Die Neue Klassik und der neue Garantiezins

Lars Heermann
Foto: Assekurata
Lars Heermann, Assekurata: "Wir gehen davon aus, dass viele Tarife der Neuen Klassik überarbeitet werden."

EXKLUSIV Der steigende Garantiezins macht Produkte der Neuen Klassik attraktiver. Ohne Anlagen in Fonds und Indices droht dennoch der Abgesang. Von Silvia Fischer

Produkte der Neuen Klassik definiert Assekurata in der „Marktstudie zu Überschussbeteiligungen und Garantien 2024” als modifizierte Form der Klassik mit reduzierten und endfälligen Garantien und meist keiner vollständigen Bruttobeitragsgarantie. Die Kapitalanlage erfolge im Sicherungsvermögen, Überschüsse würden zum Teil in Fonds angelegt. Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH, sagt jedoch: „Die Produkte in der Neuen Klassik sind am Markt nicht einheitlich konzipiert. In der Praxis unterscheiden sich die Tarife vor allem hinsichtlich der Verwendung der Überschussbeteiligung und der Gestaltung der Garantien”.

Entsprechend sind mit Neue Klassik nicht zwangsläufig Tarife mit Invests in Fonds oder Indices gemeint, was beispielsweise ein Beitrag von Focus Money von Anfang des Jahres zeigt. Die Gothaer ist hier mit der „GarantieRente” und die Alte Leipziger mit „AL Rente Klassik Pur” vertreten. Beide Produkte investieren nicht in Fonds oder Indices und zählen auch nicht mehr zu den Highlights der Anbieter. Die Gothaer „GarantieRente“ zahle ab Rentenbeginn den höchsten der drei folgenden Beträge aus: Die Rente, die sich aus dem vorhandenen Vertragsguthaben und dem zu Rentenbeginn aktuellen Rentenfaktor ergebe oder die, die sich aus dem vorhandenen Vertragsguthaben und dem garantierten Mindestrentenfaktor ergebe oder die garantierte Mindestrente.


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Der bei der ersten Variante verwendete aktuelle Rentenfaktor werde bei Berücksichtigung der Rechnungszinserhöhung steigen. Dadurch könne es im Vergleich zu 2024 bei Rentenbeginnen ab 2025 zu höheren Renten kommen. Bei der Alte Leipziger Lebensversicherung habe die Neue Klassik keine feste Beitragssummen-, sondern eine Sparbeitragsgarantie, wodurch sich bei Tarifen der Generation 2025 die Rechnungszinserhöhung positiv auf das garantierte Kapital zu Rentenbeginn auswirke. Bestandskunden profitierten von einer Besserstellungsprüfung zu Rentenbeginn: bei besseren Rechnungsgrundlagen werde die zu zahlende Rente danach berechnet.

Der Volkswohl Bund prüft bei der Neuen Klassik im Rahmen der Günstigerprüfung zu Rentenbeginn, ob der garantierte oder der aktuelle Rechnungsfaktor höher ist. Da man wegen der Rechnungszinsanpassung die Rentenfaktoren erhöhen werde, erhalte der Kunde unter Umständen zu Rentenbeginn einen höheren Faktor und damit eine höhere Rentenleistung, betont der Versicherer. Neukunden erhielten ab Vertragsabschluss im zweiten Halbjahr 2024 die Garantie, dass der Vertrag 2025 automatisch mit einem höheren garantierten Rentenfaktor versehen werde.

Trotz maximaler Sicherheit und Planbarkeit, die die Neue Klassik durch die Anlage im Sicherungsvermögen bietet, sagt Jens Oliver Martin, Leiter Produktmanagement bei der Alte Leipziger Lebensversicherung a.G.: „Wir registrieren (…) bei unseren Kunden mit hohem Sicherheitsbewusstsein eine wesentliche stärkere Nachfrage nach Alternativprodukten zur Neuen Klassik, bei denen die Anlage im Sicherungsvermögen um eine Fondsanlage ergänzt wird”.

Die Alte Leipziger biete beispielsweise die flexible Rente „AL_RenteFlex”, bei der Kunden das Verhältnis aus Anlage im Sicherungsvermögen und Fondsanlage selbst wählen und im Laufe der Zeit anpassen könnten. Es gebe eine Garantie für das Guthaben in der klassischen Anlage; keine Bruttobeitragsgarantie, so Martin. Alternativ könnten sich Kunden mit der smarten Rente „AL_DuoSmart” darauf verlassen, dass ihre Beiträge so zwischen klassischer Anlage im Sicherungsvermögen und dynamischer Anlage in Fonds umgeschichtet würden, dass eine Mindestbeitragsgarantie von 80 Prozent eingehalten und gleichzeitig die bestmögliche Rendite erwirtschaftet werde. Diese Umschichtungen übernehme der Versicherer.

