„Die Riester-Rente hat die hohen Erwartungen nicht erfüllt“

Sven Thieme ist Geschäftsführer der Competent Investment Management aus Coswig. Der Finanzprofi gilt als renommierter Experte zum Thema Rente und private Altersvorsorge. Im Interview nimmt er zu Riester-Rente, Vorsorgelücke und einer angemessenen Reaktion der Anleger auf die Niedrigzinsfalle Stellung.

Sven Thieme, Competent IM: „Die Angst vor Altersarmut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen“

Herr Thieme, Sie warnen seit Jahren vor einer drohenden Vorsorgelücke in der Altersvorsorge. Warum halten Sie dieses Problem für so dringlich?

Thieme: Aktuelle Studien zeigen, dass sich mehr als die Hälfte der Deutschen Sorgen darum macht, dass sie im Alter den Lebensstandard nicht halten können. Die Angst vor Altersarmut ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Und in den nächsten zwei Jahrzehnten wird das durchschnittliche Rentenniveau weiter massiv sinken – von rund 70 Prozent auf etwa 45 Prozent. Die Auswirkungen werden ab 2030 merklich spürbar werden. Die Competent Investment Management hat sich zum Ziel gesetzt, über die Problematik aufzuklären.

Die Große Koalition hat doch unlängst einen Kompromiss zur Grundrente verabschiedet. CDU und SPD hoffen damit, Altersarmut nach langjähriger, beruflicher Tätigkeit zu verhindern. Zu Recht?

Thieme: Die Entscheidungen zur Grundrente sind durchaus begrüßenswert. Ab Januar 2021 sollen insbesondere Geringverdiener mit 35 Beitragsjahren einen Rentenaufschlag oberhalb der Grundsicherung erhalten. Die Neuregelungen betreffen allerdings nur einen kleinen Teil der Rentenbezieher, die vorher bereits ein sehr niedriges Einkommen erzielt haben. An der grundsätzlichen Problematik sinkender gesetzlicher Rentenansprüche für die breite Mehrheit ändert die Neuregelung zur Grundrente nichts. 

Rund 70 Prozent aller Bürger rechnen nicht nur mit sinkenden Rentenansprüchen, sondern auch mit steigenden Beiträgen für die gesetzliche Altersvorsorge. Sind diese Befürchtungen berechtigt?

Thieme: Die Mehrheit der Deutschen glaubt nicht mehr an das Mantra, die Rente sei sicher – zumindest nicht in ausreichender Höhe, um in Würde zu Altern. Aufgrund der robusten Situation am Arbeitsmarkt steigen derzeit die verfügbaren Nettoeinkommen zwar noch, langfristig wird die demographische Entwicklung aber genau diese Folgen nach sich ziehen: steigende Beiträge und sinkende Rentenansprüche. Wer den Lebensstandard im Alter halten will, kommt an einer privaten Altersvorsorge nicht vorbei.

Ausgerechnet die staatlich geförderte Riester-Rente gilt als Flop. Trotz hoher Zulagen setzt die Versicherungswirtschaft immer weniger Verträge ab. In der SPD liebäugelt man bereits mit der Abschaffung, die CDU will den Versicherern eine Gnadenfrist von drei Jahren gewähren, um den Absatz stark zu steigern. Ist die Riester-Rente tot?

Thieme: Die Riester-Rente hat die hohen Erwartungen in der Tat nicht erfüllt. Letztendlich ist es eine politische Entscheidung, ob die Riester-Produkte attraktiver gemacht werden oder durch ein staatliches Produkt zur privaten Altersvorsorge ersetzt werden sollen. Wie auch immer strukturiert, ist es sinnvoll, staatlich geförderte Produkte als zweite Säule der Altersvorsorge anzubieten.

Klassische Altersvorsorge wie kapitalbildende Lebensversicherungen, Tagesgeld oder Sparkonten werfen keine Renditen mehr ab. Wie entgeht man als Sparer der Niedrigzinsfalle?

Thieme: Die Thematik ist in der Tat deutlich komplexer geworden. Wer bei niedrigem Risiko akzeptable Renditen will, braucht eine gute Strategie. Bei der Competent Investment Management informieren wir unsere Mandanten umfangreich über verschiedene Möglichkeiten und Strategien. Zu Beginn steht immer eine Bedarfsanalyse sowie die Ermittlung der Vorsorgelücke. Dieser Betrag sollte möglichst durch einen gut geplanten Mix an Sparprodukten gedeckt werden.

Welche Produkte sind denn am besten zum Aufbau einer Altersvorsorge geeignet?

Thieme: Das lässt sich pauschal nicht sagen, sondern hängt von der Lebenssituation und den Zielen der jeweiligen Person ab. Neben der Höhe des Sparziels und dem verfügbaren, freien Einkommen, spielen auch das Alter sowie die privaten Lebensverhältnisse eine ausschlaggebende Rolle. Grundsätzlich raten Mitarbeiter der Competent Investment Management ihren Mandanten nicht alles auf eine Karte zu setzen, sondern ihr Vermögen breit über mehrere Produkt- und Assetklassen zu streuen.

Foto: Competent Investment Management

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