Die Digitalisierung in der Medizin erlöst künftig Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vom Papierkram. In Zukunft müssen sie das Attest – den sogenannten gelben Schein – nicht mehr selbst beim Arbeitgeber abgeben. Stattdessen sollen die Ärzte es elektronisch an die Krankenkasse des Versicherten weiterleiten. Der Arbeitgeber wiederum kann sich die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) dann bei der Krankenkasse herunterladen. Die Arbeitnehmer bleiben verpflichtet, sich beim Arbeitgeber krank zu melden. Die Diagnose erfährt der Chef wie bisher nicht. Sie unterliegt dem Datenschutz. Die Arbeitnehmer erhalten für sich selbst einen Papierausdruck, der zum Beispiel als Beweis vor Gericht verwendet werden kann.
Vom elektronischen Meldeverfahren profitiert auch die Umwelt: Geschätzte 77 Millionen Krankschreibungen auf Papier gab es bisher pro Jahr. Im Coronajahr 2021 lag der Krankenstand im Schnitt bei vier Prozent. Die Betroffenen fehlten rund 14 Tage des Jahres an ihrem Arbeitsplatz.
Allerdings wird die endgültige Einführung der „eAU“ immer wieder verschoben. Denn: Es gibt technische und Software-Probleme, und viele Arztpraxen verfügen nicht über die nötige Ausstattung. Auch hatten Ärzte im Rahmen der Corona-Pandemie kaum Zeit, sich um die Einführung des neuen Systems und die Schulung ihrer Mitarbeiter zu kümmern.
Ab 1. Januar 2023 soll es voraussichtlich so weit sein, dass Arbeitgeber die eAU von der Krankenkasse erhalten. Erst dann entfällt die Pflicht der Arbeitnehmer, ihre Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform dem Chef vorzulegen.
Ab dem ersten Tag
Ein Erkrankter, der nicht zur Arbeit erscheint, muss seinen Arbeitgeber sofort informieren. Diese Krankmeldung hat nichts mit der AU-Bescheinigung zu tun und sollte am besten telefonisch bis Arbeitsbeginn am ersten Krankheitstag stattfinden. Ihr Zweck ist, dass man sich im Betrieb auf den fehlenden Mitarbeiter einstellen und entsprechende Maßnahmen treffen kann. Dabei muss der Erkrankte auch mitteilen, wie lange er – soweit vorhersehbar – krank sein wird. Eine verspätete Krankmeldung ist ein Grund für eine Abmahnung.
Bisher gilt: Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Tage, müssen Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine ärztliche AU-Bescheinigung vorlegen – und zwar spätestens am darauffolgenden Arbeitstag. Dies bestimmt das Entgeltfortzahlungsgesetz. Die Frist beträgt drei Kalendertage, nicht Arbeitstage. Wer sich freitags das Bein bricht, muss also spätestens am Montag die AU-Bescheinigung abliefern. Wer unentschuldigt fehlt, hat keinen Lohnanspruch und kann abgemahnt werden. Im Wiederholungsfall ist sogar eine Kündigung möglich. Auszubildende müssen sich zusätzlich bei ihrer Berufsschule abmelden. Der Arbeitgeber darf die ärztliche Bescheinigung auch vor Ablauf der dreitägigen Frist verlangen, solange es im Arbeits- oder Tarifvertrag keine anderslautenden Vereinbarungen gibt.
Diese Pflicht der Arbeitnehmer, eine ärztliche AU-Bescheinigung in Papierform vorzulegen, wird voraussichtlich ab 1. Januar 2023 entfallen. Arztpraxen sind jedochschon seit 1. Juli 2022 verpflichtet, der Krankenkasse des Arbeitnehmers die Daten auf elektronischem Weg zu schicken. Unter Umständen funktioniert dies jedoch noch nicht zuverlässig. Der zweite Schritt der Datenweitergabe an die Arbeitgeber steht noch aus. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten Arbeitnehmer bis zum Funktionieren des Gesamtsystems am 1. Januar 2023 ihre AU-Bescheinigung selbst an Arbeitgeber und Krankenkasse weiterleiten.
