Spätestens seit Corona ist digitale „Fitness“ relevant. Dazu muss man aber digital sein. Laut Versicherungsbote vom April 2020 haben die meisten Vermittler nicht einmal eine Website, geschweige denn einen Live-Chat. Was raten Sie hier?
Kanschik: Wer sich als Versicherungsmakler nicht digital aufstellt, ist für einen Großteil der Kunden unsichtbar. Auch wenn manche auf diesen Vertriebsweg nicht angewiesen sind, spürt spätestens der Nachfolger diese Versäumnisse. Digitale Fitness stärkt die Krisenfestigkeit, sichert langfristig das Geschäft und damit einen ordentlichen Preis für das Lebenswerk. Umso wichtiger ist das für Makler, die keinen Nachfolger haben und deren Bestand die wichtigste Altersvorsorge ist – keineswegs die Ausnahme, wie wir mit unserem Maklerbarometer festgestellt haben. Die Digitalisierung des Maklerbüros sollte mit dem „KOI“-Ansatz erfolgen, der für kommuni-zieren (K), organisieren (O) und informieren (I) steht. Die Makler sollten für jeden Punkt ihren Stand und ihre Perspektive prüfen. Auf unserer Website gibt es bis Mitte Februar einen Link zum Check.
Wie kann der Makler zielführend über Messenger wie WhatsApp kommunizieren und relevante Themen und Produkte für Zielgruppen finden?
Kanschik: Wer seine Zielgruppe kennt, weiß wo und wie diese kommuniziert. Für den einen Makler mag etwas essenziell sein, was ein anderer gar nicht braucht. Facebook ist mit Abstand führend bei Social Media, und Instagram laut einer unserer Umfragen der gar nicht mehr so geheime Geheimtipp. Wer über Messenger oder WhatsApp kommuniziert, muss einige rechtliche und organisatorische Themen beachten, vom Datenschutz bis zur Besetzung. Der Account muss regelmäßig gecheckt werden. Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kommunikation ist, seine Zielgruppe zu kennen. So interessieren sich beispielsweise Gastronomen oder Freiberufler derzeit eher für Möglichkeiten zur Liquiditätsbeschaffung (z.B. den Zweitmarkt für Lebensversicherungen) als für Neuabschlüsse. Ratgeber sind alle relevanten Fachmedien. Zu wissen, was die Zielbranche liest, ist ebenso interessant wie persönliche Gespräche. Einfache Werkzeuge wie „Google Alerts“ zu bestimmten Stichworten verbessern den Überblick.
Brauchen Makler Unterstützung, um den Ton von Social Media zu treffen?
Kanschik: Viele digital aktive Versicherungsvermittler verstehen mittlerweile, worum es geht: bei den Kunden sichtbar werden und sich als eigene Marke positionieren. Nur so kann ein Vermittler emotionale Bindung auf bauen und dem eher faden Versicherungsprodukt Kontur geben. Kunden schätzen persönliche Posts mehr als harte Fakten, Vertriebsprofis sollten aber trotz Kundennähe nicht beliebig werden. Gute Beispiele sind die Gewinner des Jungmakler-Awards der letzten Jahre. Wir können dem Makler helfen, Kanäle aufzusetzen, mit Leben füllen muss er sie selbst. Es geht nicht darum, irgendwelchen Trends hinterherzulaufen. Der Makler sollte sich wohl fühlen, authentisch und persönlich kommunizieren. Nur so geht Social Media.
Bieten Sie Ihren Maklern ein MVP? Wie läuft die Bedarfsanalyse für Makler, die noch mit „Leitz-Ordnern“, Excel und Outlook arbeiten?
Kanschik: Wir sind kein MVP-Hersteller. Unsere Partner erhalten eine zeitgemäße Website, die wir technisch administrieren. Hier stellen sie ihren Kunden unseren digitalen Versicherungsmanager zur Verfügung, mit Überblick über die Policen, digitaler Bedarfsanalyse nach DIN 77230 und Informationen auf Produktseiten mit Abschlussmöglichkeiten, alles im Branding des Partners und seines Unternehmens. Hinter der Website steht ein Portal, mit dem unser Partner seinen Bestand verwalten kann. Die meisten Makler nutzen eine Mischung aus Pool- und Direktanbindungen, bevor sie zu uns kommen. Wir helfen dabei, alle Daten in unser System zu migrieren. Ausgedruckte E-Mails, prallvolle Ablagen, Aktenschränke und Papierstapel sind dann passé. Der Makler hat aber nur dann alle Vorteile, wie beispielsweise Absicherung für den Ehepartner, der im Todesfall eine Lebensrente auf den Bestand erhält, wenn er seinen kompletten Bestand bei uns einpflegt. Als fünfte oder sechste Anbindung neben anderen eignet sich unser Modell nicht.
