Banken sehen sich heute einer Reihe vielfältiger Herausforderungen ausgesetzt, die auf den strukturellen Wandel und die Digitalisierung zurückzuführen sind. Veränderte Kundenerwartungen, die langanhaltende Niedrigzinspolitik, hohe regulatorische Anforderungen und neue technologieaffine Wettbewerber erfordern Anpassungen.
Das Angebot digitaler Bankleistungen unter Berücksichtigung veränderter Kundenreisen, die effiziente Gestaltung von Prozessen und eine operationale Exzellenz in der Bankwertschöpfung werden immer mehr zu Wettbewerbstreibern. Technologie spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie dient als Katalysator für ein digitales, modernes Banking der Zukunft.
Das Legacy-Dilemma – Hürde für eine flächendeckende Transformation im Banking
Viele Banken nutzen als Teil ihrer zentralen IT noch Großrechner. Obwohl im Laufe der Jahre Teile der Anwendungslandschaft modernisiert wurden, sind dennoch viele Legacy-Systeme im Einsatz, die durch hohe Komplexität und fehlende Flexibilität gekennzeichnet sind.
Die meisten laufen seit über Jahrzehnten und basieren auf veralteten Programmiersprachen (COBOL, PL/I), die in der modernen Informatik kaum noch gelehrt werden. Ihre Weiterentwicklung ist aufgrund knapper Verfügbarkeit von Experten stark eingeschränkt.
Bedingt durch Konsolidierungen in der Branche haben Banken zudem oftmals mehrere Kernsysteme parallel im Einsatz. Sie machen sich in einer Vielzahl in sich funktionierender, aber nicht ausreichend integrierter Insellösungen und Silolandschaften mit unflexiblen Schnittstellen zwischen den einzelnen Applikationen bemerkbar. Das führt zu heterogenen Systemlandschaften, die gepaart mit hoher Komplexität monolithischer Systeme Reibungsverluste verursachen und eine Transformation in die digitale Ära erschweren.
Langwierige Prozessketten, hohe manuelle Arbeitsaufwände sowie die limitierte Umsetzung wünschenswerter Verbesserungen im Bankbetrieb sind die Konsequenzen und führen zu Ineffizienzen. Auch ihre Pflege ist aufwendig und verursacht hohe Kosten. Das bindet Ressourcen und bremst den Digitalisierungsprozess spürbar.
Mangelnde Datenqualität bremst die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle
Ein struktureller Wandel geht immer mit der Entstehung von Innovationen einher. Diese beschränken sich nicht nur auf neue Produkte und Technologie. Oftmals fördert sie die Entstehung innovativer Geschäftsmodelle, die zu tiefgreifenden Veränderungen im Gesamtmarkt führen und neue Ertragsquellen ermöglichen.
Ein Beispiel dafür ist die Geschäftsmodellinnovation auf Grundlage intelligenter Datennutzung. Durch sinnvolle Bewertung und Zusammenführung von Daten sind im Banking individuelle, bedürfnisorientierte Finanzprodukte und Beratungsansätze möglich, um personalisierte Mehrwerte für Kunden anzubieten.
Denn Daten liefern wertvolle Informationen über individuelle Präferenzen wie persönliche Risikoaffinität, Konsum- und Investitionsneigung oder das Anlageverhalten. Sie erlauben Einblicke in wichtige Lebensphasen wie Ausbildung, Familiengründung oder Hausbau, die für Finanzentscheidungen relevant sind.
Diese Informationen können durch intelligente Interpretation unter Einsatz innovativer Technologien wie Data Analytics, Machine Learning oder Künstlicher Intelligenz zu neuen Erkenntnissen und das Angebot kundenspezifischer Bankdienstleistungen führen. Damit werden eine Reihe innovativer Anwendungsfälle möglich, die das Bankerlebnis und die Kunde-Bank-Beziehung grundlegend verändern. Das erfordert eine hohe Datenqualität, Transparenz und die intelligente Transformation der Daten.
Das Fehlen einer einheitlichen Datenqualität ist aber ein weiteres Merkmal veralteter Legacy-Systeme und stellt für innovative Geschäftsmodelle eine Hürde dar. Das zeigt sich unter anderem durch eine Mehrfachhaltung von Datensätzen in nebeneinander existierenden Kernsystemen, die durch Diskrepanzen und Uneinheitlichkeit ausgezeichnet sind. Unterschiedliche Datensätze, Datensilos und fehlende Konsolidierungen erschweren so die Etablierung einer erfolgreichen Geschäftsmodellinnovation.
