„Dividenden nicht überbewerten“

Immer wieder werden Dividenden als Alternative für Anleihezinsen ins Feld geführt. Warum der Verglich hinkt und die Gewinnausschüttungen der Unternehmen kein Wundermittel für den langfristigen Anlageerfolg sind

Auch wenn sich die globalen Aktienmärkte tendenziell im Erholungsmodus befinden, bleiben die Nerven der meisten Anleger angespannt. Die Schlagzeilen warnen weiterhin vor dem Schlimmsten, dementsprechend sind Anlagetaktiken für unsichere Zeiten gefragt. Laut Thomas Grüner, Gründer und Vice Chairman von Grüner Fisher Investments, werde dabei eine hohe Aufmerksamkeit den Dividenden zuteil. „Es ist nicht ungewöhnlich, dass dividendenstarke Strategien verstärkt in den Fokus rücken, sobald die Aktienmärkte ihre negative Seite der Volatilität zeigen. Dividenden stehen für laufende Erträge und versprechen somit eine vermeintliche Stabilität für das Portfolio“, so Grüner. Wie hilfreich sind sie tatsächlich für den langfristigen Anlageerfolg?

Keine Zusatzrendite

Ein Großteil der Anziehungskraft von Dividenden in Zeiten mit hohen Schwankungsbreiten gehe auf eine grundlegend falsche Vorstellung davon zurück, was Dividenden eigentlich seien. „Der Gesamterfolg einer Aktienanlage lässt sich zwar in Kursgewinne und Dividendenzahlungen aufschlüsseln, die Dividenden sorgen dabei allerdings nicht für einen ‚Zusatzertrag‘. Aus dem simplen Zusammenhang heraus, dass jede Dividendenzahlung den Kurs einer Aktie um den ausgezahlten Betrag reduziert“, erläutert Grüner. Mit jeder Dividende werde nämlich ein kleiner Teil des Unternehmenswerts abgeschöpft und die Marktkapitalisierung sinke.

Dividenden stellten für die Unternehmen eine Möglichkeit dar, ihre Gewinne an die Aktionäre zurückzugeben. Sobald sie sich für diesen Weg entschieden, könnten diese ausgegebenen Gewinne nicht mehr in das Kerngeschäft reinvestiert werden, um langfristiges Wachstum zu finanzieren. Erklärte Gegner von Dividendenzahlungen – mit Warren Buffett als prominentem Vertreter – würden eine komplette Reinvestition, in der klaren Überzeugung, dass die Aktionäre dadurch langfristig bestmöglich entlohnt werden, bevorzugen.

Keine Schutzfunktion

„Aufgrund dieser Auszahlungslogik wäre es ein Fehler, die Dividendenrendite von Aktien mit den Zinszahlungen von Anleihen zu vergleichen“, sagt Grüner. Anleihezinsen stellten eine Rendite auf das investierte Kapital dar, die Zinszahlungen würden über die Laufzeit der Anleihe hinweg ausgeschüttet und bei Fälligkeit erhielten Anleihekäufer ihr eingezahltes Kapital zurück. „Dividenden stellen hingegen nur eine unverbindliche Form der Gewinnausschüttung dar, wobei sie nur dann einen Zinseszinseffekt entfalten können, wenn sie direkt reinvestiert werden – was sicherlich dem emotionalen Anreiz entgegensteht, laufende Zahlungen als ‚Liquiditätspuffer‘ für Abwärtsphasen zu interpretieren“, meint Grüner.

Vor allem seien dividendenstarke Aktien nicht immun gegen Bärenmärkte. „In der kurzen und heftigen Abwärtsphase im Frühjahr 2020 fiel der global aufgestellte Index mit einem Fokus auf dividendenstarke Titel – der MSCI World High Dividend Yield Index – um 32,7 Prozent, gegenüber einem Rückgang von 34,0 Prozent im MSCI World Index selbst“, so Grüner. In der globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009 habe dieser dividendenstarke Index sogar 63,4 Prozent, der MSCI World Index dagegen ‚nur‘ 57,8 Prozent verloren. „Dividenden boten also per Saldo bei beiden zurückliegenden Gelegenheiten keinen wirklichen Schutz“, resümiert Grüner.

Fazit

„Als Gewinnausschüttung substanzstarker Unternehmen sind Dividenden an sich eine gute Sache. Sie sollten allerdings bei der Zusammenstellung eines Aktienportfolios nicht überbewertet werden“, so Grüner. Dividenden seien nicht dafür geeignet, die Gesamtperformance einer Aktienanlage, gerade in schwierigen Zeiten, zu verbessern. „Eine vernünftige Diversifikation, angelehnt an eine korrekte Standortbestimmung im Marktzyklus, führt langfristig orientierte Anleger eher zum Ziel.“

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