Apropos Markenwahrnehmung. Bei Konsumprodukten empfindet es die Mehrheit der Deutschen als positiv, wenn die Marken-Kampagne das Thema Nachhaltigkeit oder Ökologie aufgreift. Allerdings bewertet nur knapp ein Drittel der Deutschen die Marketing-Bemühungen als glaubwürdig. Wie verhält es sich im Bereich der Versicherungs- und Finanzprodukte?
Sachau: Der Wert dürfte in unserer Branche noch schlechter sein. Schließlich werden wir ständig mit Frage konfrontiert wie „Wie soll denn eine Versicherung diese Renditen erwirtschaften, die da stehen?“ Dass ein Drittel der Menschen noch glaubt, was in der Konsumwerbung erzählt wird, erstaunt mich sehr.
Ich hätte einen Wert von maximal fünf Prozent angenommen, angesichts der Seriosität der dort gemachten Aussagen. Auf der anderen Seite ist das auch eine enorme Chance für uns, die Themen Glaubwürdigkeit, Vertrauen, auch gerade in Verbindung mit Transparenz und einer vernünftigen Beratung in allen Bereichen wieder aufzubauen und die Menschen als Kunden zu gewinnen.
Waller: Der Wunsch und das Bedürfnis bei den Menschen ist einfach da. Und da muss der Kunde auch darauf vertrauen, dass dieses Leistungsversprechen eingehalten wird. Natürlich wird das Vertrauen leider nur allzu oft enttäuscht. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir für die Marken, für die wir stehen, eben nicht in diese Falle laufen, und beispielsweise zu viel versprechen.
Damit vermeidet man Greenwashing und schafft Vertrauen. Hinsichtlich des Leistungsversprechens muss man sehr klar und transparent sein. Das Gleiche gilt für das Thema Finanzierung. Der Kunde will einfach nicht, dass sein Geld in zweifelhafte Quellen fließt. Dieses Bewusstsein ist noch nicht stark ausgeprägt, es wächst aber sehr dynamisch.
de Bruijn-van der Gaag: Es geht in der Tat sehr stark um Klarheit. Meiner Meinung nach muss der Kunde selbst entscheiden können, welches Produkt er kauft. Und wir als Finanzdienstleister müssen ihm oder ihr die Informationen an die Hand geben, damit jeder von uns seine Entscheidung selbst treffen kann. Das ist bereits eine große Herausforderung. Wir müssen die Dinge so aufschreiben, dass sie den Kunden überzeugen und ihn letztendlich dahin bringen, unseren Informationen zu vertrauen. Dann können sie ihre Entscheidung auf Basis aller Fakten für sich treffen.
Roß: Es wird immer dann schwierig, wenn Nachhaltigkeit nur als Trend beschrieben wird oder als Thema, das auch wieder verschwinden wird. Stellt man es hingegen in einen größeren Kontext und unterstreicht die langfristige Bedeutung für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, dann wird es irgendwann automatisch dazu führen, dass sich Denk- und auch Lebensweisen verändern.
Um das zu erreichen, muss ich aber meinen Vertrieb, der letztlich in Kontakt mit dem Kunden steht, ausreichend darüber informieren. Ich muss es in die Beratungspraxis involvieren. Auch hierbei muss also wieder an den verschiedenen Stellen der Kundenberatung angesetzt werden. Kern des Ganzen ist natürlich Information, Schulung, permanentes Nach-außen-Tragen der Gesamtkonzeption.
Wie gesagt, für uns ist das nicht ein Produkt, das wir mal an die Rampe stellen, sondern es ist halt eine ganzheitliche Denkweise der Zurich insgesamt, wie wir uns zu diesem Nachhaltigkeitsthema als Unternehmen auch stellen. Somit ist letztlich eigentlich das Produkt nur die letzte Konsequenz einer ganzheitlichen Betrachtung des Themas.
Waller: Wenn wir das Thema Nachhaltigkeit im Markt etablieren wollen, muss es uns in den nächsten Jahren auch gelingen, vermittlerbasierte Betreuung durchzusetzen. Denn über Chatbots und andere Kanäle sowie über verbesserte Rechnerleistungen wird Beratung auch immer mehr über KI möglich sein und über Impulse und Kommunikation wird immer mehr stattfinden. Insofern ist es wichtig, dass wir Vermittler haben, die in der Lage sind, mit dem Kunden zusammen in Resonanz zu kommen.