Bei guter Wertentwicklung könne die Garantie zu Rentenbeginn weiter ansteigen, also ein „Rundum-Sorglos-Paket“ mit hoher Sicherheit für den Kunden. Dynamische Hybridprodukte (mit Umschichtung zwischen Fonds- und Sicherungsvermögen) böten durch die Zinserhöhung einen höheren Anteil der Fondsanlage bei gleichem Garantieniveau. Dies steigere die Renditechancen. Bei statischen Hybridprodukten (ohne Umschichtung) erhöhe sich das Garantiekapital zu Rentenbeginn, während die gewählte Beitragsaufteilung zwischen Sicherungsvermögen und Fondsanlage unverändert bleiben könne.

Die Neue Klassik gehört nicht zu den Lead-Produkten

Laut der Gothaer profitieren sicherheitsorientierte Vorsorgesparer bei der Neuen Klassik von der Anhebung des Höchstrechnungszinses durch höhere garantierte Leistungen. „Allerdings sind die erwarteten Renditen solcher Produkte noch immer deutlich geringer als bei Produkten, die gar keine oder nur geringere Garantien beinhalten. Durch geringere Garantieleistungen und/oder die Anlage von Teilen des Versicherungsbeitrages beispielsweise in Indices oder Fonds können höhere Renditen erwirtschaftet werden”, sagt Alexander Kraftschik, Leiter Geschäftsfeld Altersvorsorge bei der Gothaer.

Die Neue Klassik werde auch nach der Zinsanhebung nicht zu den Lead-Produkten des Hauses zählen. Die Vermittler würden die Kunden hinsichtlich der zu erwartenden Rendite beraten. Die „GarantieRente” bleibe für sicherheitsorientierte Sparer im Portfolio, man erwarte aber keine höhere Nachfrage. „Eines unserer Lead-Produkte ist die Gothaer „GarantieRente Index”. Dabei handelt es sich um ein dynamisches 2-Topf-Hybrid. Im Produkt sind unterschiedliche Beitragsgarantien von 50 bis 90 Prozent wählbar”, so Kraftschik. Zusätzlich profitierten die Sparer von Gewinnen, die die hinterlegten Indices erwirtschafteten. Dieses Produkt kombiniere daher Sicherheit und Renditechancen.

Diese Verbindung kennzeichnet auch die Indexpolice „KLASSIK MODERN” des Volkswohl Bundes. Der Kunde habe drei Möglichkeiten, seine Überschüsse zu verwenden: „Index Chance“, „Index Zins“ und die sichere Verzinsung „Klassik Zins“. Bei „Index Chance” und „Index Zins” beteilige sich der Kunde mit seinen jährlichen Überschüssen an einem Index nach Wahl, beispielsweise DAX, DAX Risk Control 10 oder EURO STOXX 50, betont der Volkswohl Bund. Dabei würden positive Wertentwicklungen per Quote auf das gesamte Vertragsguthaben umgelegt. Besonderheit sei, dass keine Negativrenditen möglich seien. „Index Zins” habe sogar eine Mindestrendite, die aktuell bei ein Prozent liege. Bei „Klassik Zins“ würden die Überschüsse direkt gutgeschrieben. Der Volkswohl Bund erwarte eine steigende Nachfrage nach „KLASSIK MODERN”.

Durch die verbesserten Rechnungsgrundlagen und die damit einhergehende Erhöhung der garantierten Rentenfaktoren erhielten sicherheitsorientierte Kunden eine noch stärkere Altersvorsorge ohne negative Renditen. Aktuell biete man mit 3,2 Prozent eine überdurchschnittliche Überschussbeteiligung. Die Alte Leipziger gehe für 2025 von einem gleichbleibenden Neugeschäft bei der Neuen Klassik aus. In den vergangenen Jahren habe sich die Nachfrage nach Produkten, die Garantie und Ertragschancen verbänden, verstärkt. „Allerdings geht der Trend deutlich stärker in Richtung reiner Fondspolicen ohne Garantien”, so Martin. Der neue Höchstrechnungszins mache Hybridprodukte als Alternative zur Klassik zwar attraktiver, aber man erwarte keine Trendwende weg von Fondspolicen.