Was ist nötig, um einen Blog oder Newsletter kundenorientiert gestalten?
Kanschik: Alle Kunden, ob 32 oder 62 Jahre alt, wollen kurze, klar verständliche und praxisrelevante Informationen zu Versicherungen. Diese Inhalte stellen wir für einen Ratgeber-Blog auf der Makler-Website zur Verfügung, wie kürzlich Specials zur Vertragsoptimierung angesichts der Covid-19-Krise oder zur Cyberversicherung für Privat und Gewerbe. Ein Blog kann nicht individuell und von der Stange zugleich sein, wie bei Social Media muss jeder Makler selbst kreativ werden. Gerade ein Einzelkämpfer muss genau überlegen, was er wann einstellt. Wer plant, hält tendenziell länger durch. Heute muss ein Blog auch nicht schriftlich sein, Podcasts oder Videos sind zunehmend nachgefragte Formate.
Wie sieht eine digitale Kunden-Bedarfsanalyse aus?
Kanschik: Nur Vermittler mit digitalem Geschäftsmodell werden sich künftig behaupten. Grundvoraussetzung ist eine digitale Bedarfsanalyse, was wir als „Digitales Erstgespräch“ auf Basis der DIN 77230 längst einsetzen. Der Kunde gibt die Daten online ein. Für internetaffine Kunden ersetzt dies das Erst- oder Jahresgespräch. Oft machen unsere Mitarbeiter oder Partner die Analyse auch direkt mit dem Kunden, in Corona-Zeiten per Screensharing. Diese Bedarfsermittlung liefert ein umfassendes Bild, das in der weiteren Beratung zu optimalen Ergebnissen führt. Außerdem bleiben die Kundendaten aktuell und sind damit auch gut nachvollziehbar für uns als künftigen Nachfolger des Maklers.
Schätzen Makler die Wichtigkeit der Digitalisierung zur Werterhaltung des Bestands generell richtig ein?
Kanschik: Gerade aktuell zeigt sich: Nur wer in schwierigen Zeiten den Kundenkontakt halten und Sicherheit vermitteln kann, ist dauerhaft erfolgreich und krisenfest. Wettbewerbsfähigkeit bedeutet Werterhalt für das Unternehmen. Viele haben dies erkannt, was sich in der rasant gestiegenen Nachfrage nach unserem Partnermodell zeigt. Es kombiniert attraktive Modelle zur Bestandsverrentung mit der Möglichkeit, noch einige Jahre weiter zu arbeiten und den Bestand zu digitalisieren. Dabei und im Back-Office (inklusive Angebote, Anträge und Schadenmeldungen) unterstützen wir als späterer Bestandskäufer und Nachfolger. Allerdings darf ich einen besorgniserregenden Trend unseres Maklerbarometers nicht verschweigen: 60 Prozent der Makler im Rentenalter sehen sich gezwungen, noch länger weiterzumachen, vor allem, weil der Bestand die einzige Altersvorsorge ist. Praktisch werden die Bestände jedoch kaum noch aktiv betreut. Aufgrund immer strengerer Beratungs-, Dokumentations- und Weiterbildungspflichten ist das äußerst fahrlässig.
Wie sehen Sie die Unterstützung der digitalen Makler-Aktivitäten durch die Versicherer? Worin liegt ein etwaiger Nachholbedarf?
Kanschik: Es tut sich viel bei Tarifierung, Angebot und Antrag. Makleraffine Versicherer setzen mit agilen InsurTechs immer wieder Akzente, die den Alltag zukunftsorientierter Makler erleichtern. Ohne zu sehr aus dem Nähkästchen zu plaudern, kann ich aber sagen, dass es Nachholbedarf gibt. Einheitliche Prozesse bei der Bestandspflege – Stichwort „GDV-Daten“ – sind beispielsweise noch meilenweit entfernt. Initiativen wie BiPRO haben schon viel geleistet, die Auslegung gleicht dennoch mitunter einem Flickenteppich. Standardisierte Anbindungen an Gesellschaften sind nach wie vor Zukunftsmusik, was aktuell Pools und Maklergruppen wie uns in die Hände spielt, die die Ressourcen haben, mit dieser Komplexität operativ umzugehen. Das ist für kleinere Makler nahezu unmöglich geworden.
Das Interview führte Silvia Fischer, Diplom-Betriebswirtin und Journalistin (FJS)