Der Wahlkampf in Deutschland war nach mehreren Anschlägen von einem intensiven Diskurs zur inneren Sicherheit geprägt, der aber im Sondierungspapier nicht explizit aufgegriffen wird. Um die innere Sicherheit nachhaltig zu gewährleisten und damit den Standort zu stärken, muss die politische Debatte versachlicht werden hin zu einer evidenz-basierten Kriminalpolitik. Das Sondierungspapier bietet im Bereich der inneren Sicherheit jedoch nur zwei Punkte an: Der eine ist eine (lobenswerte) Weiterentwicklung des Opferschutzes bei Gewalt gegen Frauen, der andere eine implizite Annäherung an Maßnahmen der inneren Sicherheit im Sinne der Begrenzung irregulärer Migration.
Der aktuelle Diskurs, der Kriminalität mit Migration verknüpft, ist jedoch kaum wissenschaftlich fundiert. Der hohe Anteil ausländischer Tatverdächtiger in der Polizeilichen Kriminalstatistik ist vor allem auf demografische (Alter, Geschlecht) und sozio-ökonomische Risikofaktoren (Bildung, Einkommen, Arbeitsmarktperspektiven, Wohnorte) zurückzuführen.info Unter Berücksichtigung dieser Faktoren kann die pauschale Aussage, dass Zuwanderung die Kriminalität erhöhe, nicht bestätigt werden.info Für die Herausforderungen der Migrationspolitik (bei Integrations- und Kapazitätsfragen) müssen Lösungen gefunden werden. Eine restriktivere Migrationspolitik wird jedoch nicht die Lösung für eine nachhaltige innere Sicherheit sein.
Vielmehr sollte bei der Kriminalitätsbekämpfung priorisiert werden und eine ganzheitliche Strategie zur Kriminalitätsprävention im Mittelpunkt stehen. Eine gut funktionierende Polizei ist für die Kriminalitätsbekämpfung von zentraler Bedeutung.infoDie neue Bunderegierung sollte eine nachhaltige Strategie entwickeln, die eine verbesserte föderale Zusammenarbeit und Kooperation der Polizei und anderer Behörden/Institutionen über die Ländergrenzen hinweg beinhaltet. Bestehende Maßnahmen zur Kriminalitätsbekämpfung sollten (unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit) konsequenter umgesetzt werden, bevor Strafrahmen erhöht werden. Die Unterstützung und Modernisierung von Polizei und Justiz, einschließlich moderner technischer Ausstattung, Digitalisierung, Reformen zu Datenspeicherung und Bürokratieabbau sollten angegangen werden. Darüber hinaus müssen Ansätze entwickelt werden, um den Fachkräftebedarf in der Polizei zu decken. Die Polizeigewerkschaften fordern eine Einstellungsoffensive – dafür muss der Beruf attraktiv sein.
Nachhaltige innere Sicherheit kann aber vor allem durch Prävention erreicht werden. Sie ist besonders wirksam, wenn sie den Einstieg in die Kriminalität verhindert. Bildung, Chancengerechtigkeit, Arbeitsmarktperspektiven und sozialpolitische Maßnahmen sind dabei entscheidend.info Diese Faktoren sind sowohl aus wirtschafts- als auch aus kriminalpolitischer Sicht wichtig. Hier bedarf es eines Umdenkens in der Sicherheitspolitik hin zu einem gesamtpolitischen Ansatz, der wirtschafts- und sozialpolitische Aspekte mitdenkt und zu einer evidenzbasierten Kriminalpolitik führt.