Wie sieht es mit Investitionen im Bereich Nachhaltigkeit aus?
Schoeller: Wir haben relativ zu den Gesamtkapitalanlagen der Versicherer in Deutschland den höchsten Anteil an Investitionen in alternativen Energien. Mittlerweile haben wir rund eine Milliarde Euro in diesem Segment investiert, das entspricht mehr als drei Prozent unserer gesamten Kapitalanlage. Darüber hinaus haben wir sehr früh begonnen, auf ESG-konforme Kapitalanlagen umzustellen. Den Prozess werden wir in zwei Jahren abgeschlossen haben. Übrigens sind wir auch als eines der ersten Unternehmen den UN PRI beigetreten.
„Als einer der ersten Unternehmen den UN PRI beigetreten“
Was die CO2-Neutralität betrifft: Im Gegensatz zu vielen anderen legen wir der Berechnung unseres Ausstoßes nicht nur den Energieverbrauch der Hauptverwaltung oder der Dienstwagenflotte zu Grunde, sondern berücksichtigen auch das Pendlerverhalten der Mitarbeiter.
Unsere Hauptverwaltung ist bereits CO2-neutral. Der grundlegende Anspruch der Gothaer ist es nicht, irgendwelche Zertifikate zu bekommen, sondern die Gesellschaft zu verändern. Greenwashing liegt uns fern. Das hängt zusammen mit unserem frühen Engagement in alternativen Energien. Das ist das Herzstück unserer Strategie.
Warum sieht man insbesondere im Sach- und PKV-Segment kaum nachhaltige Produkte?
Schoeller: Es ist richtig, dass die Industrie hier Nachholbedarf hat. Allerdings ist es nicht nur ein Angebots-, sondern auch ein Nachfragethema. Wir müssen lernen, wie wir beide Aspekte sinnvoll miteinander verflechten. Wir haben für uns den Anspruch, dass wir in jedem Produkt das Thema Nachhaltigkeit als ein Element der Produktentwicklung berücksichtigen. Die Frage, wann ein Produkt nachhaltig ist, beantworten wir über einen Kriterienkatalog. Das bedeutet aber nicht, dass wir morgen nur noch grüne Produkte sehen. Die grundlegende Frage ist, was wir tun können, damit der Kunde die Nachhaltigkeitsaspekte auch sieht und sich auch deswegen für dieses Produkt entscheidet. Auch da haben wir noch einen Weg zu gehen. Die grundlegende Bereitschaft zu einem nachhaltigen Engagement ist bei vielen Menschen zwar vorhanden, aber auch das eigene Handeln daran auszurichten, ist ein großer Schritt. Ich bin aber davon überzeugt, dass das Thema in zehn Jahren selbstverständlich ist.
Abschließende Frage: Die Gothaer arbeitet an einer neuen strategischen Ausrichtung. Könnten Sie kurz skizzieren, was hinter den Planungen steckt?
Schoeller: Unsere neue Strategie heißt „Ambition25“. Unser Ziel ist es, aus Stärken zu wachsen. Wir haben in den vergangenen fünf Jahren den Konzern auf sehr solide Beine gestellt, zum Beispiel durch das De-Risiking der Kapitalanlage oder das Asset-Liability-Management. Damit haben wir die Grundlage für zukünftiges Wachstum geschaffen. Darauf aufbauend wollen wir unsere Stärken einsetzen, um das Wachstumsmomentum des Unternehmens zu forcieren.
„Kein ‚Weiter so'“
Erstens wollen wir die Position als führender Partner des Mittelstands ausbauen. Zweitens haben wir eine gute und beratungsaffine Kundenbasis, einen sehr guten und starken Exklusivvertrieb und sehr stabile Maklerverbindungen. Den dritten Aspekt nennen wir: „Mehr als Versicherung“. Wir wollen als Versicherer mehr bieten als den reinen Risikotransfer.
Wir wollen unseren Kunden helfen, Risiken zu verstehen, diese zu vermeiden und sie im Falle eines Eintritts unterstützen – auch digital über Ökosysteme. Die Märkte verändern sich fundamental und es bieten sich ungeheure Chancen. Die werden wir nutzen, um Marktchancen zu ergreifen. Die Zeit ist zu dynamisch für ein einfach „Weiter so“.
Das Gespräch führte Cash.-Redakteur und Versicherungs-Ressortleiter, Jörg Droste