DJE: Ukraine-Krieg – Folgen für Lebenskosten, Agrar- sowie Rohstoffmarkt

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Dr. Jens Ehrhardt, DJE Kapital AG

Russlands Krieg in der Ukraine sorgt neben allem menschlichen Leid global für große wirtschaftliche Herausforderungen – sehr spürbar unter anderem bei den Energie-, Rohstoff- und Agrarpreisen. Dr. Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG mit einem Überblick für Anleger und Verbraucher.

Die Inflation steigt unentwegt. Die EZB hat trotzdem entschieden, den Leitzins bei null Prozent zu belassen, die Anleihekäufe aber schneller als geplant zurückzufahren. Was bedeutet das für Unternehmen, etwa aus den Bereichen „Agrar“ und „Lebensmittel“, welche Auswege gibt es?

Ehrhardt: Zinssteigerungen sind angesichts der aktuellen Konjunkturrisiken vermutlich eher kontraproduktiv und könnten den Aktienmarkt weiter belasten. Positiv wäre daher, wenn die Politik zügig Maßnahmen ergreifen würde, um die inflationsbedingten Kaufkraftverluste zu minimieren. Dabei sind die strategischen Weichenstellungen in der Energie- und Agrarpolitik entscheidend. Ohnehin dürfte in diesem Zusammenhang die frühere „Tank oder Teller“-Diskussion wieder in den Fokus rücken. Angesichts der Knappheit von Agrargütern und Energie haben wir heute jedoch eine ganz andere Ausgangslage. Neben Solar- und Windenergie sollten deshalb auch Biomethan aus Gärresten und Gülle wieder stärker gefördert werden. Generell muss die Nahrungsmittelproduktion in diesem Umfeld maßgeblich unterstützt werden. Dies dürfte auch den Aktien aus diesem Bereich Rückenwind verleihen.

Die Preise für Weizen an den Weltmärkten jagen von einem Rekord zum nächsten. Auch Düngemittel werden teurer. Zudem liest man von Knappheit bei Mais, Raps und Sonnenblumen. Was bedeutet diese Entwicklung für die Lebensmittelpreise in den nächsten Wochen und Monaten?

Ehrhardt: Entscheidend wird sein, wie lange der Konflikt in der Ukraine anhält. Aktuell mangelt es dort vor allem an Diesel für die Landmaschinen, aber auch an Mitarbeitern, die eigentlich die anstehende Aussaat bewerkstelligen müssten. In der Folge ist ein Rückgang des Erntevolumens von 30 bis 40 Prozent für die Vermarktungssaison 2022/23 nicht unrealistisch. Saisonal bedingt wird es nicht einfach sein, diesen Ernteausfall zeitgleich durch die Lieferung aus anderen Regionen zu kompensieren. Vor allem die afrikanischen Staaten werden daher versuchen, ihren zusätzlichen Bedarf nun in Australien, Indien, Argentinien oder in den USA zu decken. Preistreibend wirkt in diesem Zusammenhang das Verhalten einiger Staaten, den eigenen Getreideexport komplett einzustellen.

Die steigenden Gaspreise verteuern wiederum Mineraldünger enorm, so dass viele Landwirte in dieser Anbausaison versuchen werden, den Düngemittel-Einsatz einzudämmen beziehungsweise auf organische Stoffe wie Gülle umzusteigen. In der Folge sind selbst hierzulande Ernteeinbußen von bis zu zehn Prozent nicht vollkommen auszuschließen.

Was ergibt sich daraus für einzelne Sektoren und die Kapitalmärkte?

Ehrhardt: Die absehbare Verschiebung der Handelsströme bei Agrargütern dürfte letztlich vor allem den international tätigen Agrarhändlern ein gewisses Zusatzgeschäft bescheren. Im Düngemittelbereich werden insbesondere die US-Produzenten von einer vergleichsweise besseren Gasversorgung profitieren. Der Nahrungsmittelsektor hat andererseits mit den steigenden Rohstoffkosten zu kämpfen.

Hohe Energiepreise können sich indirekt auf die Konjunktur auswirken. Müssen Verbraucher mehr Geld für Energie ausgeben, haben sie weniger Geld für andere Güter. Welche Branchen sind von dieser sinkenden Nachfrage besonders betroffen?

Ehrhardt: Generell werden die Konsumausgaben für nicht notwendige Güter und Dienstleistungen, zum Beispiel Reisen, tendenziell sinken. Auch wird der ein oder andere sicherlich seinen geplanten Autokauf eher aufschieben. Der Lebensmittelhandel und hier insbesondere die Discounter sollten von dem Kaufkraftverlust hingegen weit weniger betroffen sein.

