Die Transformation beherrscht die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. Willkommen in disruptiven Zeiten – dass das so ist, belegen nicht nur die Titel auf den Bestseller-Listen. Während Newcomer und Startups auf den Startblöcken stehen, um ganze Branchen umzuwerfen, werden viele etablierte Unternehmen zunehmend unruhig. Ein Gespräch mit Reza Razavi, Senior Manager Culture and Transformation bei BMW Group, Referent bei Club 55 (European Experts of Marketing and Sales).
Sie bezeichnen sich als Change- und Transformationsberater, das entstammt wohl keinem klassischen Ausbildungsberuf. Was steckt dahinter?
Die Aufgabenstellung ist wohl auf meine intrinsische Motivation zurückzuführen. Ich könnte mich auch als Culture Revolutionary Officer oder als Culture Transformation Ambassador bezeichnen – mir geht es nicht um einen bestimmten Titel, sondern darum, Musterbrüche zu erzeugen.
Letztendlich will ich vor allem auch kein Besserwisser sein, sondern ein Botschafter.
Sie befassen sich intensiv mit Transformation – wie definieren Sie das eigentlich?
Change impliziert, dass sich manches ändert, während vieles gleich bleibt. Im Gegensatz lässt die Transformation eine Zukunft entstehen, die völlig neu ist. Sie hat die Eigenschaft, systemisch zu wirken. Dabei werden die Spielregeln und der Referenzrahmen des Systems selbst verändert.
Es geht nicht mehr um eine Verbesserung des Bestehenden, sondern die Organisation, das Geschäftsmodell oder sogar das Weltbild wird neu erfunden.
Wenn wir ein Fahrzeug immer besser, schneller, qualitativer und sicherer machen, dann bleibt es letztendlich doch ein Fahrzeug. Wenn wir Mobilität managen wollen, braucht es also andere Herangehensweisen.
Dabei herrschen in den hiesigen Unternehmen noch alte preußische Strukturen und viele Firmenchefs verhalten sich wie im Liegestuhl auf der Titanic?
Vielen fällt es sehr schwer, aus den alten Mustern, die bisher für Erfolg gesorgt haben, auszusteigen. Speziell in Europa neigen wir zu der Strategie „never change a running system“.
Dabei könnten wird doch auf unterschiedliche Weise erfolgreich sein – und endlich einmal darüber nachdenken, wie uns das auf menschliche, zukunftsfähige und nachhaltige Art gelingen kann.
Inmitten der digitalen Revolution arbeiten viele Unternehmen noch mit den bewährten Tools. Sie versuchen also, heutige Probleme mit alten Denkweisen zu lösen – doch gerade diese Methoden und Verfahren sind oft Teil des Problems. Wie betrachten Sie den Status Quo?
Während wir den Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft maßgeblich mitgestaltet haben, stehen Europa und erst recht Deutschland jetzt in der Digitalen Transformation nicht so gut da. Die Entwicklung wird maßgeblich von China und den USA bestimmt. Auch wenn hierzulande Top Ingenieurswissen existiert:
In Sachen digitales Verständnis sind die Unternehmen nicht gut vorbereitet und die Politik macht wenig. Es fehlen Zukunftsbilder und Visionen. Bisher haben wir in einer Welt des Standards gelebt.
Doch jetzt plötzlich werden aus Menschen individuelle Personen mit Vorlieben und Bedürfnissen, wir bewegen uns raus aus dem Durchschnitt und werden sichtbar. Und wir stehen gerade erst am Anfang – das alles hat Auswirkungen auf unsere Identifikation, Kommunikation und Stimmungslage.
Gibt es in den Unternehmen zu viel Blockade? Ist die Macht der Nein-Sager zu groß, die die Transformation verhindern, verschlafen oder verdrängen?
Viele machen sich noch immer keine Vorstellung davon, dass die Dinge massiv anders werden. Und stecken in ihrem konservativen und traditionsverhafteten Rahmen fest. Grund dafür könnte die deutsche Geschichte sein: Kriege, Katastrophen, Leid und Verlust sind die Grundpfeiler.
Dass alles so funktioniert, musste man sich erst hart erkämpfen. Dass sich Deutschland nicht von heute auf morgen und ganz spontan und allumfänglich neu erfinden will, ist das Resultat.
Ich nehme es keinem Manager übel, dass die Bereitschaft nicht so offenherzig gegeben ist. Schließlich gründet das heutige Ergebnis auf einer Erfolgsstory.