Nach der Finanzkrise 2008 wurden die Banken im Euro-Raum radikal reguliert, was deutsche Institute mit international hohen Marktanteilsverlusten bezahlten. Umso ärgerlicher ist es, dass einige schwarze Banken-Schafe in Amerika und in der Schweiz die systemrelevanteste und global meistvernetzte Branche erneut dem Risiko einer Vertrauenskrise aussetzen. Und inwiefern sollen Notenbanken noch für Preisstabilität sorgen, wenn sie die (Banken-)Welt retten müssen?
Die Bankenrettung wird ein Erfolg, weil sie ein Erfolg werden muss
Es wäre „bekloppt“ gewesen, einen Zusammenbruch der Nr. 2 im Schweizer Bankenmarkt zu riskieren. Wenn bereits die Pleite von Klein-Lehman – einer Bank ohne Einlagen- und Kreditgeschäft – das Weltfinanzsystem an die Klippe geführt hat, wäre es mit der Zahlungsunfähigkeit der systemrelevanten Credit Suisse definitiv mit allen fatalen wirtschaftlichen Konsequenzen abgestürzt. In diesem Zusammenhang ist es auch richtig, dass die Notenbanken alle Bankenrisiken vorbeugend in Liquidität ersäufen. Das Vertrauen in Banken als ultimative Währung, das zuletzt abwertet, muss wieder aufwerten. Einlagen von Privaten und Firmen müssen weiter den Status „Heilige Kuh“ behalten.
Dass u.a. der Euro ansteigt und das Geld nicht inflationär in den sicheren Hafen US-Dollar fließt, zeigt, dass kein Dominoeffekt bei Banken befürchtet wird. Uff, noch einmal Glück gehabt.
„Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“
Wieso haben nicht alle die Lektion aus dem Lehman-Schock gelernt oder lernen wollen? Warum haben Aufsichtsbehörden offensichtlich Scheuklappen aufgehabt? So waren die Probleme und Skandale der Credit Suisse schon lange bekannt und trotzdem wurden großzügige Boni für die Manager gezahlt. Spätestens als im letzten Jahr Einlagen im Schweinsgalopp abgezogen wurden, hat man gewusst, dass dort, wo Rauch aufsteigt, auch Feuer ist. Es war grob fahrlässig, nicht die Löschzüge sofort ausrücken zu lassen, um selbst die kleinste Gefahr einer großen Feuersbrunst für die gesamte Bankenwelt zu eliminieren. Nicht zuletzt geht es um das Nationalheiligtum der Schweizer Bankenkultur.
Aber kritisch muss auch nach Amerika geschaut werden. Es ist völlig legitim, dass Regionalbanken Startups unter die Arme greifen, um die wirtschaftliche Zukunft der USA zu fördern. Nicht zuletzt nutzt Amerika den prosperierenden High-Tech-Sektor als nicht militärische Waffe im Kampf gegen den Erzrivalen China.
Dennoch muss man den „Zukunftsbanken“ auf die Finger schauen, auch, ob sie sich ordentlich gegen mögliche Liquiditätskrisen wappnen. Es wäre blauäugig, anzunehmen, dass nur die Silicon Valley Bank ein Problemkind ist.
Es macht stinksauer, wenn einige schwarze Schwäne die Stimmung am gesamten Schwanensee versauen. Für Banken-Kritiker ist das ein gefundenes Fressen. Jetzt werden wieder alle Institute in einen Sack gesteckt und draufgehauen, weil man ohnehin immer den Richtigen trifft. Leider verkennen sie, dass die Banken im Euroraum nach der Finanzkrise an die ganz kurze Leine genommen wurden. Damit wollten dieselben Politiker, die die Banken erst massiv dereguliert hatten, damit sie möglichst auf einer Stufe mit angelsächsischen Finanzhäusern stehen, anschließend Wendehals-mäßig von eigenen Fehlern ablenken.
Während wir aber unserer Institute teilweise kaputtreguliert haben, wurden in anderen Ländern Regeln weniger scharf formuliert oder wieder gelockert oder man schaute weniger konsequent hin. Theoretisch müsste es zumindest in der westlichen Welt einheitliche Bankenregeln geben. Praktisch würden sich die USA jedoch niemals von uns in ihre Banken-Suppe spucken lassen.