Sind gegen solche Rückwirkungen Value-Titel besser „geschützt“ als Growth-Titel?

Ehrhardt: Steigende Zinsen sind grundsätzlich negativ für Wachstumsaktien. Wegen der US-Konjunktur und der Zinssteigerungspolitik der US-Notenbank dürften die Zinsen weiter anziehen – was die konjuktursensitiven Value-Aktien mehr begünstigt als Growth-Titel. Allerdings haben die massiven Verluste der Wachstums-Aktien in den Monaten zuvor dazu geführt, dass einige Growth-Titel nicht mehr teuer sind, sondern im Hinblick auf Wachstum und überragende Marktstellung aussichtsreich erscheinen. Solange die Weltkonjunktur sich weiter positiv entwickelt, dürften Value-Aktien aber das bessere Chance-/Risiko-Verhältnis haben. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen 13 Jahren.

Der Markt ist in diesem Jahr schon weit gelaufen, besonders für Palladium, aber auch für Gold. Ist Gold dennoch nach wie vor eine Option? Und gibt es dazu Alternativen, z.B. Silber oder Platin?

Ehrhardt: Gold steht heute in Dollar gerechnet nicht höher als 2011. Im Hinblick auf die jüngste und in den vergangenen elf Jahren zu beobachtende Inflation sollte Gold mittelfristig steigen können. Kurzfristig befinden wir uns zwar im übergekauften Bereich mit zu vielen Optimisten, aber nach dem jüngsten fünfprozentigen Rückschlag erscheint auch Gold wieder aussichtsreich. Generell sollten alle Edelmetalle im Hinblick auf das wachsende Anlegerinteresse, aber auch auf den vermehrten Industrie- und Schmuckbedarf, aussichtsreich sein. Gold ist heute in den Anlegerportfolios im Durchschnitt mit weniger als zwei Prozent vertreten. In der Nachkriegszeit waren diese Prozentsätze durchschnittlich weit höher, oft um zehn Prozent.

Inwieweit ist die aktuelle Situation mit der ersten großen Ölkrise 1973 und der damaligen Stagflation vergleichbar?

Ehrhardt: Die Abhängigkeit der Weltwirtschaft vom Ölpreis ist in den letzten Jahrzehnten stetig zurückgegangen. Im Moment besteht nicht die Gefahr einer Stagflation. Zwar ist die Inflationsrate in den USA und in Europa auf einem Hoch mit Blick auf die vergangenen 40 Jahre, aber die Wachstumsraten dürften hoch bleiben. Einerseits wegen der geringeren Ölabhängigkeit, andererseits wegen des real nach wie vor nicht zu hohen Ölpreises. Wenn die US-Zentralbank längere Zeit die Zinsen erhöht, wächst die Gefahr einer Stagflation – diese ist heute aber noch nicht in Sicht. Tatsächlich sind die US-Zinsen im historischen Vergleich immer noch sehr niedrig. Und auch ein Anstieg um gut ein Prozent in einem Jahr wäre noch immer niedrig, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der hohen Inflation.

Die USA sind deutlich weniger abhängig von russischen Energielieferungen als Europa, speziell Deutschland. Sind US-Aktien jetzt grundsätzlich die bessere Wahl?

Ehrhardt: Europäische Aktiengesellschaften dürften zum Teil erheblich unter den hohen Energiepreisen leiden. Die USA importierten auch vor dem Embargo weit weniger als ein Prozent ihres Ölbedarfs aus Russland. Die US-Volkswirtschaft profitiert durch die Krise in den Bereichen Rüstung, Ölbranche und Agrarsektor.

Die stark gestiegenen Nahrungsmittelpreise und die anziehenden Preise für Kunstdünger lassen erhebliche Gewinnsteigerungen bei den Agrar-Aktien erwarten. Öl-Aktien profitierten schon vor der Krise durch die sehr niedrigen Abschreibungen (wenig Explorationsaufwendungen). Rüstungs-Aktien stiegen seit der Krise um 15 Prozent und profitieren auch von deutscher Aufrüstung.

Was empfiehlt sich Anlegern, um mit positiver Wertentwicklung der inflationären Geldentwertung entgegen zu wirken?

Ehrhardt: Aufgrund der dargelegten latenten Risiken sind Investitionen in breiter anlegenden Aktienfonds direkten Aktieninvestitionen vorzuziehen. Aus unserem Hause können der DJE – Agrar & Ernährung (ISIN: LU0350835707) und der DJE – Gold & Ressourcen (ISIN: LU0159550077) für Anleger ein gewisser Inflationsschutz sein.

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