Themen wie Nachhaltigkeit oder wenn es um Patientenverfügung geht, sind dabei genau die richtigen. All das kann KI nicht, sie kann nicht mit dem anderen fühlen. Das kann nur der Vermittler. Und nur er kann es erreichen, die Produktempfehlung auch für den Kunden noch mal erlebbar zu machen. Er muss eben mehr tun als nur rechnen. Er muss Emotionen abfragen, und das auch glaubwürdig.
Roß: Definitiv. Das Thema Emotionalisieren ist ganz wichtig. Nachhaltigkeit lässt sich wunderbar über Bilder und Geschichten transportieren und sei es auch nur, um glaubhaft darzustellen, wohin das investierte Geld fließt. Das alles zahlt darauf ein, was ein Kunde wirklich will.
Wenn er erkennt, dass sein Geld einerseits nachhaltig arbeitet, und andererseits Erträge erwirtschaftet, die ihn beispielsweise bei seiner Alterssicherung unterstützen, wird eine runde Geschichte daraus. Neben der Technik ist es genau das, was Berater heutzutage brauchen, um die persönliche Beratung argumentieren zu können.
de Bruijn-van der Gaag: Diese Erfahrung machen wir auch. Der Vermittler steht vor allem in der Vorbereitung einer nachhaltigen Kreditentscheidung im Fokus. Hat der Kunde sich dafür entschieden, dann geht es darum, den Finanzierungsprozess so digital und damit auch so einfach wie möglich für unsere Kunden zu machen.
Sachau: Es gibt eine weitere Herausforderung im Vertrieb unserer Branche. Der durchschnittliche Berater ist Ende 40 und männlich. Damit ist die Zielgruppe, die sich für nachhaltige Anlagen interessiert und zwischen 20 und 35 Jahren alt ist, sehr weit entfernt. Gerade wenn es darum geht, das Thema authentisch und vor allem emotional zu transportieren, ist das ein Kraftakt.
Roß: Diese Einschätzung teile ich ganz und gar nicht. Ganz gleich, ob ich 20, 40 oder 60 Jahre alt bin. Wenn ich mir das Thema zu eigen mache, mich darauf vollumfänglich fokussiere und meine Beratung wirklich konsequent daran ausrichte, habe ich sehr gute Chancen. Denn die Generation, die heranwächst, hat den Altersvorsorgebedarf und findet das Thema Nachhaltigkeit spannend.
Allen anderen sei aber an der Stelle auch gesagt, spätestens in ein, zwei Jahren ist das Thema ESG auch regulatorisch so relevant, dass man sich ihm stellen muss. Und spätestens dann, wenn ich dann nicht inhaltlich da anknüpfen kann, wenn man die Frage stellt, wollen Sie eigentlich nachhaltig investieren, ja oder nein, und ich habe dann keine Information für meinen Kunden, weil ich mich damit nicht auseinandersetzen wollte, dann werde ich unglaubwürdig meinem Kunden gegenüber und werde das Geschäft nicht machen.
de Bruijn-van der Gaag: Der Markt wird sich ähnlich wie beim Game Changer „Digitalisierung“ selbst regulieren. Bei der Digitalisierung haben sich auch viele Berater geweigert, bestimmte Vorgänge online abzuwickeln. Mittlerweile gibt es keinen Kunden mehr, der sich nicht selbst zunächst einmal online informiert und dann sehr gut vorbereitet in das Beratungsgespräch geht.
Bei der Nachhaltigkeit ist es genauso. Jeder redet über das Thema, vor allem die jüngeren Kunden werden das auch selbst ansprechen. Und wenn sie dann auf einen Berater treffen, der die Sache nicht richtig beantworten kann, suchen sie sich einen anderen. Auch unsere Berater sind mehrheitlich männlich und schon älter. Aber diese Aspekte sind mittlerweile nicht mehr relevant.
Entweder sie passen zu uns und gehen auch unsere Story mit oder nicht. Sie haben sich vor fünf, sechs Jahren dem Thema Digitalisierung genähert und wollen jetzt das Gleiche mit Nachhaltigkeit tun. Darüber hinaus bleiben sie natürlich auch deshalb bei uns, weil sie mit den Produkten und mit der Firmenphilosophie konform gehen.
Seite 4: Es fehlt ein einheitlicher Standard