Nirgendwo sonst prallen staats- und marktwirtschaftliche Ansichten so frontal aufeinander wie beim Steuerthema. Aktuell fordern die einen, über mehr Steuern mehr soziale Gerechtigkeit zu finanzieren. Für die anderen sind Steuererhöhungen Gift für die Konjunktur. Die Vergangenheit zeigt, dass immer höhere Steuern den Wohlstand nicht steigern, sondern sogar schrumpfen. Denn sie bremsen das Leistungsprinzip, vor allem beim Staat.
Der Staat hat da zu sein, wenn er gebraucht wird, aber er muss auch seine Grenzen kennen
Zu einem humanistischen Menschenbild gehören natürlich Sozialleistungen für Bedürftige. Nehmen wir z.B. alleinerziehende Mütter. Wenn aber jetzt wieder behauptet wird, Deutschland sei sozial kalt und ungerecht, ist das ein politisch leicht durchschaubares Spiel. Die obersten 10 Prozent der Besserverdienenden zahlen rund die Hälfte der Steuern. Bei den oberen 30 Prozent sind es sogar 80 Prozent. Ohne diese „Reichen“ – die Facharbeiter gehören dazu – wären Strom- und Gashilfen nur mit noch mehr Schulden möglich.
Politiker sollten sich hüten, aus wahlpopulistischen Gründen eine Gefälligkeitsökonomie mit immer mehr staatlichen Leistungen zu installieren, die als Susi-Sorglos-Paket vermeintlich alle Probleme löst. Dieser Schuss geht nach hinten los. Bürger gewöhnten sich schnell an die vermeintlich guten Gaben vom Nachtwächterstaat. Das erzieht zur Behäbigkeit, obwohl wir originär gar nicht behäbig sind und das Leistungsprinzip gerät immer mehr in die Defensive. Eigenverantwortung einzufordern, ohne einen politischen Shitstorm wegen sozialer Kälte auszulösen, wird schwieriger.
Die Angst vor dem Wähler macht dann den Weg zu noch mehr Steuerstaat und Umverteilung unumkehrbar und die hart arbeitende Bevölkerung muss noch mehr Früchte ihrer Arbeit abgeben. Leistung lohnt sich immer weniger.
Doch all das stört viele in der Ampelregierung sitzende Politiker nicht die Bohne. Sie halten Staatswirtschaft für das beste aller Gesellschaftssysteme, das Nonplusultra. Nur so ließe sich ein moralisch gutes Deutschland mit besserem Gesellschaftsmodell und glücklicheren Menschen schaffen. Dabei will sich die Bevölkerungsmehrheit von einer selbsternannten „Eliten-Minderheit“ gar nicht glücklich machen lassen.
Und um dieser Gutmensch-Wirtschaft auf die Beine zu helfen, braucht man natürlich immer mehr Personal und Experten. Tatsächlich wurden viele Bundesministerien aufgeblasen wie Luftballons an Kindergeburtstagen.
In diesem „Club“ ist man unter sich, alle haben die gleichen Ansichten. Mit so einer „Meinungs-Inzucht“ ist eine ordentliche Debattenkultur immer schwieriger. Diese aber zeichnet eine Demokratie mit freier Meinungsäußerung aus, um mit These und Antithese schließlich zur Synthese, zu guten Fortschritten zu kommen. Denken Sie einmal an die früheren heißen Diskussionen zwischen SPD und Union.
In der eigenen, selbstgerechten Ideologie-Blase sitzend, vermehren sich Weltverbesserungsprojekte wie Karnickel und die Steuerzahler sollen die Happy Moral Hour auch noch ungefragt bezahlen. Und es gibt ja noch so viele Möglichkeiten, uns das Steuer-Fell über die Ohren zu ziehen. Wie wäre es z.B. mit einer Luftsteuer, die jeder zahlt, der CO2 ausatmet? Zum Schluss macht der Staat auch vor der privaten Altersvorsorge nicht Halt, die sich viele mühsam vom Mund absparen. Der gute Zweck heiligt eben die Mittel.