Vor diesem Hintergrund haben deutsche Banken im internationalen Wettbewerb an Gewicht verloren, was auch Geschäftspotenziale schmälert. Vielversprechende kleine „Garagen-Unternehmen“ aus der Eurozone zieht es viel lieber zu amerikanischen Banken und Börsen, weil es dort mehr Risikokapital gibt und von der Politik weniger „Hau ab-Spray“ versprüht wird. Auch deutsche Industrie-Urgesteine wie Linde zieht es über den großen Teich.
Und bereits starke ausländische Banken trumpfen zu unseren Lasten immer noch mehr auf. Keine Frage, mit der Zwangsfusion von UBS und Credit Suisse wird der bereits Große noch größer. Angesichts großzügiger Hilfen von Staat und Schweizerischer Nationalbank sowie attraktiver Geschäftsbereiche, die die Credit Suisse auch hat, kann sich die UBS über den Schmerz der Züricher Zwangsehe mit einer sehr üppigen Mitgift hinwegtrösten. Die Bilanzsumme der neuen UBS entspricht ca. dem Zweifachen der Schweizer Wirtschaftsleistung. Really too big to fail.
Bei der Schweizer Bankenrettung wurde der Steuerzahler weniger, dafür aber die Aktionäre und Inhaber von Nachranganleihen deutlich mehr herangezogen. Sogenannte AT-1-Anleihen wurden nach der Finanzkrise 2008 eingeführt. Wie Katastrophenanleihen sollen sie in Krisenzeiten einen zusätzlichen Risikopuffer bilden. Jetzt grämen sich viele Gläubiger dieser Anleihen über Totalverluste. Tut mir leid, sie wussten von den hohen Risiken, die ja mit mehr Renditeaufschlag vergütet wurden. Übrigens sollte man in der Bankenwelt immer wissen, wem man was sagt. So mancher, der in Interviews bei großen Börsensendern kundtat, der Credit Suisse kein neues Geld zu gewähren und damit schlafende Hunde weckte, muss dafür jetzt viel Lehrgeld zahlen.
Grundsätzlich werden die für Eigner und Gläubiger verlustreichen Rettungsaktion zu höheren Refinanzierungskosten für Banken führen. Anleger werden Investments in sie viel kritischer beäugen. Wie hoch sind die Ausfallrisiken? Was wird als Risikoaufschlag verlangt? Das werden auch die Kunden und Firmen in Form von verschärften Kreditstandards und -zinsen zu spüren bekommen, was schließlich auch konjunkturschädigend wirkt.
Finanz- geht vor Preisstabilität
Aufgrund der Verhinderung von Ansteckungseffekten wird die bis vor wenigen Tagen von den Notenbanken noch so inbrünstig verkündete Fortsetzung des Kampfs für Preisstabilität mit weniger Dampf betrieben. Zunächst ist die reichliche Zurverfügungstellung von Liquidität durch die konzertierte Aktion der Notenbanken inflationsfördernd, nicht -begrenzend. Daneben ist in den USA nur noch eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte zu erwarten. Ab Herbst werden von den Finanzmärkten Zinssenkungen erwartet. Ebenfalls wird die EZB nachgiebiger, so dass ihre stabilitätspolitische Offensive nur von kurzer Dauer war. Insgesamt ist die Zinserhöhungsangst im Frühsommer Geschichte.
Und die Inflation? Sie wird zwar weiter zurückkommen, aber nicht wirklich befriedigend. Das gewiefte Marketing der Geldpolitik wird dennoch betonen, dass doch die Richtung stimmt und dass man aufgrund der verzögerten Wirkung der Zinserhöhungen bloß nicht überreizen darf. Ach unsere Notenbanker, sie finden doch immer die richtigen Worte.
Jedoch muss die Geldpolitik einen Tod sterben. Mangelnde Preisstabilität nimmt man eher in Kauf als kaputte Finanzsysteme. Aus der Rettungsnummer kommt sie nicht mehr heraus, denn Finanzkrisen werden nie aussterben.
An Bankenrettung geht kein Weg vorbei, ansonsten gehen die Tore der Finanz-Hölle auf. Aber umsonst ist sie nicht zu haben. Irgendwie werden wir alle zur Kasse gebeten.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725