Aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales geht hervor, dass derzeit jeden dritten Beschäftigten in Deutschland nach 45 Berufsjahren in Vollzeit eine gesetzliche Bruttorente von unter 1.300 Euro im Monat erwartet. Die betriebliche Altersvorsorge gewinnt daher neben der privaten Vorsorge immer mehr an Bedeutung. Tatsache ist jedoch, dass vor allem bAV-Versicherer angesichts der langanhaltenden Niedrigzinsphase unter enormen Druck stehen. Warum genau?
100-Prozent-Beitragsgarantie im Niedrigzinsumfeld
Mit der Absenkung des Höchstrechnungszinses am 1. Januar 2022 von 0,9 auf 0,25 Prozent, ist eine Garantie von 100 Prozent der Beiträge selbst bei sehr kostengünstigen Produkten mit üblicher Produktkalkulation auch für Lebensversicherer nicht mehr abbildbar- selbst ohne Ansatz von Abschluss- und Vertriebskosten.
Was verändert sich nun? Über viele Jahre erfolgte die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung in der Direktversicherung in Form der sogenannten Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML). Auf diesem Weg wurden überwiegend fondsgebundene Rentenversicherungen im Zuge der Entgeltumwandlung vereinbart. Die BZML als Art der Zusage hat jedoch nun ihre Berechtigung verloren. An ihre Stelle tritt die beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ), aus der sich für Versicherer und Vermittler neue Chancen ergeben.
Das Ende der BZML
Im Vertrieb wird gelegentlich vergessen, dass jede Art der bAV auf einem arbeitsrechtlich verbindlichen Versprechen des Arbeitgebers basiert – der sogenannten Zusage. Das gilt auch für bAV, die vom Arbeitnehmer im Zuge der Entgeltumwandlung finanziert wird. Für die Art der Zusage gibt es gesetzlich enge Vorgaben, die im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz – BetrAVG) festgelegt sind.
Auch wenn die Durchführung beispielsweise im Falle einer Direktversicherung erfolgt, haftet der Arbeitgeber unausweichlich für die Erfüllung der Zusage (§1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG). Eine beliebte Zusageart war bis vor kurzem die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML).
Diese beinhaltet zwei Bestandteile: Zum einen die Zusage auf eine Beitragszahlung in einer bestimmten Höhe zum Beispiel in einen Direktversicherungsvertrag und zweitens die Zusage, dass als Versorgungskapital mindestens die Summe der zugesagten Beiträge zur Verfügung steht (§1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG). Zur Sicherstellung dieser Garantie ist der Versicherer in irgendeiner Form auf festverzinsliche Anlagen angewiesen. Bei sinkenden Zinsen steigt der Beitragsteil, der für das Erreichen der Garantie benötigt wird.
In der aktuellen Zinslage, in der auch der Höchstrechnungszins im Sicherungsvermögen des Versicherers auf 0,25 Prozent limitiert ist, ist daher die 100-prozentige Beitragsgarantie unrealistisch. Somit wird die Beitragszusage mit Mindestleistung für Versicherer, Vermittler und Arbeitgeber obsolet. Damit nimmt die Bedeutung und Intensität der bAV-Beratung zu. Entsprechend gilt es für Versicherer und Vermittler andere Modelle zu entwickeln oder neu zu beleben. Beispielsweise wie die etwas aus der Mode geratene beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ).
Wertgleichheit der Entgeltumwandlung
Während der Arbeitgeber in der Wahl der Höhe der Anwartschaft und damit der Garantie in einem angemessenen Rahmen frei ist, wenn er die Finanzierung trägt, muss er im Falle der Entgeltumwandlung das Gebot der Wertgleichheit beachten (§1 Abs. 2 Nr. 3 BetrAVG).