Das Leistungsprinzip gilt vor allem auch für den Staat
Immer mehr Steuern machen aber auch den Staat selbst faul. Warum dringend notwendige Wirtschaftsreformen durchführen, wir haben doch die Umverteilung im Sinne Robin Hoods. Und wenn alle Stricke reißen, haben wir noch die EZB. Warum Geld- und Finanzpolitik spalten, versöhnen ist angesagt. Damit bleibt die Inflation zwar grundsätzlich hoch. Aber ein bisschen Verlust ist ja immer. Doch so kann man sich wenigstens prima entschulden.
Aber sollte es nicht zum Nachdenken anregen, dass wirtschaftsstarke Länder wie Amerika oder die Emerging Markets diesen deutschen Weg nicht gehen? Sie wissen, dass Länder mit zu viel Steuerbelastung, staatlicher Gesundbetung und Wirtschaftsfeindlichkeit immer wieder auf die Schnauze gefallen sind. Und sie wissen, dass Politiker manchmal zu ihren Bürgern – wie Eltern zu ihren Kindern – streng sein müssen, wenn eine Besserung eintreten soll. Unsere Konkurrenten scheinen diesen Erziehungsstil in einer immer wettbewerbsbrutaleren Welt erfolgreich zu praktizieren.
Auch Deutschland ist nach dem II. Weltkrieg diesen Weg gegangen. Der Staat hat die Rahmendaten des ökonomischen Fußballplatzes gesetzt, die Akteure ansonsten aber frisch, fromm, fröhlich, frei, spielen lassen. Nur so war es möglich, Wirtschaftswachstum und Massenwohlstand zu schaffen: Die Soziale Marktwirtschaft.
Diese Tatsachen spielen bei vielen der uns Regierenden, denen jede wirtschaftliche Bildung fehlt, keine Rolle. Festgeklebt auf ihrer Straße der Ideologie glauben sie, die Wirtschaftsweisheit mit Löffeln gefressen zu haben und verschwenden keinen Gedanken daran, dass es vielleicht doch nur der Schaumlöffel war. Zu all dem hört und sieht man vom Regierungschef derzeit so wenig wie vom Yeti. Wollte er nicht Helmut Schmidt 2.0 werden?
Wie kann man in Deutschland, das in einer durch langjährige Untätigkeit selbstverschuldeten Struktur- und Identitätskrise steckt, überhaupt an Steuererhöhungen denken? Sollen noch mehr Firmen aus Deutschland abwandern und ihre Wirtschaftskraft und Arbeitskräfte mitnehmen?
Wenn sich Leistung bei uns immer weniger lohnt, wird sie woanders erbracht. Das Ausland, z.B. Amerika, freut sich über neue Talente und unsere Industrieperlen wie ein Hund, wenn Frauchen oder Herrchen nach Hause kommen. Apropos Hund, die amerikanischen Fressnäpfe wurden von Washington zuletzt prall mit viel gutem Fleisch gefüllt. Wenn bei uns immer mehr Schonkost verabreicht wird, wird irgendwann der treueste Hund stiften gehen.
Und wenn es dann bei uns wirtschaftlich immer weniger läuft, brauchen wir immer mehr Steuererhöhungen zur Kompensation. Steuererhöhungen heute bereiten also neue Steuererhöhungen morgen vor, die – weil sie Wachstum hemmen – übermorgen noch weiter erhöht werden, ein Teufelskreis.
Nur eine Politik, die Individuen und Firmen statt mit planwirtschaftlicher Gängelei und Steuerknebel viele marktwirtschaftliche Freiheiten erlaubt, um smarte Ideen auch über Anreize umzusetzen, bringen einen Nährboden hervor, mit dem auch die Potenziale der Energiewende zu unser aller Nutzen gehoben werden. Sonst findet dieser Wohlstand nur in Amerika und China statt.
Leider fehlt mir im Moment die Phantasie, wie sich die festgeklebte Ideologie, die uns in Sippenhaft nehmen will, lösen lässt und einem wieder pragmatischen Wirtschaftsverkehr Platz macht.
Es mag bürgerlich-spießig klingen, aber Leistung muss sich wieder lohnen, vor allem auch für den Staat. Ansonsten wird jeder Tag zum wirtschaftlichen Aschermittwoch.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725