Wo liegen die Grenzen von KI in der Finanzberatung?
Glanz: Zum einen brauchen viele Kunden schlichtweg gerade bei komplexen Themen der Finanzberatung weiterhin Menschen als Berater. Es geht aber auch um rechtliche Fragen der Compliance und der Governance. Unsere Vermögensberater durchlaufen schließlich ausgeklügelte und gesetzlich vorgeschriebene Ausbildungen und müssen ihre Eignung nachweisen. Aber wer nimmt eine KI-basierte Beratungssoftware ab? Die IHK, die BaFin, oder irgendein amerikanischer Hersteller? Was passiert bei einer Falschberatung? An wen wendet der Kunde sich dann? Wer haftet dafür? Es sind sehr viele Fragen noch komplett ungeklärt, wenn es um den eigentlichen Teil der Beratung geht und nicht nur um die Abwicklung oder eine standardisierte Empfehlung in einem Vergleichsportal.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ihren Vermögensberaterinnen und Vermögensberatern zum Thema Digitalisierung?
Glanz: Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Die meisten Beraterinnen und Berater sehen die Vorteile, also die Geschwindigkeitsvorteile und den weiteren Nutzen. Es gibt unter den rund 18.000 Vermögensberatern der DVAG, die das System nutzen, aber auch einige, die den Schritt vielleicht nicht oder noch nicht mitgehen möchten und denen alles zu komplex ist. Aber das ist eine Minderheit. Wir versuchen, auch sie mitzunehmen und zu berücksichtigen, aber irgendwann fährt der Zug aus dem Bahnhof und das wird auch bei uns so sein.
Wie sieht es auf der anderen Seite des Altersspektrums aus, also beim Nachwuchs sowie der Aus- und Weiterbildung?
Glanz: Digital-Affinität ist keine Frage des Alters. Viele Vermögensberater sind bereits älter und digital sehr affin. Und jüngere wiederum sind dies nicht immer. Junge Menschen können in der Regel sehr gut mit Standardanwendungen umgehen, einige sind aber durchaus überfordert, wenn es zu Spezialfällen oder Problemen kommt. Es ist wie beim Fußball, wie Otto Rehhagel einst gesagt hat: Es gibt keine jungen und alten Fußballer, es gibt nur gute und schlechte. Das ist bei uns genauso. In der Aus- und Weiterbildung ist Digitalisierung generell ein riesiges Thema, das vieles erleichtert und effektiver macht. Aber auch Präsenz-Schulungen haben weiterhin einen großen Stellenwert. Der Anteil ist nach dem Ende der Corona-Beschränkungen stabil und wird dies wohl auch in der absehbaren Zukunft bleiben. Nicht nur gegenüber unseren Kundinnen und Kunden, sondern auch in der Aus- und Weiterbildung – und generell in der Kommunikation der Berater und Beraterinnen untereinander – ist der persönliche Kontakt weiterhin enorm wichtig.
Was sagen Sie Skeptikern, die eher die Risiken als die Chancen von Digitalisierung sehen?
Glanz: Man darf die Risiken sicherlich nicht negieren, aber die Chancen der Digitalisierung überwiegen bei Weitem. Denn Digitalisierung macht vieles einfacher, schneller und effektiver. Sie kann zudem in manchen Bereichen, vor allem bei Standardabläufen und einfachen Verwaltungstätigkeiten, den Fachkräftemangel teilweise auffangen. Aber sie kann die qualifizierte persönliche Beratung nicht ersetzen, auch eine KI kann das auf absehbare Zeit nicht. Mit der richtigen Mischung aus digitaler Innovation und persönlicher Beratung bieten wir auch in Zukunft genau das, was unsere Kundinnen und Kunden suchen. Kein Berater muss Sorge haben, durch Digitalisierung überflüssig zu werden. Für mich steht jedoch fest: Wer den Sprung in das digitale Zeitalter verpasst, der wird auf lange Sicht nicht zukunftsfähig sein.
Das Interview führte Stefan Löwer, Cash.