Dieses schließt nicht nur die nachvollziehbare Tatsache ein, dass das vom Arbeitnehmer umgewandelten Entgelt in voller Höhe für die Beitragszahlung verwendet wird, sondern auch den Werterhalt des umgewandelten Entgelts. Noch ist gerichtlich nicht entschieden, ob dieses auch effektiv auf eine 100-prozentige Beitragsgarantie hinausläuft.
Aus diversen höchstrichterlichen Urteilen zur pauschalen Abgeltung von Überstunden wird von Fachleuten abgeleitet, dass dieser Werterhalt bereits im Falle einer 80-prozentigen Garantie gegeben ist. Bei einer geringeren Garantiehöhe ist der gesetzlich gebotene Werterhalt deutlich in Gefahr. Für daraus entstehende Schäden des Arbeitnehmers haftet zunächst der Arbeitgeber. Dieser wird dem Versicherer und/oder dem Vermittler allerdings Verstöße gegen die Beratungspflichten nach §6,61 VVG vorhalten und dort Regress üben wollen.
Die Vertriebschancen der BOLZ
Werden in der Direktversicherung in der BOLZ lediglich 80 Prozent der Beiträge garantiert, verbleiben genug Beitragsteile zur Erzielung einer Rendite und zur dynamischen Absicherung der Beitragsgarantie. Die Kombination aus staatlicher Förderung und der Renditechance bei gleichzeitiger Sicherheit macht die Direktversicherung durch Entgeltumwandlung zu einem attraktiven Produkt der Altersversorgung.
Das gilt auch unter normalen Annahmen, wenn man die nachgelagerte Besteuerung oder den Verlust an Entgeltpunkten in der gesetzlichen Rentenversicherung in Abzug bringt. Doch was gibt es zu beachten?
Die Herausforderungen für Versicherer und Vertrieb
Damit die Renditechance auch realisiert werden kann, muss der Versicherer über das nötige Know-How im Investmentbereich verfügen. Die Breite und Tiefe der im Vertrag angebotenen Fonds- und Investmentauswahl werden zukünftig genauso wie die Gestaltung und Höhe des Garantieniveaus entscheidende Qualitätsmerkmale darstellen. Im Vertrieb wird es nicht allein genügen, die Direktversicherung mit BOLZ als Vertriebschance wahrzunehmen.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Komplexität der bAV bei gleichzeitig steigendem Beratungsbedarf, müssen Vermittler verstärkt qualifiziert werden. Außerdem gilt es neue Zugangswege zum Kunden zu finden – zu Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Das Potenzial bei kleineren Unternehmen ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Nicht zu unterschätzen ist auch das Abschlusspotenzial, dass sich aus einem ausreichend großen Direktversicherungsbestand durch Arbeitgeberwechsel oder Aufstockungen ergibt.
bAV als Zukunftsmarkt
Versicherer und Vermittler stehen unter enormen Druck vor den skizzierten komplexen Herausforderungen. Die Erwartungen an sie sind nicht zuletzts angesichts der zunehmenden Altersarmut so hoch wie noch nie. Hinzu kommen steigende Kundenerwartungen vor allem bei den Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung bei denen es im Wettbewerb mit großen Playern wie Google oder Amazon gilt, diesen gerecht zu werden. Hinzu kommen viele neue Regelwerke und verstärkte Überwachung.
Vor diesem Hintergrund bietet die bAV erhebliche Zukunftssicherheit, denn bei aller Digitalisierung bleibt sie ein beratungsintensives Geschäft, das qualifizierte Berater benötigt. Versicherer und Vertriebe sind gut beraten, wenn sie die aktuellen Chancen des Marktes nutzen und mit der Kombination aus guter Produktqualität und Vertriebsunterstützung die bAV aktiv für sich als Chance erkennen. Die BOLZ erlebt daher nicht nur aus arbeitsrechtlichen Gründen eine Renaissance, sie kann auch eine Chance der Lebensversicherer in einem sonst schwierigen Umfeld sein, neue Marktanteile zu erschließen.