Für europäische und deutsche Genugtuung besteht aber kein Anlass. Um nachhaltig auf allen Feldern Stärke zu zeigen, muss die Parole heißen: Fight, Fight, Fight!
Protektionistischer Übermut tut selten gut
Nach dem Wahlsieg von Trump schien „Abschwung“ aus dem amerikanischen Sprachgebrauch genauso verbannt zu sein wie „Golf von Mexiko“. Der neue US-Präsident verbreitete viel Aufbruchstimmung und versprach ein goldenes Zeitalter für Amerika.
Aktuell ist jedoch eher die Rede von falschem Gold, von Katzengold, auch als Narrengold bekannt. Die US-Börsen spielen bereits eine Wachstumsschwäche durch.
Schuld daran ist nur Trump. Zunächst, die von seinem Adlatus Elon Musk propagierte, nicht nur Null-Diät im Staatshaushalt, sondern der Radikal-Gewichtsverlust schafft Entzugserscheinungen, sorgt für Reibungsverluste und Unruhe in der öffentlichen Verwaltung. Es ist unstrittig, dass Uncle Sam unter Adipositas Grad III leidet. Aber langfristig kontinuierliche Gewichtsabnahme ist gesünder.
Und gegenüber Trumps Handelspolitik ist die launische April-Witterung eine stabile Wetterlage. Zölle mal ja, dann ausgesetzt, dann doch wieder oder doch nur vielleicht, danach nicht so hoch, vielleicht nur vorübergehend oder doch permanent. Bei Trumps Zöllen scheinen auch Rachegedanken eine Rolle zu spielen. Persönliche Gefühle haben aber in der Politik und bei der einer Weltmacht nichts zu suchen. Die vielen US-Unternehmen, die auf internationale Lieferketten angewiesen sind, müssen bei der Kalkulation ihrer Einkaufspreise schier verrückt werden.
Ohne Planungssicherheit werden Unternehmen nur ungern Jobs schaffen, die in der öffentlichen Verwaltung durch Musks Kahlschlag ohnehin zur Mangelware werden. Und wenn sich erst einmal das Gerede von wirtschaftlicher Abschwächung verbreitet, wirkt das auf die Konsumlaune der Amerikaner wie ein leerer Fressnapf auf den hungrigen Hund.
Und was versprechen sich Trump und seine Kettenhunde von ihrer „erfrischend“ anderen Diplomatie? Sie führen sich auf wie Hooligans und behandeln Geschäftspartner und Verbündete wie Vasallen und Übernahmeobjekte. Dazu gehört auch der Umgang mit der Opposition. Hat man im Weißen Haus vergessen, dass für die Anhebung des Schuldenlimits auch Stimmen der Demokraten nötig sind? All das kommt der internationalen Reputation der USA nicht zugute und kostet neben Sympathie- auch Wachstumspunkte. Eine Weltmacht darf fordert, sie fördert aber auch.
Für die US-Administration ist dies alles nur eine Phase des Übergangs. Und was glaubt Washington was an dessen Ende steht? Sind dann alle gegenüber Trump zu Kreuze gekrochen wie früher willfährige Handwerker bei seinen Immobilienprojekten? Die Gegenseite kann sich keine großen Schwächen leisten, denn die werden von Trump schamlos ausgenutzt.
Und so ist die allgemeine Verunsicherung in Amerika groß. Wie lange dauert diese Transition und was macht sie in der Zwischenzeit für Welt- und auch US-Wirtschaft kaputt? Denn wenn in Amerika kein Stein mehr auf dem andern bleibt, ist auch die eigene Statik in Gefahr.
Für Überheblichkeit ist in Europa und Deutschland kein Platz
Die Angst vor Trumpcession verfehlt ihre Wirkung nicht. So fallen die Sentix-Konjunkturerwartungen Amerikas für die nächsten sechs Monate fast wie ein Stein, während die in Deutschland und der Eurozone wie Spargel im Frühjahr sprießen.
