In den vergangenen Wochen hat die zuständige EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness die Diskussion um ein mögliches Provisionsverbot angeheizt. Die Debatte wird häufig sehr emotional geführt. Sowohl Gegner als auch Befürworter des Provisionsverbots führen immer wieder die Erfahrungen des britischen Marktes ins Feld.
2013 wurde die Retail Distribution Review (RDR), die unter anderem das Provisionsverbot einführte, in Großbritannien umgesetzt. Wichtig ist es, RDR nicht isoliert zu sehen und auch nicht auf das Provisionsverbot zu beschränken.
Der britische Markt ist stark reguliert
Die intensive Regulierung des Finanzmarktes begann schon vor mehr als 35 Jahren und hatte einen größeren Verbraucherschutz und höhere Transparenz zum Ziel. So mussten Vermittlerinnen und Vermittler bereits 1988 die Kosten in Prozent offenlegen, 1995 kam es dann zur „harten“ Offenlegung in Pfund. Zehn Jahre später wurde das sogenannte Menu eingeführt. Hier wurde genau aufgeführt, welche Leistung wie viel kostet und die Kundinnen und Kunden konnten individuell wählen, welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen. 2008 wurden dann die Grundsätze des Treating Customer Fairly eingeführt. Warum ist das wichtig?
Großbritannien war bereits vor der Einführung des Provisionsverbotes ein sehr stark regulierter Markt mit einer hohen Transparenz. Die Einführung der RDR war dann der nächste konsequente Schritt und mehr als nur die Einführung des Provisionsverbotes. Zusätzlich wurden die Qualifikationsstandards für Vermittler und Transparenzanforderungen nochmals deutlich erhöht.
Wichtig und häufig übersehen wird, dass das Provisionsverbot nur im Vertrieb von Altersvorsorge- und Ansparprodukten wie Rentenversicherungen oder Investmentfonds gilt, nicht aber für Risiko-Lebensversicherungen, Biometrieprodukte und das Sachgeschäft.
Konsequenzen des Provisionsverbots in UK
Was waren nun die Auswirkungen? Positiv zu beurteilen ist, dass die Qualifizierung und Professionalisierung der britischen Berater deutlich zugenommen hat und damit auch die Qualität der Beratung gestiegen ist. Auch die Transparenz hat sich noch einmal erhöht. In dieser Beurteilung ist man sich in Großbritannien größtenteils einig.
Kommen wir aber zu den negativen Punkten, die auch in Deutschland immer wieder thematisiert werden. Hat das Provisionsverbot tatsächlich zu einem Vermittlersterben in Großbritannien geführt? Die Frage ist mit einem Nein zu beantworten. Ein Großteil der Vermittler hatte bereits vorher, auch im Zuge der erwähnten früheren Regulierungsmaßnahmen, das Geschäft eingestellt. Bei Einführung des Provisionsverbotes gab es noch rund 35.000 unabhängige Beraterinnen und Berater. Die Zahl ging leicht zurück, ist inzwischen aber wieder auf demselben Niveau.
Dennoch gab es eine massive negative Auswirkung. Die großen Banken haben sich nahezu komplett aus der Altersvorsorgeberatung zurückgezogen. Dies ist eine Entwicklung, die in Deutschland bei einem Provisionsverbot auch nicht unwahrscheinlich ist, die aber viel zu selten angesprochen wird.
Es droht eine Beratungslücke
Eine weitere negative Auswirkung ist das Entstehen einer Beratungslücke (Advice Gap). Der Großteil der Bevölkerung kann oder will sich die Honorarberatung nicht leisten. Laut den letzten Berechnungen werden aktuell gerade einmal acht Prozent von unabhängigen Beratern beraten. Vor Einführung des Provisionsverbotes waren es übrigens auch nur 13 Prozent, die sich aktiv Beratung gesucht haben. Fakt ist, dass sich die unabhängigen Berater in Großbritannien auf vermögende Kundinnen und Kunden mit durchschnittlicher Anlagesumme von etwa 150.000 Euro fokussieren.
Die Advice Gap sorgt im Ergebnis dafür, dass Menschen mit niedrigem Einkommen, die dringend Unterstützung zu Finanzfrage, Vermögenausaufbau und richtigem Investment nötig hätten, faktisch von individueller, persönlicher Beratung ausgeschlossen sind. Auch wenn diese Zahlen bei einem Provisionsverbot in Deutschland womöglich ein wenig anders aussehen würden, so ist dennoch die Frage, ob ein Vermittler einen 50-Euro-Ansparvertrag in einer Honorarwelt überhaupt kostendeckend vermitteln könnte. Aus meiner Sicht würde auch in Deutschland eine Advice Gap drohen. Vor dem Hintergrund ist es für mich auch immer wieder überraschend, wie vehement der Verbraucherschutz die Einführung eines Provisionsverbotes fordert.
Ist die Beratungslücke aber in Großbritannien gleichbedeutend mit einer Vorsorgelücke? Nicht unbedingt. Kunden schließen häufig direkt online, aber entsprechend ohne Beratung ab. Darüber hinaus gibt es in Großbritannien eine verpflichtende betriebliche Altersvorsorge mit Opt-out-Möglichkeit, die sehr einfach ist und gerade von Menschen mit geringeren Einkommen sehr oft genutzt wird.
Was gegen ein Provisionsverbot spricht
Wäre ein Provisionsverbot in Deutschland sinnvoll? Ich denke, dass es keine Notwendigkeit gibt, ein Provisionsverbot in Deutschland einzuführen. Die häufig genannten Argumente von Fehlanreizen durch Provisionen oder gar Provisionsexzessen kann ich in der breiten Masse nicht erkennen. Bei Einzelfällen muss natürlich entsprechend dagegen vorgegangen werden. Ein allgemeines Provisionsverbot halte ich aber für den falschen Weg.
Das Nebeneinander von Provision und Honorar sollte auf jeden Fall bestehen bleiben. Die negativen Entwicklungen in Großbritannien sind zumindest teilweise auch in Deutschland nicht auszuschließen und würden vor allem Menschen mit geringeren Einkommen treffen. Dies sollte auf jeden Fall verhindert werden. Gerade aus Sicht des Verbraucherschutzes ist aus meiner Sicht ein Provisionsverbot nicht der richtige Weg.
Es sollte vielmehr daran gearbeitet werden, die Transparenz über Kosten und Leistungen der unabhängigen Beraterinnen und Berater noch stärker voranzutreiben und diese noch offener zu kommunizieren. Dazu gehört es auch, die Vergütung noch individueller auszugestalten. Unabhängige Berater leisten mit ihrer qualitativ hochwertigen Beratung eine sehr wichtige Tätigkeit, die auch entsprechend vergütet werden sollte – ob in Form einer Provision oder eines Honorars ist aus meiner Sicht von der jeweiligen Situation abhängig.