Digitalisierung in Coronazeiten: Wenn nicht jetzt, wann dann oder der wichtige Schritt in die Agilität

Peter Benthake, QPerior
Peter Benthake, Q_Perior

Die Corona-Krise ist für Versicherer bisher glimpflich verlaufen, sagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Doch die Krise zeigt, dass die Versicherungsbranche digitaler werden muss. Noch geben die großen digitalen Player den Takt vor. Wie kann die Versicherungsbranche mithalten?

Corona hat die (Business-)Welt weiter im Griff, die Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft sind noch nicht absehbar. Für die Versicherer mit ihren langfristigen Geschäftsmodellen verläuft die Krise bisher glimpflich, konstatiert etwa der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Im Gegenteil steigt gerade jetzt das Bedürfnis von Verbrauchern und Unternehmen nach mehr Vorsorge.

Trotzdem: Auch wenn die Corona-Pandemie bisher keine gravierenden wirtschaftlichen Folgen für die Branche hat, so sind natürlich auch die Versicherer zu weitreichenden strukturellen Veränderungen gezwungen.

Wie überall musste auch hier der Arbeitsalltag innerhalb kürzester Zeit neu organisiert werden. So spielen Homeoffice und digitales Arbeiten plötzlich eine sehr zentrale Rolle. Auch erwarten Kunden gerade jetzt passende Versicherungsangebote, unkomplizierte Workflows bei Abschlüssen, schnelle Reaktionszeiten und die zügige Bearbeitung von Schadensfällen, vor allem online – letzteres ist in Zeiten von Negativzinsen ohnehin im Interesse des Versicherers.

Der Bedarf an Agilität und reibungslosem Service ist größer denn je. Und so sollten Versicherer die Krise nutzen und sich jetzt agil(er) aufstellen. Der Zeitpunkt ist gut, um Veränderungen im eigenen Unternehmen durchzusetzen – als Investition in die Zukunft, um auch langfristig im Wettbewerb zu bestehen.

Dass die Versicherungsbranche insgesamt digitaler werden und ihre Online-Präsenz deutlich verstärken muss, war schon lange vor Corona klar. Es ist keine neue Entwicklung, dass Verbraucher und Unternehmen online auf die Suche nach attraktiven Versicherungsprodukten gehen.

Fündig werden sie oft bei branchenfremden Anbietern, auf digitalen Marktplätzen wie Amazon oder auf Vergleichsportalen. Spätestens jetzt, da in Zeiten von Kontaktsperren traditionelle Verkaufskanäle wie das persönliche Gespräch mit dem Versicherungsmakler wegfallen, ist es wichtiger denn je, dass Versicherer einen starken Online-Auftritt hinlegen.

Bisher geben die großen digitalen Player wie Amazon oder Paypal den Takt vor. Sie aktualisieren ihre Angebote im Minutentakt und setzen damit ihre Wettbewerber aber auch alle anderen Marktteilnehmer unter großen Druck. Diese Angebote sind neue Softwareprodukte und Services die permanent und mit schnellen Innovationszyklen in Lösungen für Datenspeicherung, Datenverarbeitung und digitale Marktplätze eingespielt werden.

Die schnelle Adaption ist vordergründig die Sache der IT-Abteilungen. Doch damit Versicherer sich dauerhaft auf den digitalen Marktplätzen durchsetzen können, müssen auch die Fachabteilungen wie Vertrieb, Service, Produktentwicklung und Produktion in die Lage versetzt werden, schnell und integriert zu arbeiten.

Allerdings tun sich vor allem die traditionell aufgebauten Konzerne mit ihren langjährig gewachsenen Unternehmens- und IT-Strukturen noch schwer mit der Transformation in flexible, kreative und agil arbeitende Organisationen.

Was kann Agilität im Versicherungskontext bewirken?

Zunächst einmal, dass Linienorganisation und Projekte nicht mehr strikt voneinander getrennt sind, sondern miteinander verknüpft werden. Der Grundgedanke „erst die Idee und dann das Projekt“ ist überholt.

Stattdessen muss es darum gehen, permanent im Innovationsmodus zu sein, flexibel an neuen Produkten und optimierten Services zu arbeiten und den Mut zu haben, Angefangenes ständig neu zu hinterfragen und wenn nötig auch rechtzeitig wieder zu verwerfen.

Das kann nur funktionieren, wenn Hierarchien flacher werden, Entscheidungsketten abgespeckt und damit Entscheidungen beschleunigt werden. So kommen Versicherer in einen permanenten Erneuerungsprozess.

Bei all dem schwingt immer eine wichtige Frage mit: Welchen Grad der Agilität kann ein Unternehmen vertragen, wo liegen die Grenzen? Agile Prozesse müssen daher mit Augenmaß eingeführt werden, um Organisation und Mitarbeiter nicht zu überfordern.

Deshalb lässt sich die Frage, wann die agile Transformation vollbracht ist, mit einem klaren „Es kommt darauf an“ beantworten. Wann genau das ist, lässt sich gerade bei großen, komplexen Organisationen nur schwer feststellen. Sicher ist, es handelt sich hier um einen langen Prozess. Menschen neigen dazu, schnell wieder in alte Muster zurückzufallen.

Deshalb braucht es langfristige Begleitung durch agile Coaches, damit die einmal erreichten Verhaltensveränderungen sich auch langfristig in den Köpfen festsetzen und im besten Fall zu einer Haltungsänderung werden. Denn Agilität ist mehr als die Methodik, sie ist eine Einstellung. Daher geht es hier am Ende um nicht weniger als echten Kulturwandel.

Zum Autor: Peter Benthake ist Partner bei der international tätigen Unternehmensberatung Q_PERIOR mit Schwerpunkt Management- und IT-Beratung.
Foto: Q_Perior

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