Die Halver-Kolumne: Nightmare im Silicon Valley mit Überschwappen auf den Gesamtmarkt?

Robert Halver
Foto: Dirk Beichert
Robert Halver

Amerikanischen High-Tech-Größen mit einer gewissen Selbstgefälligkeit tut es gut, wenn ihnen die chinesische Revolution einen Zacken aus der Krone bricht. Klar ist aber, dass Silicon Valley nicht über Nacht zweitklassig geworden ist. Kolumne von Robert Halver, Baader Bank

Nicht genug, dass die Zinssenkungsphantasie ausläuft und damit die hohen Bewertungen von High-Tech noch kritischer beäugt werden. Jetzt schocken auch noch die Chinesen mit ihrem neuen KI-Chatbot „DeepSeek“, der es mit der amerikanischen Konkurrenz scheinbar aufnehmen kann. Ist das ein Vorzeichen drohenden Unheils, dass die Dominanz der US-High-Tech-Unternehmen bröckelt? Besteht so die Gefahr, dass die bislang beherrschenden Mag7 auch den Gesamtmarkt in Mitleidenschaft ziehen?  

Kürzung der Zinskürzungen, aber…

Verringertes US-Zinssenkungspotenzial heißt nicht Zinserhöhungsgefahr. Auch am Anleihenmarkt gehen die Renditen nicht durch die Decke. Es finden sich offensichtlich immer noch genügend Investoren, die den US-Rentenmarkt mögen.

Und Japan bleibt trotz überschaubarer Zinserhöhungen eine Liquiditätsmaschine. Denn mit Blick auf Japans Verschuldung, wogegen die USA fast der Hort der Finanzstabilität sind, wären massive Zins-Schocks verheerend. Und da der Zins-Spread vom Ausland gegenüber Japan nach wie vor attraktiv ist, bleibt die Geldaufnahme in Japan und -anlage im Westen ein Golfstrom für die Finanzwelt. 

Was ist aber mit dem Zinserhöhungsdruck durch US-Zölle? Allein mit der Androhung des Ausreitens der Zoll-Kavallerie soll die Gegenseite gefügig gemacht werden. An Kolumbien zeigt sich der Erfolg. Es ist davon auszugehen, dass das „Opportunismusvirus“ auch in anderen Ländern um sich greift. Wenn zum Beispiel mehr US-Flüssiggas gekauft wird, können radikale Zinserhöhungen ausbleiben.

Und wo keine hohen Zölle, da auch keine hohe Inflation, keine hohen Zinsen und insofern weniger Gefahr für High-Tech.

Strukturkrise im High-Tech-Sektor?

Das chinesische Unternehmen DeepSeek hat kürzlich seinen KI-Chatbot R1 veröffentlicht, der der amerikanischen Version scheinbar kosteneffizient und leistungsfähig Paroli bieten kann. Dieser für Virtual America ungewohnte Schock eines chinesischen „Jungspunds“ folgt nur ein paar Tage nach der Ankündigung eines milliardenschweren KI-Projekts, das signalisieren sollte, dass die Sonne für das Silicon Valley nie untergehen wird.

US-IT ist ein maßgeblicher Treiber für die Börsen insgesamt. Allein die Gruppe der Mag7-Aktien macht nahezu 30 Prozent der US-Marktkapitalisierung aus. Wenn sie eine Erkältung bekommen, bekommt dann der weltweite Aktienmarkt die Grippe?

Anleger sollten Ruhe bewahren. Zunächst sind Konsolidierungen bei US-High-Tech nach so langen Börsenhaussen gesund. Auch auf die längste Sonnenperiode folgt irgendwann Regen.  

Amerikanischen High-Tech-Größen mit einer gewissen Selbstgefälligkeit tut es zudem gut, wenn ihnen die chinesische Revolution einen Zacken aus der Krone bricht. Klar ist aber, dass Silicon Valley nicht über Nacht zweitklassig geworden ist. Eine Schwalbe macht auch in China noch keinen Sommer. Nicht zuletzt geht es um Datensicherheit und authentische Information. Zum Thema Taiwan sind hier die Unterschiede zwischen ChatGPT und DeepSeek unverkennbar.  

Grundsätzlich werden beide Seiten zukünftig alle Register ziehen, um kostenseitig und in puncto Produktivität immer besser zu werden. Neben den Volkswirtschaften kommt dies ebenso den High-Teck-Kursen zugute.

In diesem Zusammenhang sind die massiven Finanzmittel, die die Amerikaner in die Hand nehmen, kein herausgeworfenes Geld. Wenn schon die weniger leistungsfähigen Chips den Chinesen attraktive Anwendungen bieten, wie viel größer sind dann die Potenziale mit den amerikanischen Überflieger-Chips? Und wenn alle Stricke reißen, könnte Amerika – es wäre sicher nicht die feine englische Art – DeepSeek in den USA verbieten oder es zum Verkauf an ein amerikanisches Unternehmen zwingen.


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Das heißt allerdings nicht, dass amerikanische High-Tech-Werte völlig immun sind. Die Geschäftsmodelle werden von nun an stärker unter die Lupe genommen. Nur die Harten kommen in den Garten.

Dass aber Anleger nicht den gesamten Tech-Sektor in einen Sack packen und draufschlagen, weil es immer den richtigen trifft, ist eine gute Nachricht für das High-Tech-Lager, das grundsätzlich weiter von seiner Sonder-Konjunktur profitiert. Das Blutbad bei dem einen führt bei anderen eher nur zu Nasenbluten. Es wird z.B. zwischen typischen KI-Titeln und Werten, die die neuen technischen Möglichkeiten nutzen, klar selektiert. Und so gibt es keine Sippenhaft. Übrigens dürfte zukünftig die zweite Tech-Reihe an Bedeutung gewinnen. Sie sind innovativ, weniger teuer und Übernahmeobjekte.

Korrekturen hat und wird es immer wieder geben. Selbst für Rainmaker ist der Himmel nicht immer wolkenlos. Für massive Kursverluste bei einzelnen High-Tech-Werten, die einen Crash am gesamten Aktienmarkt auslösen, spricht aber nichts. Mehr Volatilität ist dennoch zu erwarten, was aktientypisch ist.

Für die Stabilität am Aktienmarkt im Allgemeinen spricht ohnehin ein anderes Thema. Die Konjunktur bessert sich, langsam, aber sicher, zuerst in den USA und dann auch weltweit. Damit sind zyklische Werte gefragt. Aber auch mit Dividendenwerten wird der Markt breiter. Der Markt ist also nicht mehr nur von High-Tech abhängig.  

Ist es nicht erfreulich, dass der kürzliche Kursrutsch bei High-Tech zyklischere Indices wie Dow Jones und DAX ziemlich kalt gelassen hat?

Bei Aktien und ihren Schwankungen ist es wie in einer normalen Beziehung. Es mögen auch einmal die fetzen fliegen, aber am Ende ist man doch froh, dass man sich hat.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash. 

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725

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