Derzeit sinkt das inländische Erwerbspersonenpotenzial jährlich um rund 300 000 Personen, weil mehr Menschen in Rente gehen, als in den Arbeitsmarkt eintreten.info Damit Deutschland sein Produktionspotenzial ausschöpfen und die vielen anstehenden Infrastrukturinvestitionen bewältigen kann, ist ein Gesamtkonzept erforderlich, um das vorhandene inländische Erwerbspersonenpotenzial und die Zuwanderung von Fachkräften zu steigern. Mit Blick auf das inländische Erwerbspersonenpotenzial gehören dazu, anders als im Sondierungspapier, neben der Abschaffung der Rente mit 63 Jahren und der sukzessiven Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre, auch Maßnahmen, die es insbesondere Frauen ermöglichen, ihre Arbeitszeit zu erhöhen. Denn viele wollen mehr arbeiten, können es aber nicht. Zu letzterem äußert sich das Sondierungspapier in keiner Weise. Dazu gehören zum Beispiel die Ganztagsschulen und die tatsächliche Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz. Zum anderen ist es an der Zeit, das Ehegattensplitting abzuschaffen, um Anreize zu schaffen, in den Arbeitsmarkt einzusteigen oder die Arbeitszeit zu erhöhen.info
Im Mittelpunkt der Maßnahmen muss jedoch eine erleichterte Zuwanderung von dringend benötigten Arbeitskräften stehen, um die anstehenden demografischen Herausforderungen zu bewältigen. Dafür braucht es statt des im Sondierungspapier enthaltenen Sammelsuriums von Maßnahmen ein gesamtheitliches Konzept, differenziert nach Gründen für Zuwanderung. Bei der Arbeitsmigration war das Fachkräftezuwanderungsgesetz ein Schritt in die richtige Richtung – aber es dauert immer noch viel zu lange, bis Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten bei uns arbeiten können. Im Mittelpunkt steht daher erneut die Bürokratie. Es bedarf klar definierter Prozesse mit dem Ziel, innerhalb eines Monats über die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden. Das fängt bei der digitalisierten Visa-Vergabe an, geht über serviceorientiert geschulte Ausländerbehörden bis hin zur beschleunigten Anerkennung von Abschlüssen. Das gilt sowohl nach der Zusage eines Arbeitsverhältnisses als auch für die Suche nach einem Arbeitsverhältnis innerhalb Deutschlands. Darüber hinaus sollten die Hürden für eine erneute Einreise nach einer Ausreise möglichst geringgehalten werden, um eine “zirkuläre Migration” zu ermöglichen.info
Ein weiteres Augenmerk zur Verbesserung der Standortbedingungen muss auf der Gewinnung von Innovator*innen und Forschenden liegen, die im Sondierungspapier überhaupt nicht erwähnt werden. Jährlich verlassen mehr Forschende und Innovator*innen Deutschland als nach Deutschland kommen.info Damit verliert das Land Potenzial für die Einführung innovativer Technologien, Produkte und Dienstleistungen, die zu den wichtigsten Faktoren für künftiges Wirtschaftswachstum zählen. Um diesen Trend umzukehren, muss das Arbeitsumfeld in Deutschland für diese Menschen attraktiver gestaltet werden: Neben der mehrfach genannten effizienteren Bürokratie gehört dazu der Zugang zu Risikokapital. Dazu sollte es Unternehmen aus dem Finanzsektor, wie zum Beispiel Versicherungen, erlaubt werden, einen geringen Prozentsatz ihres Vermögens in Start-ups zu investieren. Zweitens sollte die neue Bundesregierung angesichts der Entwicklungen in den USA einen Fond auflegen, der gezielt Forschende und Innovator*innen aus den USA anwirbt. Dieser Fond kann direkt das Gehalt oder Kapitalausstattung finanzieren. Schließlich ist das deutsche Steuersystem hinsichtlich der Besteuerung reinvestierter Gewinne im Vergleich zu den USA unattraktiv. Es muss vorrangig Investitionsanreize setzen.