Veress-Kolumne: Warum wir Nachhaltigkeit als Evolution begreifen müssen

Foto: Liechtenstein Life
Aron Veress, CEO von Liechtenstein Life: "Wer heute nachhaltige Anlagen zu wenig berücksichtigt, investiert gegen die absehbaren Veränderungen der kommenden Jahre."

Immer neue Indizes, komplexe Zertifizierungen und mehr oder minder klare gesetzliche Vorgaben machen das Thema Nachhaltigkeit für Vermittler und Kunden zu einem bürokratischen Labyrinth. Für den Erfolg von grünen Investments, Klimaschutz und Co. benötigen wir einen neuen, smarten und unkomplizierten Umgang mit ihnen – und Gestaltungsräume für Vermittler.

Wer heute ein langfristiges Vorsorgeprodukt abschließt oder es an Kunden vermittelt, sieht sich irgendwann unweigerlich mit der Frage konfrontiert, wie er oder sie Renditechancen, Risiken und Nachhaltigkeitsprinzipien austariert. Wie viel Klima- und Ressourcenschutz darf’s denn sein und ist mein Beitrag auch mit Kosten verbunden? Kunden und Vermittler stehen scheinbar vor einem Dilemma: Viele nachhaltige Aktien, Fonds und andere Assets haben heute noch nicht die Renditezugkraft, die Anlageformen ohne guten ökologischen Fußabdruck entfalten können.

Rendite oder Nachhaltigkeit? Ein Scheindilemma

Das hat zwei Gründe: In der klassischen Finanztheorie ist ein Investment nach anderen Kriterien als den ökonomischen Wachstumsaussichten zunächst einmal ein externes Renditerisiko. Wer sich dennoch darauf einlässt und ausschließlich in nachhaltige Anlagen investiert, reduziert seine Möglichkeiten zur Diversifizierung und schafft somit neue Unsicherheiten im Portfolio. So weit, so falsch – oder zumindest viel zu kurz gedacht.

Vorsorgeprodukte haben naturgemäß einen sehr langen Anlagehorizont. Eine wirklich zukunftweisende Anlagestrategie muss deshalb zwei wesentliche Kriterien erfüllen: Sie muss Rendite und Sicherheit von heute bis Auszahlung kalkulieren und erwartbare Trends und Veränderungen integrieren. Und sie muss Möglichkeiten bieten, auf ökologische, klimatechnische und regulatorische Veränderungen zu reagieren und das Portfolio entsprechend anzupassen.

Warum Nachhaltigkeit eine Rendite- und Sicherheitschance ist

In 30 Jahren – dem idealen Anlagehorizont vieler Vorsorgeprodukte – gibt es zwei mögliche Entwicklungen: Entweder wir haben es geschafft, mithilfe neuer Technologien und Transformationen unserer nicht-nachhaltigen Branchen und gesellschaftlichen Bereiche die Grundlagen unserer Existenz und unseres Planeten zu sichern. Oder wir sind an dieser Aufgabe gescheitert und müssen extreme Maßnahmen ergreifen, um kritische Entwicklungen bei Klima, Welternährung, Ansteigen des Meeresspiegels zu stoppen oder zu korrigieren.

Zwischen Schwarzmaler- und Schönfärber-Szenarien gibt es natürlich alle möglichen Zwischentöne – aber die Konsequenz ist für langfristig denkende Anleger bei allen Szenarien ähnlich: Wir können davon ausgehen, dass nachhaltige Investments durch Vernunft, regulatorische Maßnahmen, ökologische Zwänge oder eine Mischung aus allem in jedem Fall in den kommenden Jahren renditestärker werden, als nicht-nachhaltige Investments, die in der Momentaufnahme von heute noch scheinbar mehr Wachstum versprechen.

Für eine langfristige Anlagestrategie im Rahmen der Altersvorsorge ist der Trend in Richtung Nachhaltigkeit also eine der wenigen wirklichen Sicherheitsfaktoren. Wer heute nachhaltige Anlagen zu wenig berücksichtigt, investiert gegen die absehbaren Veränderungen der kommenden Jahre. Kurzfristige Gewinnmaximierung kann so für Vorsorgeprodukte schnell zum Verlustgeschäft werden.

Der Vermittler als Nachhaltigkeitsnavigator

Für Kunden, die heute in Altersvorsorge investieren, geht es also nicht darum, Sicherheit, Renditechancen und Nachhaltigkeit heute für viele Jahre zu kombinieren und in ein Portfolio zu zementieren. Langfristige Anlagen müssen die Transformationsprozesse in Richtung einer nachhaltigen Zukunft begleiten und die Veränderungsschritte an den Finanzmärkten frühzeitig integrieren können. Eine möglichst optimale Diversifizierung von aktuellen und zukünftigen Chancen und Risiken heißt für Kunden: Ein finanztechnisch ausgewogenes Portfolio, das sukzessive immer weiter in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt werden kann, kein Entscheidungsdilemma zwischen Nachhaltigkeit oder Rendite.

Vermittler müssen ihren Kunden statt Katalogprodukten mit Einmalabschluss vielmehr Optionen für diese dynamische Weiterentwicklung bieten – ein evolutionäres Nachhaltigkeitskonzept: Wachstum und Rendite nach den klassischen Investment-Kriterien als Basis und langfristige Umstellung des Anlageportfolios für die Megatrends der nachhaltigen Transformation. Dafür benötigen sie eine Art digitales Navigationssystem, damit Vorsorge und Nachhaltigkeit im Portfolio im Gleichklang mit der allgemeinen grünen Transformation weiterentwickelt werden können.

Aron Veress ist CEO der Liechtenstein Life

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments