Die private Krankenversicherung hat kein strukturelles Problem mit zu hohen Beiträgen, sagt Michael Franke, geschäftsführender Gesellschafter von Franke und Bornberg. Im Interview mit Cash. erklärt er zudem, was einen guten privaten Krankenversicherer ausmacht.
Sie hatten im Frühjahr den 19. Map-Report zur privaten Krankenversicherung veröffentlicht. Was sind die zentralen Erkenntnisse? Und gab es Überraschungen?
Franke: Gänzlich unerwartete Ergebnisse gab es nicht. Dafür sind viele Versicherer schon zu lange dabei und die meisten Entwicklungen verlaufen stetig. Bei den Top-Anbietern gab es leichte Verschiebungen. Das überrascht nicht, da einige Kennzahlen von Beitragsanpassungen beeinflusst werden. Diese Effekte gleichen sich daher langfristig wieder aus.
Zu beobachten ist, dass die lange Niedrigzinsphase inzwischen auch im Bestand in fast allen Tarifwerken ihre Spuren hinterlässt und für größere Sprünge bei der Beitragsentwicklung sorgen kann.
Wichtig ist es daher, den Kunden und der Öffentlichkeit verständlich zu erläutern, welche Beitragseffekte die Krankenversicherer lediglich „durchreichen“ müssen, und dass unter diesen Rahmenbedingungen immer noch vergleichsweise gute Stabilität und ein objektiv hohes Leistungsniveau angeboten wird.
Wo sehen Sie bei den privaten Krankenversicherern die großen Herausforderungen in den kommenden Jahren?
Franke: Von der Abhängigkeit der PKV von den politischen Entscheidungsträgern einmal abgesehen, ist hier zum einen die anhaltende Niedrigzinsphase zu nennen, die für höhere Beiträge auf der einen und sinkende Überschüsse auf der anderen Seite sorgt.
Zum anderen steigen die Krankheitskosten unaufhaltsam. Beide Faktoren liegen weitgehend außerhalb des Einflusses der Branche. Hier sind neue Ansätze gefordert, um Kosten zu senken, ohne gleichzeitig die Versorgung der Kunden zu verschlechtern.
Unser Eindruck ist, dass die Anbieter diese Chancen auch bereits erkannt haben und zunehmend in Prävention und Gesundheitsmanagement investieren.
Welchem PKV-Segment gehört Ihrer Meinung nach die Zukunft: Den Volltarifen, den Zusatzversicherungen oder doch der betriebliche Krankenversicherung (bKV)?
Franke: Unserer Ansicht nach liegt im Moment klar die Zusatzversicherung vorn, was das Interesse von Vermittlern und auch Kunden angeht. Hier ist auch noch Potenzial vorhanden, nehmen Sie nur einmal die finanzielle Lücke, die vielen gesetzlich versicherten Arbeitnehmern mit dem Bezug von Krankengeld bei einer längeren Arbeitsunfähigkeit droht.
Auch das Thema Pflege wird langsam, aber stetig wachsen, denn immer mehr Menschen beschäftigen sich mit dem Thema. Bei der betrieblichen Krankenversicherung hängt der Erfolg stark von stimmigen Produktkonzepten ab.
Diese müssen einfach und attraktiv gestaltet sein, damit sie ohne große Beratung platziert werden können.
Es gibt 32 private Krankenversicherer. Und in der PKV-Tarifwelt rund 1.400 unterschiedliche Leistungsaussagen. Das Problem ist, so lautet eine Kritik von Service Value, dass es selbst den Unternehmen nicht gelingt, das Leistungsportfolio des eigenen Tarifangebots transparent und verständlich am Markt zu positionieren. Wie bewerten Sie diese Aussage? Ist die Tarifwelt wirklich so intransparent?
Franke: Ein PKV-Bedingungswerk ist nun mal sehr umfassend, weil viele Leistungspositionen in den unterschiedlichen Versorgungsbereichen geregelt werden müssen.
Damit ergeben sich allerdings auch für den Versicherer vielfältige Möglichkeiten, die Erstattungspraxis seiner Tarife zu gestalten. Im Positiven wie im Negativen. Sei es durch Höchstsätze, durch prozentuale Begrenzungen oder durch Differenzierung der Qualität der Versorgungsform.
Für potenzielle Kunden sind diese „versteckten Selbstbehalte“ wie wir sie nennen, oft nicht erkennbar und auch viele Vermittler tun sich mit der Materie schwer.
Damit ergeben sich für spezialisierte BeraterInnen aber auch gleichzeitig Chancen, mit Fachwissen und auf die Kundensituation abgestimmter Beratung ein attraktives Kundenklientel zu erschließen.
Gerade die PKV steht häufig wegen vermeintlich zu hoher Beiträge für ältere Versicherte und großer Beitragssprünge im Kreuzfeuer der Kritik. Ist dem wirklich so?
Franke: Dass die PKV tatsächlich ein strukturelles Problem hat mit zu hohen Beiträgen im Alter, können wir nicht erkennen. Vieles hängt aber wiederum von der Qualität der Beratung und Aufklärung ab.
Ein später Einstieg in die PKV, ein hoher Risikozuschlag, der mit jeder Beitragsanpassung mitwächst, Höchstleistungstarife oder auch ein später Wechsel des Versicherers sind vielfältige Ursachen für hohe Beitragsbelastungen im Alter.
Auf der anderen Seite kann der Abschluss einer Beitragsentlastungskomponente oder eine private Rücklage einer hohen Belastung entgegenwirken. Beitragssprünge kommen in der Tat vor. Im besseren Fall liegt das an einer vom Versicherer unverschuldeten „Verschleppung“ des Anpassungsbedarfs.
Verantwortlich sind hier die strengen gesetzlichen Vorgaben. Im schlechteren Fall an einer „zu optimistischen“ Kalkulation.
Was macht einen guten privaten Krankenversicherer aus?
Franke: Stabilität und Solidität gehen vor Maximalleistungen und Komplexität. Es geht um einen Versicherungsschutz, der im Zweifel lebenslang begleiten soll, da gehören keine Überraschungen hinein. Das Tarifangebot darf gern abgestuft nach Kundeninteressen aufgebaut sein, bei gleichzeitiger Möglichkeit, zwischen den Varianten zu wechseln.
Aber auch das Angebot nur eines Tarifwerks, das solide Leistungen bietet und über viele Jahre stabil geführt wird, passt unter diese Vorgaben. Potenziell instabil haben sich immer wieder Tarife mit Maximalleistungen gezeigt, da sie anfällig sind gegen „Übernutzung“ durch Versicherte oder Ärzte. Auch Tarife, die vergleichsweise kurz für den Neuzugang geöffnet sind, zeigen sich instabil.
Der optimale Versicherer zeigt sich bei den wichtigen Kennzahlen und im Bereich der Beitragsanpassungen solide. Tarifgestaltung und Kalkulation sollen also auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein.
Zudem werden heute Services für die Kunden immer wichtiger. Der Versicherer soll seine Kunden im Leistungsfall unterstützen, sei es durch die schnelle Abrechnung per App, Case-Management oder gezielte Betreuungsprogramme beispielsweise bei chronischen Erkrankungen.
Das Interview führte Jörg Droste.
Foto: Franke & Bornberg