Alles, was nutzt
Wer krank ist, ist nicht automatisch ans Haus gefesselt. Entscheidend für den persönlichen Bewegungsspielraum ist die Krankheit. Mit Fieber und Schüttelfrost ist Bettruhe das Gebot der Stunde, wer Depressionen hat, dem hilft ein täglicher Spaziergang im Park. Auch vielen Rückenschmerz-Geplagten nutzt Bewegung mehr als Schongang. Verboten ist jedoch alles, was die Heilung hinauszögert: So sollte der Rückenschmerz-Geplagte sich nicht beim Schleppen von Gehwegplatten erwischen lassen.
Selbst einen geplanten Urlaub kann ein erkrankter Arbeitnehmer antreten – solange dieser nicht die Genesung gefährdet. Darüber sollte der Arbeitgeber aber informiert werden, um spätere Missstimmung zu vermeiden. Auch im Urlaub sollte dann aber alles vermieden werden, was die Genesung hinauszögern kann. Eines ist Krankgeschriebenen definitiv verboten: Arbeiten in einem anderen Job. Dann droht die Kündigung.
Wer sich wiederum schneller als vom Arzt prognostiziert, wieder fit für den Job fühlt, kann auch vor Ende der Krankschreibung an seinen Arbeitsplatz zurückkehren.
Krank im Urlaub
Das ist doppeltes Pech. Zu Schreck und Schmerz drückt dann auch noch der ruinierte Urlaub die Stimmung. Doch das Bundesurlaubsgesetz ist den Erkrankten wohlgesonnen. Es besagt: Erkrankt ein Arbeitnehmer im Urlaub und wird arbeitsunfähig, zählen diese Tage nicht zu seinen Urlaubstagen. Stattdessen gilt die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Allerdings muss sich auch hier der Arbeitnehmer aus dem Urlaub erst unverzüglich krankmelden – durch eine E-Mail oder einen Anruf. Dann muss sich der Erkrankte schon am Urlaubsort ein ärztliches Attest besorgen und es – am besten per Mail und mit Lesebestätigung – an die Firma schicken. Darin muss nicht nur stehen, seit wann und wie lange der Mitarbeiter krank ist, sondern auch wo er sich aufhält. Sobald genesen, muss er sich bei seinem Arbeitgeber zurückmelden und wieder arbeiten. Die ausgefallenen Urlaubstage einfach an den Krankenstand anzuhängen, ist verboten.
Mal kurz zum Arzt
Mancher Arzttermin fällt in die Arbeitszeit. Beispielsweise muss Blut nüchtern am frühen Morgen abgenommen werden oder ein Spezialist hat selbst mit wochenlangem Warten nur noch einen bestimmten Termin frei. Das muss der Betrieb akzeptieren. Anders sieht es bei planbaren Terminen wie Vorsorgeuntersuchungen aus. Da steht der Arbeitnehmer in der Pflicht, seine Freizeit zu nutzen.
Das Kind ist krank
Das Bürgerliche Gesetzbuch erlaubt es Arbeitnehmern, die unverschuldet aus persönlichen Gründen vorübergehend am Arbeiten gehindert sind, dem Job fernzubleiben – mit laufender Entgeltzahlung, allerdings nur für einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. Dessen Länge gibt das Gesetz nicht vor. Die meisten Gerichte gehen von etwa zehn Tagen im Jahr aus. Ein krankes Kind zählt als ausreichender Grund, wenn es keine andere Betreuungsmöglichkeit gibt. Der Haken: Diese Regelung kann einfach per Arbeitsvertrag ausgeschlossen werden und wird es auch häufig. Oft enthalten Tarifverträge jedoch besondere Absprachen dazu. Hier ist es Sache des Arbeitnehmers, herauszufinden, was in seinem Fall gilt – und sich im Zweifel mit seinem Arbeitgeber selbst auf eine unbezahlte Freistellung zu einigen.
