Die klassische Lebensversicherung ist klinisch tot

Dirk Schmidt-Gallas von Simon-Kucher & Partners

Gesunkene Zinsen, schwindende Garantiegrundlagen, steigende Lebenserwartung – diese drei Faktoren bedeuten faktisch das Aus für die klassische Lebensversicherung mit Garantien. Eine Wiederbelebung des Geschäfts sei nur möglich mit neuen Produktangeboten und einem schnellen Umdenken im Vertrieb. Das zeigt die aktuelle Markteinschätzung von Simon-Kucher & Partners.

Gesunkene Zinsen, schwindende Garantiegrundlagen, steigende Lebenserwartung – diese drei Faktoren bedeuten faktisch das Aus für die klassische Lebensversicherung – mit Garantiezins beziehungsweise Garantie der eingezahlten Beiträge. Eine Wiederbelebung des Geschäfts sei nur möglich mit neuen Produktangeboten und einem schnellen Umdenken im Vertrieb. Das zeigt die aktuelle Markteinschätzung von Simon-Kucher & Partners.

„Die Lebensversicherer müssen sich jetzt neu aufstellen und ihre Produkt- sowie Vertriebsstrategie anpassen“, sagt denn auch Dirk Schmidt-Gallas, Senior Partner und Leiter der Versicherungs-Practice bei Simon-Kucher & Partners. Und fordert drei Schritte, die unerlässlich seien, um das Geschäft wiederzubeleben.

Produkte einfacher und transparenter gestalten

„An erster Stelle kommt es jetzt auf Produktinnovationen an“, betont Schmidt-Gallas. Rund 99,5 Milliarden Euro hätten die Versicherer in Deutschland nach Informationen des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) allein im vergangenen Jahr durch Lebensversicherungen eingenommen – 11,3 Prozent mehr als im Vorjahr. „Das ist ein riesiges Potenzial für die Versicherer“, so Schmidt-Gallas.

Abgesehen vom Garantieproblem, das immer mehr Versicherer nun durch eine Absenkung der Garantie der eingezahlten Beiträge lösten, seien viele Versicherungslösungen in diesem Bereich für den Verbraucher aber oft noch zu intransparent.

„Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung, bei der es Verbraucher gewöhnt sind, alle Informationen immer und überall auf ihrem Smartphone verfügbar zu haben, werden es solche Produkte künftig schwer haben“, so Schmidt-Gallas.

Er sieht stattdessen ein großes Nachfragepotenzial für einfache und transparente Produkte, die sich primär auf das Ansparen von Kapital für das Alter fokussieren – als Kapitalsammel- und -anlagestellen verfügten die Versicherer hier über eine enorme Erfahrung.

Aufgrund des langfristigen Investmenthorizonts würden sich für Versicherer bei alternativen Investments beispielsweise in Infrastruktur und Real Assets durchaus Renditechancen bieten. Gepaart werden sollten diese Lösungen dann mit Versicherungslösungen für Biometrie-Produkte.

Vertrieb stärker an den Bedürfnissen der Verbraucher ausrichten

„Mit Blick auf die Provisionen ist für Versicherungsvertreter und Makler der Anreiz groß, Kapitallebensversicherungen zu verkaufen“, ergänzt Frank Gehrig, Partner sowie Insurance, Sales & Pricing Specialist bei Simon-Kucher & Partners.

„Das bestehende Vertriebsmodell ist allerdings auf Dauer nicht nachhaltig und geht in vielen Fällen am Bedarf der Kunden vorbei“, so Gehrig. Eine vorgeschaltete Bedarfsanalyse sei heute im Vertrieb von Versicherungs-lösungen insbesondere im Bereich Lebensversicherungen wichtiger denn je. Dies biete gleichzeitig eine große Chance. Das werde am Beispiel von Biometrie-Produkten deutlich.

Die Covid-19-Pandemie habe den Menschen vor Augen geführt, wie wertvoll die eigene Gesundheit ist und wie leicht Erkrankungen Auswirkungen auf die berufliche Leistungsfähigkeit haben können, erläutert Gehrig weiter.

Sein Rat: Die Versicherer sollten ihren vertrieblichen Fokus deshalb aktuell neben dem Verkauf von Risikolebensversicherungen auf Produkte zur Absicherung von Invaliditätsrisiken wie Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit richten – sowie auf die Grundfähigkeitsversicherung für diejenigen, für die aufgrund ihres Alters oder Berufes eine Berufsunfähigkeitsversicherung kostenmäßig nicht in Frage komme.

„Viele Versicherer sind bereits in diese Richtung gegangen. Es hapert also nicht am Angebot, sondern am Verkauf“, sagt Schmidt-Gallas. Entscheidend sei dabei die übergeordnete Argumentation für das Angebot. Die laute derzeit: „Sichern Sie Ihre biometrischen Risiken ab.“

Das Kauferlebnis für die Kunden optimieren

„Wenn Lebensversicherer dabei die Conversion Rate erhöhen wollen, sollten sie ein reibungsloses, angenehmes Kauferlebnis schaffen“, lautet der ergänzende Rat von Schmidt-Gallas. Es gebe bereits digitale Angebote im Markt, bei denen die Hürde für den Versicherungsabschluss bewusst sehr niedrig sei.

Statt teure und langwierige medizinische Untersuchungen zu absolvieren, können Verbraucher innerhalb von zehn Minuten online eine Lebensversicherung oder eine Absicherung gegen Biometrie-Risiken abschließen. Dazu reicht ein Selfie. Per Gesichtsanalyse-Technologie werden dabei sofort BMI, Alter, Geschlecht und die für viele Produkte in diesem Bereich relevante Raucherindikation ermittelt.

„Mit der Kombination aus neuen Produkten, einer zielgerichteten Ansprache der Verbraucher und einem positiven Kundenerlebnis können Versicherer dem Produkt Lebensversicherung neues Leben einhauchen“, so Schmidt-Gallas. (dr)

Foto: Simon-Kucher & Partners

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