Sie verhindern den umfassenden Blick auf konsistente Datensätze in Echtzeit und somit die notwendige Transparenz, die für eine intelligente Datennutzung erforderlich ist. Chancen für innovative Anwendungsfälle wie beispielsweise „next best action“ beziehungsweise „next best offer“ werden damit vertan. Ein positives Bankerlebnis für den Kunden bleibt aus. Die Bankbeziehung ist anonym und bietet keine individuellen Nutzenvorteile.
Eine fehlende Customer Experience erhöht die Gefahr der Abwanderung und den Verlust der Kundenschnittstelle, da durch mangelnde Alleinstellungsmerkmale Bankdienste austauschbar werden. Auch das Produktmanagement wird in Mitleidenschaft gezogen. In dynamischen Zeiten mit hohen Wettbewerbsintensitäten werden lange Time-to-Market-Zyklen nicht toleriert.
Durch verzögerte Anpassungsgeschwindigkeit bergen veraltete Legacy-Systeme die Gefahr für eine verzögerten Reflexion der Marktanforderungen, die sich unter anderem durch unzureichende Bankdienste für den Kunden bemerkbar macht. In Zeiten technologieaffiner Ersatzangebote durch Non- und Nearbanks stellt dieses Merkmal einen Wettbewerbsnachteil dar.
Der Weg in die digitale Ära – Modernisierung der Legacy-Landschaft
Zukunftsfähige Geschäftsmodelle im Banking sind heute ohne eine effiziente und moderne IT-Landschaft kaum denkbar. Dabei werden Eigenschaften wie Flexibilität und Agilität als die neuen Erfolgsfaktoren für eine gelungene Transformation im Banking vorausgesetzt.
Doch so notwendig es ist, die Zeichen der Zeit für die Modernisierung wahrzunehmen, so wichtig ist es auch den individuellen Bedarf und Nutzen zu kennen. Denn Modernisierung per se ist kein Selbstzweck, sondern dient der Lösung unternehmerischer Herausforderungen, der Ergreifung bestehender Chancen und der Verbesserung der Bankwertschöpfung.
Mit einer ganzheitlichen Vorgehensweise, die die die spezifischen Herausforderungen und Chancen hervorhebt und auf Basis eines realistischen Umsetzungsfahrplans formuliert wird, können Banken ihren individuellen Modernisierungsweg für ihre Systeme, Prozesse und IT-Infrastruktur bestimmen. Dabei darf der Blick auf die Kunden- und Mitarbeiternutzen, regulatorischen Herausforderungen und unternehmerischen Zielsetzungen nicht zu kurz kommen. Auch hier ist Flexibilität und Agilität angesagt.
Transformationsprojekte nach dem Wasserfallprinzip, die mehrere Jahre in Anspruch nehmen und dynamische Anpassungen nur bedingt zulassen, sind wenig vorteilhaft. Modernisierungsstrategien hingegen, die auch kurzfristige Erfolge und schnelle Implementierungen zulassen, schaffen schnelle Erfolgserlebnisse und Vorteile.
Der Weg geht weiter
Die Digitalisierung im Banking ist bei Weitem nicht abgeschlossen. Für die Sicherung der wettbewerbsfähigen Marktpositionierung werden Banken angehalten, den Transformationsweg weiterzugehen. Zukunftsfähige Geschäftsmodelle setzen effiziente und moderne IT-Systeme voraus. Veraltete Legacy-Systeme stellen eine erhebliche Barriere für die erforderliche Transformation im Banking dar.
Ein individueller Modernisierungsfahrplan, der den Nutzen für Kunden, Mitarbeiter und Bank transparent abbildet, sichert die Erfolgschancen für eine gelungene Modernisierung. Mit digitalen Arbeitsplätzen, zukunftsfähigen Portalen, mobilen Lösungen und modernen IT-Systemen können Prozess- und Organisationseffizienz, innovative Geschäftsmodelle, regulatorische Konformität sowie Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erreicht werden.
Die Autorin: Nehir Safak-Turhan ist Senior Business Developer für die Line of Business Banking bei Adesso