Greift weder die oben genannte Regelung, noch ein Tarifvertrag, haben Arbeitnehmer nach dem Sozialgesetzbuch einen Anspruch auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit, um ihr krankes Kind zu pflegen. Dieser Anspruch besteht, solange von der Krankenkasse Kinderkrankengeld gezahlt wird.
Kinderkrankengeld gibt es nach dem Sozialgesetzbuch, wenn der Arbeitgeber das Gehalt nicht weiterzahlt, bei Erkrankung eines Kindes unter 12 Jahren. Bei behinderten, hilfsbedürftigen Kindern gilt die Altersgrenze nicht. Die Betreuung durch den Elternteil muss laut ärztlichem Attest erforderlich sein und es darf keine andere Möglichkeit der Betreuung geben. Der Anspruch besteht normalerweise für höchstens zehn Arbeitstage pro Jahr für jedes Kind, maximal 25 Tage pro Jahr pro Elternteil. Für Alleinerziehende sind es höchstens 20 Tage pro Kind und insgesamt 50 Arbeitstage pro Jahr.
Allerdings gibt es hier eine Sonderregel anlässlich der Corona-Pandemie: Im Jahr 2022 verlängert sich die Bezugsdauer für das Kinderkrankengeld pro Kind auf höchstens 30 Tage, für alle Kinder zusammen auf höchstens 65 Arbeitstage. Für Alleinerziehende sind es höchstens 60 Arbeitstage pro Kind und 130 Arbeitstage insgesamt.
Eine weitere Besonderheit: Dieser Anspruch besteht nicht nur bei einer Erkrankung des Kindes, sondern auch, wenn Schule oder Kita wegen Corona geschlossen sind. Letzteres gilt jedoch nach bisherigem Stand nur bis 23. September 2022.
Die Höhe des Kinderkrankengeldes liegt bei etwa 90 Prozent des entgangenen Nettolohns.
Gekündigt wegen Krankheit
Rechtlich weniger eindeutig ist die Lage, wenn sich ein Unternehmen von einem Mitarbeiter aufgrund zu häufiger Fehlzeiten durch Krankheit trennen will. Grundsätzlich ist die Kündigung zwar auch während einer Krankheit möglich. Dies gilt in verschiedenen Fällen, etwa bei dauerhaft bleibender Arbeitsunfähigkeit, bei einer lang anhaltenden Erkrankung von über sechs Wochen Dauer, bei immer wiederkehrenden Kurzerkrankungen, deren Gesamtdauer die sechs Wochen überschreitet und sogar bei krankheitsbedingten schlechten Arbeitsleistungen.
Immer müssen jedoch drei Voraussetzungen vorliegen: Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen (etwa, weil der Erkrankte dauernd vertreten werden muss), eine negative medizinische Prognose und eine Abwägung der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die zugunsten des Unternehmens ausfällt.
Das sind hohe Hürden. Entsprechend häufig wird darüber vor Gericht gestritten: sei es um den Erhalt des Jobs oder eine mögliche Abfindung.
Wichtig zu wissen: Selbst, wenn der Arbeitnehmer in erster Instanz gewinnt, fallen Kosten an. Die Anwaltskosten trägt im Arbeitsgerichtsverfahren in der ersten Instanz jede Partei selbst.
Gut ist es dann, wenn man durch eine Rechtsschutzversicherung im beruflichen Bereich abgesichert ist. Die Versicherung deckt die im Rechtsstreit anfallenden Kosten etwa für Anwalt, gerichtlich bestellte Gutachter oder Gericht ab. Soll eine einvernehmliche Lösung ohne Gericht angestrebt werden, unterstützt die Rechtsschutzversicherung ebenfalls. Sie hilft bei der Suche nach einem passenden Mediator und übernimmt die Mediationskosten.
Die Rechtsexpertin Michaela Rassat ist seit 2005 Juristin bei der Ergo Rechtsschutz Leistungs-GmbH.