Die Odysseus-Strategie der Kapitalanlage

Ein probates Bestimmungsmaß für die Allokationsentscheidung jedoch, ist der sogenannte „Excess Flow“ – jener Zufluss an Mitteln, der sich als „Mehr“ gegenüber dem Zufluss in andere Anlageformen ergibt. Nach der Methode von John Chalmers et al. werden dafür berechnet:

1.     Die Nettomittelzuflüsse („Net Flows“) je Fondsgattung im Betrachtungszeitraum. In unserem Fall werden dafür die Zu- und Abflüsse saldiert.

2.     Die „Asset Weighted Flows“, d. h. die mit den Fondsbeständen gewichteten Nettomittelzuflüsse. Diese können als Vergleichsmaßstab („Benchmark“) gesehen werden, an jener die „Flows“ je nach Fondsgattung gemessen werden. Die „Asset Weighted Flows“ ergeben sich aus der Summe der Nettomittelzuflüsse je Fondsgattung und werden multipliziert mit dem Quotienten aus dem Bestand („Net Assets“) der jeweiligen Fondsgattung und dem Gesamtportfolio der Vorperiode.

3.     In einem dritten Schritt ergeben sich daraus die „Excess Flows“ je Fondsgattung: Von den Nettomittelzuflüssen werden die „Asset Weighted Flows“ subtrahiert und durch die Gesamtfondsbestände der Vorperiode dividiert.

Aus dieser Betrachtung wird deutlich, dass es über den untersuchten Zeitraum zu einer bewussten Höhergewichtung der Multi-Asset-Fonds kam.

Trend zur Allokierung renditeträchtiger Anlageformen

Diese Entwicklung zeigt sich für Deutschland über die letzten rund 13 Jahre sehr deutlich. Während Aktienfonds in der relativen Betrachtung der „Excess Flows“ sowie in der absoluten Betrachtung der Portfoliogrößen an Boden verloren, wurde der Anteil renditeträchtiger – dafür aber auch volatilerer – Anlageformen wohl über Multi-Asset-Fonds allokiert. In Frankreich und Italien war der Trend zu Multi-Asset-Fonds weniger stetig, aber dennoch merklich.

Interessant ist dann auch eine Betrachtung der „Excess Flows“ als Zeichen einer bewussten Veränderung der Allokation – im direkten Vergleich mit der Performance der Leitindizes: Für Deutschland und Italien sowie partiell für Frankreich wird dabei deutlich, dass es auch während guter Phasen an den Aktienmärkten zu einer Verringerung der Aktiengewichtung kam. Dieser Entwicklung standen aber stärkere Zuflüsse in Multi-Asset-Fonds gegenüber. D. h. die Anleger konnten über dieses Vehikel an der Aktienmarktperformance teilweise partizipieren.

Multi-Asset-Produkte sind eigenständige Anlagevehikel

Insgesamt sieht es also so aus, als würden Multi-Asset-Produkte von den Anlegern sehr gezielt als eigenständiges Anlagevehikel wahrgenommen werden – und nicht als Korrelat oder Substitut anderer Fondsgattungen. Die „Odysseus-Strategie der Kapitalanlage“ als Strategie der Selbstbindung mittels Multi-Asset-Fonds zwecks Überwindung der typischen Verhaltensmuster von Anlegern gewinnt immer mehr an Bedeutung.

Autor Hans-Jörg Naumer ist Global Head of Capital Markets & Thematic Research AllianzGI.

Foto: Andreas Varnhorn

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