Die Klima-, Corona- und Ukrainekrise nimmt aktuell sehr viel Aufmerksamkeit in Anspruch. Daneben wird in absehbarer Zukunft eine Rentenkrise auf uns zukommen, insbesondere getrieben durch eine hohe Staatsverschuldung und die demographische Entwicklung. Rund 71 Prozent der Alterseinkünfte in Deutschland stammen aus der gesetzlichen Rente. Ein viel zu hoher Wert, blickt man über den internationalen Tellerrand: Der Anteil in Schweden liegt bei 52 Prozent, in den Niederlanden bei 45 Prozent und in Schweiz bei 43 Prozent.[1] Trotz dieses Ungleichgewichts zugunsten der gesetzlichen Rente bei uns, werden die Potenziale der betrieblichen Rente und der privaten Altersvorsorge nicht ausreichend fokussiert. Es ist an der Zeit, dass alle drei Säulen der Altersvorsorge im Sinne einer ganzheitlichen Vorsorge der Menschen gestärkt werden. Es wäre ein Trugschluss, alles nur auf eine Karte zu setzen. Auf das Thema Altersvorsorge braucht es vielmehr einen ganzheitlichen Blick.
Die Menschen haben dies verstanden: 72 Prozent der Befragten einer repräsentativen Swiss Life-Studie sagen, dass sie bei ihrer Vorsorge selbst über ihre Geldanlage entscheiden möchten und dies nicht dem Staat überlassen wollen. 78 Prozent fordern eine politische Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge und 83 Prozent sehen ihre Arbeitgeber stärker in der Pflicht, sie bei ihrer Vorsorge zu unterstützen.[2] Die geförderte private Altersvorsorge wäre sofort und einfach reformierbar, indem wir uns von der hohen verpflichtenden Bruttobeitragsgarantie verabschieden und damit die betriebliche sowie die private Altersversorgung für ein finanziell selbstbestimmtes Leben der Menschen stärken würden. Die Privatwirtschaft ist fachkundig und gehört zur Altersvorsorge in Deutschland dazu. Auch mit Blick auf das wichtige Thema Nachhaltigkeit kann die Finanz- und Versicherungsbranche einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass mit nachhaltiger Altersvorsorge nachhaltig agierende Unternehmen mit Kapital versorgt werden. Wir plädieren deshalb dafür, dass der Staat und die Finanz- und Versicherungswirtschaft ihre Kräfte bündeln.
Ganzheitlichkeit heißt: Altersvorsorge betrifft nicht nur die alten Menschen
Diese vereinten Kräfte von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft sind notwendig, um eine weitere Herausforderung anzugehen: Denn es stellt sich zunehmend die Frage nach der Generationengerechtigkeit. Die aktuelle Rentenpolitik gibt den jungen Menschen von Beginn an eine schwere Bürde mit. Laut Generationenvertrag tragen die jungen Menschen die Verantwortung für die Älteren. Verantwortung ist aber keine Einbahnstraße. Bis Ende des Jahres will die Regierung die Rente mit einer großen Reform zukunftsfest machen und damit ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen. Bei den Vorschlägen vermissen wir eine Ausrichtung an den Interessen junger Menschen und auch eine konkrete Lösung der Gerechtigkeitsfrage. Die Reformen dürfen nicht an denen vorbeigehen, die die Rentenzahlungen heute und morgen schultern werden. Ganz im Gegenteil: Reformen müssen den Fokus auf die jungen Generationen setzen. Darüber hinaus muss ihnen der selbstbestimmte Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Beratung aus der Privatwirtschaft ermöglicht werden.
Drei Viertel der 17- bis 27-Jährigen treibt die Sorge um, im Alter nur eine niedrige Rente zu bekommen und arm zu sein. Neun von zehn jungen Erwachsenen ist klar, dass sie zusätzlich vorsorgen müssen, um sich vor Armut im Alter zu schützen. Die Junge-Leute-Studie von Swiss Life zeigt eindrücklich, dass die Jugend interessiert ist, privat vorzusorgen: Mehr als 50 Prozent der Generation Y und Z steht fondsbasierter Altersvorsorge offen gegenüber (+13 Prozentpunkte i.V. zu 2020). Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge ist 50 Prozent der Generation Z und 42 Prozent der Generation Y wichtig (Vergleich Durchschnitt alle Befragten: 38 Prozent).[3] Die Frage ist eher, wie aus einem Wunsch Wirklichkeit werden kann.
Die Mehrheit der befragten jungen Menschen aus unserer Studie gibt an, das persönliche, vertrauensvolle Gespräch mit Finanzberaterinnen und -beratern zu brauchen. Wenn junge Menschen aktiv angesprochen und beraten werden, dann nehmen sie ihre persönliche, finanzielle Vorsorge selbstbestimmt in die Hand. 2021 haben die Finanzberatungsunternehmen von Swiss Life Deutschland über 130.000 Kundinnen und Kunden gewonnen. Knapp 80 Prozent unserer Neukundinnen und Neukunden sind unter 35 Jahre alt, rund die Hälfte sogar unter 30. Hier wird der gesellschaftliche Auftrag von Finanzberaterinnen und Finanzberatern offensichtlich. Ihnen kommt beim komplexen Themenfeld der Altersvorsorge eine Lotsenfunktion zu. Hohe qualitative Standards, die über hochwertige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden können, sind dabei das A und O.
Ganzheitlichkeit heißt: Eine Beratung, die über Altersvorsorgeprodukte hinausgeht
Für eine gute Altersvorsorge braucht man dreierlei: Zum einen ist eine besondere Kompetenz wichtig, um die individuelle Lebenssituation und die Bedürfnisse der jungen Menschen zu verstehen und sie in individuell passende Lösungskonzepte zu überführen. Darüber hinaus muss eine gute Beratung die Vielschichtigkeit der Altersvorsorge berücksichtigen, fernab der traditionellen Vorsorgeprodukte. Gute Beratung betrachtet deshalb gleichzeitig auch die Themen Investment, Immobilien und Risikoabsicherung. Hinzu kommt: Veränderungen begleiten die Menschen ihr ganzes Leben lang. Auch persönliche Ziele und Ansprüche wandeln sich. Immer wieder muss deshalb die konkrete finanzielle Situation und die Altersvorsorge neu bewertet und justiert werden. Beratende müssen diesen Bedarf an lebensbegleitender Beratung ihrer Kundinnen und Kunden auf Dauer abdecken können.
Wir brauchen also einen ganzheitlichen Blick auf die Beratung zum Thema Altersvorsorge. Nur wenn Staat, Wirtschaft und Gesellschaft die Kräfte bündeln und dies im Sinne aller tun, werden wir den Menschen eine gute Altersvorsorge bieten können. Eine qualifizierte persönliche und ganzheitlich angelegte Finanzberatung erfüllt dabei eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe, die leider innerhalb der Politik viel zu oft unterschätzt wird.
Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb Swiss Life Deutschland und Vorstand VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen in Europa e. V.
[1] Quellen: OECD und Recherchen des Handelsblatts, Handelsblatt 4.11.2021
[2] Quelle: Swiss Life Deutschland und YouGov Deutschland, Vorsorge-Report, repräsentative Online-Umfrage ab 18 Jahren, November 2021
[3] Quelle: Swiss Life Deutschland und YouGov Deutschland, Junge-Leute-Studie, repräsentative Online-Umfrage ab 18 Jahren, Mai bis Juni 2022