doch wird die US-Notenbank bald ihren Zinserhöhungszyklus nicht nur beenden, sondern wegen nachlassender Inflation und Wirtschaftsabkühlung sogar umkehren. Wie Duracell-Klatschhasen werden dagegen die EZB-Direktoren nicht müde, mit Blick auf die hartnäckig hohe Kerninflation weitere Zinssteigerungen in Aussicht zu stellen. Daher sollte sich die seit Jahresende 2022 zu beobachtende Euro-Stärke gegenüber US-Dollar fortsetzen, oder?

Doch wie restriktiv wird die EZB tatsächlich sein? Zurzeit bricht die Kaufkraft in Europa mit ca. 7 Prozent ein, so dass ein Realzins deutlich unter null eigentlich nur wenig Euro-Freude aufkommen lässt. Und da unsere Währungshüter die Euro-Welt retten müssen, scheiden harte Zinserhöhungen zur Erreichung des Inflationsziels aus. Ja, im Sommer wird restriktive Zinspolitik auch bei uns Geschichte sein. 

Damit ist zinsbedingt jede Euphorie über eine große nachhaltige Stärke des Euros fehl am Platz. 

Ende des uni- und Anfang des multipolaren Währungssystems?

Vermeintlich mehren sich die Anzeichen, dass der US-Dollar seine Allmacht als Weltleitwährung verlieren könnte. Käme es so, würde dies dem Euro durchaus Wasser auf seine Mühlen leiten.

Ohne Frage ist es vielen Ländern ein ideologischer Dorn im Auge, dass die Finanz- und Wirtschaftswelt $-zentristisch ist. Das gilt sowieso für Russland und Amerikas Hauptkonkurrenten China, aber ebenso für arabische, asiatische und südamerikanische Staaten wie Brasilien unter Präsident da Silva. Der „Klassenfeind“ soll geschwächt werden, dem aus dem Währungs-Privileg klare ökonomische Vorteile erwachsen: Mit jedem Tanken, mit jedem Rohstoffeinkauf erhalten die USA und sein Dollar ungefragt Kredit.

Doch so einfach ist die Mission „Smash the Dollar“ nicht. Stellen wir uns dazu einen brasilianischen Kaffeeproduzenten vor. Naheliegend wäre es zwar, wenn er den Handel mit China nur über einen Währungstausch Yuan gegen Real statt zweifach zuerst über Yuan in Dollar und dann Dollar in Real abwickelt.

Doch macht der brasilianische Exporteuer nicht nur Geschäfte mit China, sondern mit Ländern und Regionen unterschiedlichster Währungen. Er müsste sich also teuer gegen diverse Wechselkursschwankungen absichern. Zudem machen ungeplante Umsatzveränderungen die Absicherungsgeschäfte selbst unsicher. Erhöht daraufhin der Produzent seine Risikoprämie durch höhere Verkaufspreise, geht dies zu Lasten seiner Wettbewerbsfähigkeit. 

Im Vergleich ist ein unipolares Währungssystem einfacher und billiger. Egal, mit wem man Außenhandel in welchem Umfang auch immer betreibt, man hat es nur mit dem US-Dollar zu tun.

Als alternative Handelswährung scheitert der Yuan ohnehin schon an seiner eingeschränkten Konvertierbarkeit. Überhaupt hält Peking den Daumen auf den Yuan, um Export- und Importpreisschwankungen zu minimieren.

Insgesamt ist der Status des US-Dollars als Weltleitwährung nicht wirklich gefährdet, so dass auch der Euro daraus keinen indirekten Nektar ziehen kann.

Und was sagt der weite Blick auf die Währungen?

Bei der langfristigen Wechselkursbestimmung spielen Standortfragen eine entscheidende Rolle. So sorgten Finanzstabilität, Zuverlässigkeit, Qualität und permanente Innovationskraft nicht nur dafür, dass Deutschland wachstumsstarker Industrie- und Exportweltmeister wurde, sondern in der Folge mit der Deutschen Mark auch über eine der härtesten Währungen der Welt verfügte. Die Währung ist immer die Visitenkarte eines Landes.

Von diesen „deutschen Tugenden“ ist mittlerweile der Lack ab und in Europa wurde er nie wirklich aufgetragen. Die vereinbarten Stabilitätskriterien wurden mittlerweile dramatisch gelockert, damit der europäische Verbund bloß nicht auseinanderbricht. Genau das aber torpediert das Leistungsprinzip.  Warum sich anstrengen, wenn der Euro-Versicherungsverein und die EZB einspringen? 

Sowieso spricht Europa in der Migrations-, Wirtschafts-, Steuer-, Renten- und auch Außenpolitik mit gespaltener Zunge. Wie will man da geopolitisch gegenüber Amerika, Russland oder China bestehen? Und mit Moral allein gegen autoritäre Regime anzutreten, verspricht genauso wenig Erfolg wie den Fuchs zum Vegetarier machen zu wollen.  

Erschwerend kommt die Überzeugung unserer Politiker hinzu, dass mehr Staat die Lösung ist, obwohl jeder mit Blick in die Vergangenheit feststellt, dass dieser Ansatz noch nie irgendwo von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt war. Doch scheint das Ausleben der Ideologie mit der staatlichen Knute für viele Sendungsbewusste geradezu faszinierend zu sein. Ideologie ersetzt jedoch keine ordentliche Wirtschaftspolitik. So mancher der uns Regierenden glaubt tatsächlich die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Ja, es sind Löffel, aber leider nur Schaumlöffel. Viele energiesensitive Industrien haben längst auf diese Weisheiten reagiert und orientieren sich Richtung Amerika, das attraktive marktwirtschaftliche Anreize übrigens auch in puncto Energiewende setzt.

Wir reden konkret von Deindustrialisierung. Und das Beispiel Großbritannien lehrt, dass Industrie, die einmal weg ist, nicht wiederkommt. Haben unsere wirtschaftlichen Koryphäen in Berlin wirklich vergessen, dass Deutschland nach der Finanzkrise auf einen intakten industriellen Kern zurückgreifen konnte, während die Briten in den Wohlstandverlust schlitterten?

Dabei ist so manche Ideologie nicht wasserdicht. Viele, die sich ihr Häuschen teilweise vom Mund abgespart haben, um mietfrei zu wohnen, wissen nicht, wie sie CO2-senkende Sanierungen bezahlen sollen. Gleichzeitig pusten Kohlekraftwerke unendlich viel Dreck in die Luft und wird umweltschädliches Flüssiggas bei lupenreinen Diktaturen bestellt. Das ist keine Prinzipientreue, keine Ideologie, sondern Heuchelei.  

Insgesamt spielen wir mit unserer Zukunft. Daher gibt es auch keinen Grund für einen langfristig robusten Euro. Niemand soll sich etwas darauf einbilden, dass der Euro im Moment so Popeye-stark ist. Wenn wir so weitermachen, ist längerfristig selbst die Parität zum US-Dollar nicht zu halten. Dann sind wir noch nicht einmal halbstark.

Es fehlt einfach das notwendige Kraftfutter, der Spinat.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

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