Nur wenige kalkulieren noch mit dem alten Rechnungszins

Laut der Assekurata Studie zur Neuen Klassik kalkulieren derzeit nur noch wenige Anbieter in der Aufschubphase mit einem Garantiezins in Höhe des aktuellen Höchstrechnungszinses von 0,25 Prozent Die meisten Versicherer legten einen geringeren oder gar keinen Garantiezins zugrunde. In der Rentenbezugsphase dagegen kalkulierten die Versicherer meist noch mit dem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent. Auch bei den Kapitalgarantien zum Ende der Aufschubzeit gehe der Markt stark auseinander. Eine Bruttobeitragsgarantie von 100 Prozent sei mit dem derzeitigen Höchstrechnungszins nicht mehr üblich. Häufig liege die garantierte Leistung um 90 Prozent, teilweise auch darunter. Mit der anstehenden Zinserhöhung dürfte sich das Bild jedoch verschieben. Versicherer würden dadurch bei der Produktgestaltung wieder flexibler, da sich mit höherem Rechnungszins die erforderliche Deckungsrückstellung für garantierte Leistungen verringere. Somit stünde ihnen kalkulatorisch wieder ein größerer Spielraum für Garantien zur Verfügung.

„Wir gehen daher davon aus, dass viele Tarife der Neuen Klassik überarbeitet werden und das Garantieniveau in der Anspar- und Rentenphase tendenziell steigen wird”, sagt Heermann. Sicherheitsorientierten Sparern ermögliche die Neue Klassik, das Kapital zu schützen und von der Überschussbeteiligung zu profitieren, wobei der Sicherheitsaspekt typischerweise im Vordergrund stehe. Die Neue Klassik verfüge über vergleichsweise hohe Garantien, beispielsweise als garantierte Mindestrenten, garantierte Rückkaufswerte und Mindest-Ablaufleistungen.

Durch die Erhöhung des Garantiezinses werde entweder der Preis der Garantie geringer oder die Renditechance höher, da bei gegebener Garantie die chancenreichen Anlagen in den Produkten gestärkt oder höhere garantierte Leistungen in der Anspar- und Rentenphase einkalkuliert würden. Auch wenn dies je nach Tarifkonstruktion unterschiedlich wirke, würden die Produkte gerade für sicherheitsorientierte Sparer wieder attraktiver.

Mit steigendem Angebot habe der Kunde auch mehr Wahlfreiheit. Ob dies aber tatsächlich die Nachfrage beleben werde, hänge neben der Konjunktur auch von der Entwicklung der Zinsen und Konditionen von Bank- und Festgeldanlagen ab. Vielen Sparern in Deutschland sei bei Geldanlagen Sicherheit sehr bedeutend. Diese würde bei kapitalbildenden Versicherungen häufig mit Garantien gleichgesetzt, wobei Kunden besonderen Wert auf den weitestgehenden Erhalt des eingesetzten Kapitals legten – unabhängig von den Kapitalmarktentwicklungen. Hier könne die Neue Klassik punkten.

Renditen im Auge behalten

Allerdings sollte man auch die Rendite im Auge behalten, um Rentenlücken zu schließen. Bei der Neuen Klassik zähle daher auch Finanzstärke und Überschussbeteiligung des Anbieters. Die steigenden Beitragsgarantien fänden viele Vorsorgesparer positiv. Sie seien aber kein Allheilmittel. Vollständige Beitragsgarantien verringerten zwar das Risiko von Marktschwankungen, limitierten aber die Ertragspotenziale und könnten zu einem Kaufkraftverlust durch Inflation führen. Daneben könnten Kunden auch Aspekte wie Flexibilität, Nachhaltigkeit und Risikovorsorge der Produkte wichtig sein. Laut Heermann erfordert es viel Know-how, um die Zusammenhänge zu verstehen und das passende Produkt zu finden. Qualifizierte Beratung spiele hier eine zentrale Rolle.

Erwarten die Versicherer, dass Produkte mit höherer Beitragsgarantie wieder mehr nachgefragt werden? Nein, sagt die Gothaer. Könnte sein, sagt die Alte Leipziger, allerdings gehe man bei einem Garantiezins von ein Prozent nicht von einer Renaissance der 100 Prozent Beitragsgarantie aus. Ja, sagt der Volkswohl Bund. Auch könnte man sicherheitsorientierte Kunden, die alternative Produkte außerhalb der Versicherung gewählt hätten, wieder gewinnen.

Autorin Sylvia Fischer ist Diplom-Betriebswirtin und Journalistin (FJS)

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