Der eine galoppiert, der andere übt den kleinen Ausfallschritt: So lässt sich die divergierende Geldpolitik der beiden mächtigsten Notenbanken der Welt auf den Punkt bringen. Gastkommentar von Otmar Lang, Targobank
Während die Europäische Zentralbank vergangene Woche flankierend zu einer Nullzins-Politik nahezu dramatische Maßnahmen verkündete, kann es sich US-Zentralbankchefin Janet Yellen leisten, die Füße still zu halten. Zumindest bis zum Sommer oder vielleicht auch länger – vorausgesetzt, die Inflationserwartungen in den USA steigen nicht deutlich an. Bei einer weiter ausbleibenden Ölpreiswende könnte das klappen.
Gift mitten im Präsidentschaftswahlkampf
Im Dezember hatte die Fed erstmals seit zehn Jahren die Zinsen wieder angehoben. Weitere Erhöhungen in diesem Jahr könnten den Dollarkurs steigen lassen – und das wäre Gift für die Exporte und die Beschäftigung im Land mitten im Präsidentschaftswahlkampf!
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Das Dilemma wäre riesig, wenn die US-Notenbank unter Druck stünde, die Zinsen kurzfristig und auch regelmäßig anzuheben. Das würde den Euro massiv schwächen, aber über kurz oder lang auch steigende Zinsen in Europa zur Folge haben. Letzteres wäre für Europa genauso kontraproduktiv wie ersteres für die USA. Und das ist aktuell das Neue: Mit der gleichzeitig extrem lockeren Geldpolitik in Europa und Japan tritt für die Fed erstmals ein Gegenspieler an, der ihren Handlungsspielraum einschränken kann. Das hat bisher für keine Seite negative Folgen. Doch das muss nicht so bleiben.
Nur Zeit erkauft
Das gemeinsame Ziel aller Zentralbanken muss mehr Wachstum heißen. Es wäre wünschenswert, wenn sich der Konjunkturausblick in Europa und Japan bis zum Herbst bessert. An steigenden US-Inflationserwartungen zweifeln wir nicht. Doch bisher können sich Europa und Japan nur Zeit erkaufen. Sollte das bis zum Herbst so bleiben, könnte ein Währungskrieg drohen.
Otmar Lang ist Chefvolkswirt bei der Targobank, Düsseldorf
Foto: Targobank