Grafik: Sentix Konjunkturerwartungen für die nächsten 6 Monate

Und die aktuell relative Stärke des Euros gegenüber US-Dollar und vor allem der europäischen und deutschen Aktienmärkte gegenüber der amerikanischen Konkurrenz ist auch bemerkenswert, weil selten. Tatsächlich gehören Rezessionsgerüchte und zollbedingt steigende Inflationserwartungen nicht zu den Lieblingsgerichten an der Wall Street. Vor allem die High-Tech-Unternehmen spüren Trumps Magerkost.
Für selbstgefällige Arroganz und Selbstgefälligkeit ist in Europa und Deutschland kein Platz. Wenn Amerika als große Konjunkturlokomotive an Zugkraft verliert, wird es uns im Status „Weiter so“ nicht lange gelingen, relative Stärke zu behalten.
Ohnehin sollte Amerika nie abgeschrieben werden. Es ist ein Stehauf-Männchen, für das gilt: „Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.“ An einer richtigen Rezession können Trump und seine Gang kein Interesse haben. Er mag sich und Amerika in den eigenen Finger schneiden. Die Hand wird er nicht riskieren.
Vor diesem Hintergrund haben es Europa und Deutschland selbst in der Hand, dass ihre Vorschusslorbeeren nicht bald wieder verblühen, sondern Dauergrün erreicht wird.
Immerhin hat sich die europäische Rhetorik gewandelt. Neben militärischer Stärke soll Europa auch wieder mit Wirtschaftswachstum glänzen. Und grundsätzlich hat die zukünftige Bundesregierung die gigantischen Strukturprobleme Deutschlands endlich erkannt und will viel Schuldengeld in die Hand nehmen, um diese zu lösen. Wenn andere ihre Wettbewerbsfähigkeit auf Pump steigern, können wir unsere zahlreichen Sanierungsfälle nicht kultivieren.
„Erst das Land, dann die Partei“ klingt in der Theorie gut
Aber allein viel hilft nicht unbedingt viel. Es kommt darauf an, was man damit macht. Die Angst bei der nächsten Wahl weiter an AfD und Linke zu verlieren, handicapt die kleinen großen Koalitionäre bei großen Würfen, zumal bei Zweidrittel-Mehrheiten auch andere noch ihren Senf dazu geben. Insgesamt werden die neuen Schulden zu wenig für die Zukunftssicherung und zu sehr für die Erhaltung der alten bequemen Behäbigkeit ausgegeben.
Im Sondierungspapier von Union und SPD fehlt es an notwendigen harten Strukturmaßnahmen in Verwaltung, bei wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und auch in der Altersversorgung. Kein Wunder, die neue Mehrheit im Bundestag ist nicht so groß, dass Reformen sicher beschlossen werden.
Und das Sparen im Staatshaushalt kommt auch zu kurz. Jede „Errungenschaft“ wird von Regierungsbeamten eisern verteidigt. Dazu gehört leider auch staatliche „Schattenwirtschaft“. Die Kettensäge muss nicht zum Einsatz kommen. Aber eine robuste Gartenschere schon. Sowieso wären angesichts der deutschen Mega-Verschuldung Reformen und Sparmaßnahmen notwendig, um Inflation und Renditeanstiegen bei Anleihen und damit Kreditverteuerungen in Grenzen zu halten.
Auf den alten Ruinen sollte man nicht aufbauen. Der Untergrund ist nicht stabil genug. Gerne lasse ich mich aber bei den konkreten Koalitionsverhandlungen eines Besseren belehren.
Ansonsten wird der Nährboden nicht ausreichend gedüngt und gewässert, um mit der Saat neuer Finanzmittel reiche Frucht, d.h. möglichst viel Wachstum und Produktivitätsfortschritt, zu erzielen. Aber nur so kann Europa und sein stärkstes Land Deutschland für eigene geopolitische und wirtschaftliche Stärke mit Wirkung auf seine Aktien kämpfen.
Wer kämpft, kann verlieren, aber wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Mit Wertpapieranalyse und Anlagestrategien beschäftigt er sich seit Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums 1990. Halver verfügt über langjährige Erfahrung als Kapitalmarkt- und Börsenkommentator. Er ist aus Funk und Fernsehen bekannt und schreibt regelmäßig für Cash.
Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.roberthalver.de/Newsletter-Disclaimer-725